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Wahlkampfauftritt. Seit fast 30 Jahren macht Sylvia-Yvonne Kaufmann Europapolitik, hier auf einer SPD-Wahlveranstaltung 2014.

© Imago / Future

Berliner Brüssel-Veteranin: Kaufmann verlässt EU-Parlament nach 30 Jahren

Sylvia-Yvonne Kaufmann saß für die Linke, dann für die SPD im EU-Parlament. Jetzt verabschiedet sie sich aus Brüssel.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Vor einem Jahr hat Sylvia-Yvonne Kaufmann für sich entschieden, bei der Europawahl nicht mehr anzutreten. Manche Genossen in der SPD waren überrascht, relativ kurzfristig hatte sie ihrem Kreisverband Lichtenberg mitgeteilt, dass sie in den politischen Ruhestand gehen werde.

Der Abschied war freundlich, und auf der Landesdelegiertenversammlung der Sozialdemokraten am 1. Juni 2018 gab die scheidende Europaabgeordnete Kaufmann den Delegierten mit auf den Weg: „Mit wortgewaltigen Sprechblasen ändert man in Europa nichts.“ Gefordert seien nun mal „präsentes Engagement“, viel Ausdauer, große Sachkenntnis und Kompromissfähigkeit.

Die Expertin für japanische Außenpolitik und die Geschichte der internationalen Beziehungen in Ostasien weiß, wovon sie spricht. Schon 1990, im Zuge der Wende, saß Kaufmann nicht nur in der Volkskammer der Noch-DDR, sondern gleich im Europarat. Damals noch für die PDS, die sich später in Die Linke umbenannte.

Der Linkspartei kehrte sie enttäuscht den Rücken

Ein Jahr später zog sie ins Europäische Parlament ein, in den ersten drei Jahren mit Beobachterstatus. 1994 nahm das vereinte Deutschland zum ersten Mal an einer EU-Wahl teil, Kaufmann eroberte ein Mandat und blieb vorerst bis 2009 in Straßburg und Brüssel – zeitweilig als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.

Seit 1976, da war sie 21 Jahre alt, gehörte Kaufmann der SED an und machte in der DDR wissenschaftliche Karriere: Japanologie-Studium an der Humboldt-Uni mit Aufenthalten in Tokio und Osaka, dann Promotion und Forschungsarbeit im Institut für Internationale Politik und Wirtschaft.

Doch als die Linkspartei den Lissabonner Vertrag ablehnte, der 2007 von den 27 Mitgliedstaaten der EU unterschrieben wurde, vollzog sie den politischen Bruch. Den überraschenden Wechsel zur SPD begründete sie damit, „dass mir die eigenen Leute gekündigt haben“. Als überzeugte Linke habe sie immer für Europa gekämpft, aber es sei ihr nicht gelungen, der Linkspartei ein „pro-europäisches Profil“ zu geben.

Effektiv, pragmatisch und gut vernetzt

Vorerst musste Kaufmann den Platz im Europaparlament räumen, nutzte die Zeit für ehrenamtliche Arbeit in der überparteilichen Europa-Union und in der Europäischen Bürgerinitiative. Und es gelang ihr, was viele nicht für möglich hielten – als Spitzenkandidatin der Berliner SPD 2014 erfolgreich ins Rennen zu gehen.

Dort konnte Kaufmann an ihrem Lieblingsprojekt weiterarbeiten: an der Reform der EU-Verfassung. Schon seit 2003 hatte sie sich im Grundrechte- und im Verfassungskonvent engagiert, zeitweilig als einzige deutsche Abgeordnete.

Der öffentliche Auftritt war nie ihr Ding. Effektiv, pragmatisch und gut vernetzt hat Kaufmann die tägliche Arbeit in der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten erledigt – in ihrer letzten Wahlperiode mit den Schwerpunkten Justiz, Inneres und Grundsatzfragen der EU-Politik und -institutionen.

Sie gilt als durchsetzungsfähig und verlässlich, man kann sich mit ihr auf Englisch, Französisch, Russisch oder Japanisch unterhalten. Und natürlich auf Deutsch. Und es wäre ein Wunder, würde sich Kaufmann nicht auch ohne Mandat weiter für Europa engagieren.

Die Tagesspiegel-Sonderseiten zur Europawahl finden Sie hier.

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