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Die Baubranche in Berlin leidet unter dem anhaltenden Fachkräftemangel.

© dpa-tmn

Berliner Baubranche: Wie Handwerk zum Luxus wurde

Wer in Berlin einen Handwerker braucht, braucht zwei Dinge: Geduld und Geld. Das weiß jeder Unternehmer, und das musste auch unser Autor herausfinden.

Ich war gewarnt. Vor zwei Jahren hatte unsere Hebeanlage, die im Keller das überschüssige Wasser aus Dusche und Heizungsanlage abpumpt, schon einmal den Dienst versagt. Bevor nun wieder der Keller unter Wasser steht, schnell Handwerker rufen! Aber aus schnell wurde nichts. Anruf bei der Firma des Vertrauens: „Ein Termin, gerne, nächste Woche Freitag?“, sagt die Frau am anderen Ende der Leitung. Auf meinen Protest hin, hier drohten Folgeschäden: „Ich kann Ihnen auch den Notdienst anbieten“ – zu doppeltem Stundenlohn mit Zusatzpauschale für die Anfahrt. Handwerk hat goldenen Boden – in Berlin im Jahr 2018 allemal. Wer überhaupt eine Firma findet, zahlt extra. Ob private Hauseigentümer oder Großkunden mit ganzen Wohnungsbeständen und Millionenaufträgen, egal, die prallen Auftragsbücher der Baubranche machen alle gleich: zu Bittstellern. Und die Lage spitzt sich weiter zu: Zur Mitte dieses Jahres meldete das Amt für Statistik einen Anstieg der Umsätze in der Branche um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Und die goldenen Zeiten enden nicht: Mehr als 1,5 Milliarden Euro warten in den Auftragsbüchern der Baubranche darauf, in Beton gegossen zu werden. Und trotzdem stellen die Firmen nicht mehr Leute ein. Im Gegenteil, die Zahl der Beschäftigten sank sogar geringfügig. Und in der Marktwirtschaft gilt: Was knapp ist, ist teuer. Um fast sechs Prozent stiegen die Durchschnittspreise von Bauleistungen beim Neubau von Wohnungen innerhalb eines Jahres. Einen noch schwindelerregenderen Preisauftrieb erlebt, wer sein Haus in Schuss halten will: Plus zehn Prozent im Jahr stehen im März unterm Strich bei Sanierungsaufträgen. Das ist der stärkste Anstieg seit mehr als zehn Jahren, meldet das Statistische Bundesamt.

Hürden über Hürden

„Wir müssen fast schon betteln, um Firmen für unsere Bauaufträge zu bekommen“, sagt Jörg Franzen, der Sprecher der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Der Senat treibt die sechs Firmen an, schneller und mehr zu bauen, um die Wohnungsnot in Berlin zu bekämpfen. Bis zu 70 000 Wohnungen wollen die Firmen bis zum Jahr 2026 errichten. Das kann nur klappen, wenn die Ämter zügig Genehmigungen erteilen und wenn es genügend Baufirmen und Handwerker gibt, die die vielen Aufträge überhaupt annehmen.

Aber darauf ist zurzeit kein Verlass. Von Glück können landeseigene Unternehmen reden, wenn sich auf deren Ausschreibungen überhaupt eine Firma bewirbt. Oft ziehen diese nämlich private Bauträger vor, weil diese meistens weniger Sicherheiten und Selbstverpflichtungen verlangen, zum Beispiel keinen Einsatz von Bauleuten unter dem Mindestlohn. Auch der Chef der Industrie- und Handelskammer Jan Eder sieht darin ein Hindernis und fordert vom Land, „Hürden in der Vergabepraxis abzubauen und die öffentliche Hand als attraktiven Arbeitgeber aufzubauen“. Eder räumt aber auch ein, dass der „Bedarf an Fachkräften“ auf seinen „Höhepunkt“ zusteuert.

Baupreisindex auf Höhenflug

Der Präsident der Deutschen Bauindustrie Peter Hübner sagt sogar: „Ja, das Fachpersonal in den Bauunternehmen ist knapp.“ Sogar im Winter, wenn gar nicht gebaut werden kann oder nur wenig, melde jede zehnte Firma, dass der Mangel an Arbeitskräften ihr Geschäft behindere. Die Auslastung der Betriebe und deren Personalnot hat Folgen für den ohnehin unter Mietenexplosion und einem Mangel an bezahlbaren Wohnungen leidenden Immobilienmarkt in Berlin. Die Chefin des größten Wohnungsverbandes BBU Maren Kern sagt: „Knappe Baukapazitäten und steigende Baupreise werden zu einem immer größeren Problem für den Wohnungsbau. Das wird dann auch zu einem Problem für das bezahlbare Wohnen.“

Die Zahlen dazu: Der Baupreisindex für Wohngebäude stieg zwischen Mai 2013 und Mai 2018 um 25 Prozent – gut doppelt so schnell wie die Preise insgesamt (plus zwölf Prozent). Mit diesem Tempo können die in Berlin nur mäßig steigenden Löhne nicht mithalten. Hinzu kommt, dass jeder Zweite in der Stadt so wenig verdient, dass er Anspruch auf eine geförderte Sozialwohnung hätte zu einer Miete von 6,50 Euro. Das ist ungefähr die Hälfte von dem, was Bauträger für eine neu errichtete Wohnung verlangen müssten, um die teuren Baufirmen (und die hohen Baulandpreise) finanzieren zu können.

Doch wer ist schuld an den hohen Preisen? „Den Baufirmen wird oft unterstellt, sie hätten eine exorbitante Gewinnspanne“, sagt Manja Schreiner, Chefin der Fachgemeinschaft Bau. Doch das sei falsch. Vielmehr seien die Materialkosten in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Und wegen des Baubooms entstünden zusätzliche Kosten in allen Bereichen: Bauschutt zum Beispiel müssten die Firmen oft bis nach Brandenburg karren, weil die Berliner Deponien voll seien. Längere Wege bedeuten höhere Kosten, auch das trägt zum Anstieg der Baupreise bei.

Investition als Lösung

Aber schlecht geht es den Baufirmen bei dieser Konjunktur ja wohl auch nicht, Frau Schreiner, oder? „Nein, aber nach der Baukrise in den letzten Jahren haben sie Investitionen auch bitter nötig.“ Veraltete Maschinen und Fahrzeuge, auf die Dauer geht das an Substanz und Effizienz. „Da sind Investitionen wichtig, um das Insolvenzrisiko in der Zukunft zu senken“, sagt Schreiner. Denn spätestens wenn die Nachfrage zurückgeht, könnten sich die Firmen wegen ihrer dann zu großen Kapazitäten wieder durch Preisdumping wechselseitig unterbieten.

Und wie hoch war nun die Rechnung für das Fiasko im eigenen Heim? So viel vorausgeschickt, die drohende Überschwemmung im Keller konnten wir gerade noch abwenden. Eine neue Pumpe hatte ich auf Ebay schon gefunden. Und beschwingt vom Leitspruch aller Heimwerker – „Mach dein Ding!“ – wollte ich auch die Montage selbst in die Hand nehmen. Beim Blick auf die funktionslose Anlage erledigte sich der Fall dann aber von selbst: Da lag doch tatsächlich ein gezogener Stecker neben der Waschmaschine – das ist doch nicht etwa...? Doch, der gehört zur Pumpe, und ohne Strom kein Betrieb. Die Frau des Hauses hatte ihn gezogen, als sie das Bügeleisen in Betrieb nahm, in der Annahme, es sei der Stecker des Trockners. Ende gut, alles gut.

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