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"Glühweinstrich" - das geht ab Mittwoch nicht mehr. Aber ging es eigentlich vorher?

© Christoph Schmidt/dpa

Berliner Bars vor dem Lockdown: Muss dieser letzte Glühwein wirklich noch sein?

Mit dem erneuten Lockdown wird Prenzlauer Berg um eine Spaziermeile ärmer. Ein letzter Gang durch die Stargarder Straße, die sich nun wieder schlafen legt.

Mit Schuss oder ohne? Oder lieber gar nicht? Haben wir denn alle den Schuss nicht gehört? Noch ein letzter Glühwein vor dem Lockdown, ein aller-aller-aller-allerletzter nach einem Jahr, das am Ende wie das Letzte erscheint. Muss der wirklich noch sein? Nein, natürlich nicht, eigentlich

Wie eine Perlenkette haben sie sich wie von selbst aufgereiht, die Glühweinstände an den Bürgersteigen – bunt beleuchtet, schnell bevölkert, mit oder ohne Schuss. In Prenzlauer Berg versammelte sich Kiezhausen in der Stargarder Straße, die sich im Verlauf der Pandemie immer neu wandelte: von der aus dem kurzen Winterschlaf erwachenden Wohnstraße zur leergefegten Lockdown-Gasse im Frühling, einer Abstands-Spaziergangs-Allee im Sommer und einem Pop-up-Umbau-Bürgersteig im Herbst bis nun im Winter zum von nicht wenigen so genannten „Glühweinstrich“, der letzten Öffnungsmöglichkeit der eigentlich geschlossenen Cafés und Restaurants. War das ein Schuss zuviel?

Ein Bürgersteig als Weihnachtsmarktersatz. Eine kleine Entlastung belasteter Seelen. Aber es kamen doch allzu schnell allzu viele, die dann doch stehenblieben und sich zuprosteten in nicht großen, aber auch nicht kleinsten Gruppen.

Abend für Abend schallte das erleichterte Lachen vieler durch den Kiez, die sich in Hauseingängen sammelten, die meisten mit Abstand. Aber wer will das schon bei allen kontrollieren? Und kann man es nicht auch einfach sein lassen?

Als nun allen gewahr wurde, dass ein Lockdown mit geöffneten Bürotüren, Schultoren, ja auch Restaurantfenstern zu light war, flehte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag: „So hart das ist, und ich weiß, wie viel Liebe dahintersteckt, wenn Glühweinstände aufgebaut werden – es verträgt sich nicht damit, dass wir Essen und Verzehr nur zum Mitnehmen vereinbart haben.“

[Dieser Text stammt aus unserer Leute-Beilage für die Berliner Ostbezirke, bestückt von den Autor:innen unserer Bezirks-Newsletter. Diese können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Deshalb ist es nun vorbei mit der Trottoir-Trinkerei wie mit allem anderen auch. Das letzte Abendmahl mit Rotwein wird abgedeckt in der Stargarder Straße. Soll man darum glühend weinen? Zumindest wird Prenzlauer Berg um eine Pandemieverwandlung ärmer.

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Mit oder ohne Schuss? Na gut, dann mit! Einmal war ich auch unten, habe mit einem alten Schulfreund eine Runde gedreht durch die stillen Seitenstraßen. Es war schön, mal was anderes zu machen, als sich ohne Lockdown schon im Lockdown einzurichten. Irgendwie kam es mir auch nötig vor für uns zwei Seelen.

Aber dass dieser kurze Weg jetzt wieder zu Ende ist, war wohl auch dringend nötig. Für uns alle da draußen. Sonst hört den Schuss keiner.

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