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Sergey Lagodinsky zog dank Platz 12 auf der grünen Bundesliste ins EU-Parlament ein.

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Berliner Abgeordneter im EU-Parlament: „Nicht ständig im Modus der Abwehr“

Sergey Lagodinsky siedelte 1993 von Russland in die Bundesrepublik über. Am Sonntag wurde er für die Grünen in das EU-Parlament gewählt. Ein Interview.

Von Sabine Beikler

Herr Lagodinsky, sitzen Sie schon im Zug nach Brüssel?

Nach Brüssel geht es erst am Mittwoch. Ich sitze im Zug von Hamburg nach Berlin.

Sie sind auf Platz 12 der Grünen-Europaliste als Berliner ins EU-Parlament gewählt. Warum haben die Grünen so einen Erfolg gehabt?

Das liegt daran, dass die Themen der Grünen im Alltag der Menschen angekommen sind. Und die Grünen sind glaubwürdig. Wir haben die Öffentlichkeit in den Städten repolitisiert und es geschafft, zu vermitteln, dass es bei der Wahl um etwas geht. Wir müssen demokratisch und grün als Gesellschaft agieren.

Sie siedelten 1993 von Russland in die Bundesrepublik um, lernten Deutsch, studierten Jura in Kassel und Harvard, arbeiteten für das American Jewish Committee und jetzt bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Ich bin dort seit dem Wahlkampf beurlaubt. In der Jüdischen Gemeinde in Berlin bin ich noch in der Repräsentantenversammlung tätig, aber ohne Ämter. Und im Dezember wird es Neuwahlen geben. Ich werde mich für das Gremium nicht mehr aufstellen lassen.

Wie gehen Sie als neuer EU-Parlamentarier mit antisemitischen Äußerungen auch aus rechten Parteien und von Rechtspopulisten um?

Man muss eine gesunde Balance finden. Ich habe eine klare Haltung, und die heißt Zurückweisung. Das Schlimmste, was wir machen könnten, wäre, denjenigen noch mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Ich will mich nicht ständig an Rechtspopulisten mit antisemitischen Äußerungen abarbeiten. Wir müssen mit unseren Ideen auch Menschen gewinnen und Überhand bekommen gegenüber den Populisten. Wir müssen ihnen klar das Schild hinhalten und sagen: So geht es nicht. Das ist nicht das Europa, das wir haben wollen. Wir dürfen nicht ständig im Modus der Abwehr verharren.

Können Sie nachvollziehen, dass der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Juden vor dem Tragen der Kippa gewarnt hat? Er sagte danach, mit dem Zitat wolle er aufrütteln.

Ich habe das auch immer schon gesagt, dass man mit dem Tragen der Kippa vorsichtig sein sollte. Alles andere wäre unverantwortlich. Es gibt Berichte von Übergriffen aus Neukölln oder Marzahn-Hellersdorf oder aus Gegenden Richtung Brandenburg. Es gehört dazu, Menschen davor zu warnen. Wir müssen den Antisemitismus ernst nehmen. Er ist leider nicht nur in Bezirken, sondern auch im Mainstream bei uns verortet.

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