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Thematischer Gemischtwarenladen statt Vollausschuss zum bürgerschaftlichen Engagement - Rot-Grün-Rot ist das Ehrenamt doch nicht so wichtig.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Berliner Abgeordnetenhaus: Ehrenamt ist nicht so wichtig

Der bisherige Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation beschäftigt sich nun zusätzlich mit Bundesangelegenheiten und Medien.

Der bisherige Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation im Berliner Abgeordnetenhaus ist komplett neu zugeschnitten worden. Künftig sollen die Parlamentarier sich neben dem Thema Engagement auch um medienpolitische Fragen sowie die Beziehungen zum Bund und zu Brandenburg kümmern. Das hört sich an wie eine wilde Mischung, aber nicht wie eine würdigende Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Damit wird es nur in jeder dritten Sitzung des Ausschusses um die Belange des Ehrenamts gehen. Nach einem Jahr, in dem Berlin den Ehrentitel der europäischen Freiwilligenhauptstadt trug, und die Landesregierung sich dessen ständig rühmte, ist der Abstieg zum politischen Gemischtwarenladen ziemlich verwunderlich.
Zumal sich R2G im Koalitionsvertrag hohe Ziele gesetzt hat. „Berlin ist Stadt des Ehrenamts.“, heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrags: „Wir setzen uns zum Ziel, die ehrenamtlich Engagierten zu unterstützen, auf Augenhöhe zu agieren und ansprechbar zu sein.“ Dem folgen im Koalitionsvertrag konkrete und weitreichende Ankündigungen, etwa zur Umsetzung der 2021 beschlossenen Engagementstrategie. In der Zivilgesellschaft wird der neu geschnittene Ausschuss mit Skepsis aufgenommen.
Bereits die Wahl brachte für den Ausschuss einen totalen Umbruch. Bei Rot-Grün-Rot wurden nur zwei ihrer vormals zehn Mitglieder des bisherigen Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt: Die bisherige Ausschuss-Vorsitzende Susanna Kahlefeld (Grüne) und die Linken-Abgeordnete Hendrikje Klein. Letztere wird aber nun dem parlamentarischen Hauptausschuss angehören. Damit ging viel Fachkompetenz in Sachen Engagement verloren. Zu einer Aufwertung konnte sich die neu-alte Senatskoalition nicht durchringen. Dabei gab es einen Vorschlag von Hendrikje Klein: Mit einem eigenen Haushaltstitel, um wichtige Infrastrukturinvestitionen im Bereich des Ehrenamts  oder zur Umsetzung der Berliner Engagementstrategie zu finanzieren, würde der Ausschuss auch mehr öffentliches Interesse erhalten.
Den Vorsitz im 18-köpfigen Ausschuss wird nun die SPD-Abgeordnete Derya Caglar übernehmen. Zumindest Susanna Kahlefeld wird für die Grünen wieder dem Ausschuss angehören – als einzige Abgeordnete aus der vergangenen Wahlperiode. Erfreulich ist immerhin, dass die ehemalige Sozial-Senatorin Elke Breitenbach (Linke) von ihrer Fraktion nominiert wurde. Susanna Kahlefeld verteidigt dennoch den neuen Zuschnitt des Ausschusses. „Das ist keine schlechte Konstellation“ und auch „keine Schwächung“, sagt sie. Das breitere Themenspektrum könnte dem Ausschuss zudem in der Öffentlichkeit ein „breiteres Interesse“ sichern, glaubt Susanna Kahlefeld. Nicht entschieden ist, ob der Ausschuss nicht nur einmal im Monat, sondern nun alle zwei Wochen tagen wird.

In der Realität bedeutet das freilich, dass sich nur jede dritte Sitzung um die Belange des Ehrenamts kümmern wird. Außerdem entfallen damit die zusätzlichen Vor-Ort-Termine der Abgeordneten in gemeinnützigen Einrichtungen und bei Initiativen, die es vor Corona regelmäßig gab, und die für die Engagierten eine wichtige Gelegenheit zu Gesprächen waren. Zur Erinnerung: Beim Start der ersten rot-rot-grünen Koalition 2016 kämpften die Grünen für einen Vollausschuss nur für das bürgerschaftliche Engagement – scheiterten damals allerdings.

Angehören werden dem Ausschuss außerdem für die SPD: Melanie Kühnemann-Grunow, Mirjam Golm, Mathias Schulz, Dunja Wolff, für die Grünen: Gollaleh Ahmadi, Jian Omar, Andreas Otto; für die CDU: Danny Freymark, Stefan Evers, Christian Goiny, Björn Wohlert; für die Linke: Alexander King, Katrin Seidel, für die FDP: Stefan Förster; für die AfD: Ronald Gläser. 

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