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Das Stück #BerlinBerlin wurde vor zwei Jahren uraufgeführt, ab Sonnabend, 28. November, wird es wieder in Berlin gespielt.

© Jörg Metzner/Landestheater Neustrelitz

#BerlinBerlin-Regisseur Steinberg: „Es ist wichtig die Gemeinsamkeiten stärker zu suchen“

In seinem Theaterstück #BerlinBerlin erzählt Jörg Steinberg vom Aufwachsen in Ost- und Westdeutschland. Ein Gespräch über die Suche nach dem Gemeinsamen.

#BerlinBerlin erzählt von „Mauern und Menschen“. Vier Autoren und Autorinnen stecken hinter dem Theaterstück, das 2018 mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet wurde. Sie sind in der DDR oder BRD aufgewachsen, kamen vor oder nach dem Mauerfall zur Welt. Einer von ihnen ist Jörg Steinberg. Der Regisseur wurde 1963 in Ost-Berlin geboren und hat seine Lebenserfahrungen in das Stück gewebt. Momentan inszeniert er „Die Mausefalle“ von Agatha Christie in Altenburg. Für ein Telefonat hat er kurz vor den Proben Zeit.

„Weiß ich denn ohne Mauer nicht, wo ich hingehöre?“ Das sagt eine Figur in ihrem Stück #BerlinBerlin. Sie sind in Ost-Berlin aufgewachsen. Wissen Sie heute, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, wo Sie hingehören?
Ja, ich glaube schon. Ich gehöre auf diese Welt, ich bin einer von vielen. Für mich ist diese große Kugel durch Reisen viel fassbarer geworden. Aber ich komme aus Köpenick! Und ich bin eng verbunden mit dem 1. FC Union Berlin, mit den Menschen, die dort leben und arbeiten. Schon seit einiger Zeit bin ich länger BRD-Bürger als DDR-Bürger, eigentlich ein richtiger Bundesbürger. Ich war bei der Wende 26 und diese vergangenen 30 Jahre machen schon was mit einem. Also: Ich bin ein Erdenbewohner, aber mit den Füßen stehe ich in Köpenick. 

Historische Jubiläen bieten oft Anlass dazu, Geschichten über diese Ereignisse neu zu erzählen oder alte Erzählungen zu verfestigen. Sie haben verschiedene biographische Zugänge zur deutschen Teilung in Ihr Stück eingewebt. Wie haben Sie die Jubiläumsfeiern wahrgenommen?
Ich kann sehr dankbar und demütig sein, dass ich die Wiedervereinigung auf diese friedliche Art erleben durfte. Aber andere Themen auf dieser Welt beschäftigen mich vielmehr als dieses Jubiläum. Bei alldem was wir auf dieser Welt erleben, ist das für mich nicht unbedingt ein Tag zum Feiern. 

An welche Themen denken Sie?
Zum Beispiel an den Klimawandel und die Debatten, die es darum gibt. Was mir fehlt ist eine übergeordnete Idee, die uns alle eint. Wir haben uns auf das Individuelle zurückgezogen und uns darüber entzweit. Das Schlimme ist, dass man dann den Vorwurf bekommt, man wolle den Osten zurück. Aber das stimmt nicht. 

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Also sollte das Gemeinsame, die Einheit stärker betont werden?
Bei den Proben zu #BerlinBerlin habe ich festgestellt, dass wir viel mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes haben. Ob du als Jugendlicher auf dieser oder jener Seite der Elbe gewohnt hast, du musstest dich mit deinen Eltern auseinandersetzten, dich mit dem Staat beschäftigen. Du hast das eigene und das andere Geschlecht kennengelernt. Wir hatten alle die gleichen Probleme als junge Menschen, nur dass der Staat mit seiner Doktrin unterschiedlich in die Familien eingegriffen hat. Im Osten stellte sich die Frage: Bist du linientreu oder nicht? Im Westen: Machst du Karriere oder nicht? Es ist wichtig die Gemeinsamkeiten stärker zu suchen, auch über Deutschland hinaus. Wie verhalten wir uns in der Coronakrise? Wie gehen wir mit den Flüchtlingen in Moria um? 

Der Berliner Regisseur und Schauspieler Jörg Steinberg.
Der Berliner Regisseur und Schauspieler Jörg Steinberg.

© Alexander Hörbe

#BerlinBerlin feierte im März 2018 Premiere. Seitdem jährte sich der Fall der Mauer zum dreißigsten Mal und wir leben in einer globalen Pandemie. Wie hat sich das Stück verändert?
Es ist schön zu beobachten, wie es gewachsen ist. Wir hatten 100 Vorstellungen in den zwei Jahren. Ich hätte nicht gedacht, dass es so kommt und bin sehr froh darüber. Es ist lebendige Geschichte. Es ist kein Buch, es ist Theater. So ein Stück wird immer tiefer, reifer und greifbarer. Die Schauspieler entdecken neue Sachen und beschäftigen sich emotional ganz anders mit dem Stück. Im Sommer haben wir coronabedingt #BerlinBerlin draußen gespielt und das war sehr berührend. Die älteren Leute sitzen da und werden konfrontiert mit Ereignissen aus ihrer Vergangenheit. Für die Jungen ist das eine sehr lebendige Zeitreise, an der sie aber nie real beteiligt waren.

Wie gehen Jugendliche mit dem Stück um, deren Eltern weder in der BRD noch in der DDR aufgewachsen sind? 
Es gibt ja sehr viele Mauern auf dieser Welt. Trump will eine bauen. Zwischen Israel und Palästina steht eine. Die Geschichte, die wir erzählen, ist auch ein Stück Zeitgeschichte des kalten Kriegs und erzählt davon, wie Weltsysteme gegeneinander antraten. Es zeigt, wie man in Diktaturen oder in freieren Staaten lebt. Berlin ist für diese Fragen ein Brennglas. Ich glaube, mit diesen Themen kann man auf der ganzen Welt etwas anfangen.

Felicia Klinger

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