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Da ist Musik drin. Das Geschäft in der Fechnerstraße öffnete Zube 2005 mit einem Partner, der auch Kuchen anbot.

© Cay Dobberke

Berlin-Wilmersdorf: Vertrag gekündigt: Schallplattengeschäft muss schließen

Klassikfans kennen den einzigartigen Laden in Wilmersdorf gut. Nun muss Wolf Zube sein „Horenstein“ dichtmachen – doch er ist "fest entschlossen", anderswo weiterzumachen.

Wenn Berlin-Besucher aus China, Japan, Korea und vielen anderen Ländern den Weg in die kleine Fechnerstraße in Wilmersdorf suchen und finden, muss es dafür einen besonderen Grund geben. Und tatsächlich ist „Horenstein Klassikschallplatten & Kaffee“ in Berlin und wohl auch deutschlandweit einzigartig: Seit 2005 handelt Wolf Zube zwischen Nierentischen und anderen Möbeln aus den 1950er bis 1960er Jahren mit Schallplatten und veranstaltet Konzerte. Außerdem kann man „beim Kaffee mit ihm fachsimpeln und Platten hören“, wie die Stammkunden Liliane Ortwein und Stefan Weber in einem Schreiben an den Tagesspiegel schwärmen.

Zum Ende dieses Jahres muss der Laden schließen. Eine Immobilienfirma hat das Haus gekauft und Zubes Vertrag gekündigt. Doch der 68-Jährige betont, er sei „fest entschlossen“, einen neuen, wenn auch kleineren Laden zu eröffnen. Einen möglichen Ersatzstandort hat er bereits in der Nähe ausgemacht. Ob er dort einziehen kann, steht noch nicht fest.

Die „lebendige Vermittlung der Musikgeschichte über Vinyl“ ist das erklärte Ziel des früheren Musikjournalisten und Kritikers, der für Tageszeitungen und Fachzeitschriften tätig war. Er stammt aus dem baden-württembergischen Nürtingen nahe Stuttgart und kam 1976 nach Berlin. Tausende Schallplatten füllen das Geschäft, darunter auch ganz alte Schellack-Scheiben. Zube ist auf klassische Musik spezialisiert und hat das Geschäft nach dem ukrainisch-jüdischen Dirigenten Jascha Horenstein (1898 bis 1973) benannt. Aber er führt auch Jazz und sagt: „Den zähle ich mit zur Klassik.“

„Wir haben die anspruchsvolle Technik, aber uns fehlt die Kultur“

Den Laden eröffnete er 2005 gemeinsam mit einem Freund, der darin ein Café betrieb. Dieses lief aber nicht so gut wie erhofft. Der Geschäftspartner stieg aus. Kuchen gibt es seitdem nicht mehr, aber noch kalte und warme Getränke. Mit dem Umsatz ist Zube zufrieden. Die Schallplatte erlebe ja ein großes Revival – zumindest in einer „Nische“. Besonders freut er sich darüber, dass immer öfter junge Kunden kommen. Musik-CDs sieht man bei ihm nicht. Manchmal macht Zube eine Ausnahme und bietet doch einzelne CDs an, jedoch „nur unterm Tisch und am Rande“.

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Livemusik und von ihm moderierte Gespräche mit Musikern oder Branchenvertretern gehörten schon immer zum Konzept. Außerdem kooperiert er mit dem HiFi-Fachgeschäft PhonoPhono in Kreuzberg, stellt dort Musiklabels vor oder erzählt von der Geschichte der Schallplatten in Deutschland. Zum Beginn der Zusammenarbeit, erinnert sich Zube, hätten ihm Betreiber des Geschäfts sinngemäß gesagt: „Wir haben die anspruchsvolle Technik, aber uns fehlt die Kultur.“

Auch Film- und Fernsehleute schätzen das spezielle Sortiment. Beispielsweise meldeten sich die Produzenten des Kinofilms „Der Vorleser“, als sie das Cover einer vor 1968 erschienenen Schallplatte mit Werken von Johann Sebastian Bach benötigten.

Ein großes Finale zum Kehraus

Vor einigen Jahren gründeten Mitglieder des Berliner Konzerthausorchesters das „Horenstein Ensemble“ und trafen sich dafür ebenfalls in dem nach Horenstein benannten Geschäft. Zube sieht sich als „der Gründungspate“.

Sein ältester Sohn pflegt die Webseite des Ladens. Einen Onlineshop gibt es dagegen nicht. „Ich brauche den direkten Kontakt zu Menschen“, betont Zube. Touristen bietet er immerhin an, gekaufte Platten in ihr Heimatland zu versenden.

Ab September plant der Händler „ein großes Finale zum Kehraus“ mit Kammermusikkonzerten. Zum Auftakt will der russische Pianist Alexander Markowitsch Melnikow auf einem historischen Flügel des Instrumentenbauers Sébastien Érard spielen. Zumindest dieses Konzert ist wegen des begrenzten Platzes allerdings nur für geladene Gäste gedacht. Den rund 100 Quadratmeter großen Laden hätte Zube vom heutigen Vermieter erwerben können, er besaß ein Vorkaufsrecht. Der Preis im Bereich zwischen 400.000 und 500.000 Euro war ihm aber zu hoch.

Der Plattenverkauf läuft allmählich aus. Erst in den letzten Tagen im Dezember alles auszuräumen, hält Zube für unmöglich: „Dafür brauche ich drei Monate.“

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