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Bei einem Kopfsprung droht Lebensgefahr nicht nur durch geringe Wassertiefe, sondern auch durch geringe Wassertemperatur.

© Ralf Hirschberger/dpa

Berlin und Brandenburg: In den Badeseen droht der Kälteschock

Bei sommerlichen Temperaturen zieht es viele an die Badeseen. Doch die sind selbst in geringer Tiefe häufig noch eiskalt – eine Gefahr für den Kreislauf.

Von Sandra Dassler

Für das Ehepaar aus dem Harz sollte es vor wenigen Tagen eine schöne Ausflugstour im Kajütboot über die Havel werden. Doch dann trieb das Beiboot ab, und der 52-jährige Ehemann schwamm hinterher. Seiner Frau zufolge geriet er dabei unter Wasser und tauchte nicht wieder auf. Bislang blieb die Suche von Feuerwehr, Polizei und Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ohne Erfolg. Man müsse wohl mit dem Schlimmsten rechnen, sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel.

Traurig aber leider kein Einzelfall, wie Lebensretter wissen. „Immer wieder kommen gerade im Frühjahr Menschen ums Leben, weil sie sich und die Wassertemperaturen überschätzen“, sagt Michael Neiße vom DLRG-Landesverband Berlin: „Draußen scheint die Sonne, man sitzt vielleicht sogar im Windschatten, da kann einem schon warm werden. Doch das Wasser ist nach den langen Wintermonaten oftmals noch viel kälter als erwartet und das ist schon manchem zum Verhängnis geworden.“

10 bis 14 Grad betragen nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes die Temperaturen der Badegewässer in Berlin und Brandenburg. Das sei aber oftmals nur die Oberflächentemperatur, sagt Jens Serbser von der DLRG Brandenburg. Schon wenig tiefer messe man derzeit nicht selten nur um die fünf Grad. Deshalb sei bei einem Sprung oder dem Hineinrennen in Flüsse und Seen der Kreislauf akut gefährdet, es könne sogar zum Herzstillstand kommen. „Das ist, als wenn man im Hochsommer eine Stunde bei 33 Grad am Strand oder auf der Luftmatratze in der Sonne gelegen hat und dann unvermittelt ins Wasser springt oder fällt“, sagt Jens Serbser: „Der Körper versucht verzweifelt, den riesigen Temperaturunterschied – auf den Menschen einfach nicht eingestellt sind – auszugleichen. Wenn man darauf trainiert ist, wie Eisbader, kann es gut gehen. Aber manchmal schafft es der Organismus nicht.“

Jens Serbser arbeitet seit 27 Jahren bei der DLRG, ehrenamtlich wie die meisten seiner Kameraden. Er schwört auf die alten Regeln, die man auch im Sommer befolgen sollte: „Den Körper immer erst runterkühlen, bevor man ins Wasser springt, und bedenken, dass man dort auch beim Schwimmen sehr viel schneller unterkühlt als sonst, was zum raschen Nachlassen der Kräfte führt.“

Auf dem Wasser Schwimmweste tragen

Das zu ignorieren, habe schon viele Opfer gefordert, sagt Jens Serbser. Und es sind keineswegs nur die Jüngeren, die leichtsinnig mit ihrer Gesundheit umgehen. Auch 60-Jährige stellten sich im Frühjahr oder gar im Winter auf ein aufblasbares Stand-up-Paddle-Board, in der Annahme, sie würden ganz sicher nicht ins eiskalte Wasser fallen. Und das nicht etwa im Neopren-Anzug, sondern in Jeans und Winterjacke, die sie bei einem Sturz im wahrsten Sinne des Wortes noch zusätzlich runterziehen. Deshalb rät Serbser allen, die aufs Wasser wollen, eine Schwimmweste zu tragen: „Das kann Leben retten, auch wenn es uncool aussieht. Denn außerhalb der Saison ist natürlich auch kein Rettungsschwimmer in der Nähe.“

Ohnehin ertrinken deutschlandweit die meisten Menschen an unbewachten Stellen. 2017 starben von insgesamt 404 Badenden 329, also mehr als drei Viertel in Flüssen, Seen, Bächen und Kanälen, wo es keine Rettungsschwimmer gab. „Wir beobachten immer wieder, dass Kommunen an beliebten Badestellen lediglich ein Verbotsschild aufstellen anstatt zu überlegen, ob und wie man eine Rettungsstelle einrichten könnte“, sagt DLRG-Bundessprecher Achim Wiese: „Damit sind sie ihre Verantwortung los, sparen Kosten – gefährden aber Leben und Gesundheit.“

Alles langsam angehen lassen

Jens Serbser ärgert es besonders, wenn Menschen nur deshalb an unbewachten und gefährlichen Stellen baden, um ein paar Euro Eintrittsgeld zu sparen. Er bereitet sich gerade mit seinen Kollegen auf die kommende Saison vor, die in Brandenburg und Berlin offiziell am 15.Mai beginnt – auch wenn einige Freibäder schon geöffnet haben. „Man soll es auf jeden Fall langsam angehen“, rät er allen Badefreunden. Es reiche ja am Anfang aus, mit den Füßen ins Wasser zu gehen. Oder wenigstens nur bis zur Hüfte. Und erstmal zu beobachten, was passiert. „Lassen Sie Ihrem Körper Zeit“, sagt er. „Der Sommer wird hoffentlich lang und schöner als im Vorjahr.“

Verhaltensregeln fürs Baden: www.dlrg.de

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