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Zeichen auf dem Kopf. Grund für die Aktion ist ein antisemitischer Angriff in Prenzlauer Berg.

© Hendrik Schmidt/dpa

"Berlin trägt Kippa": Berliner Juden haben geteilte Meinung zu Solidaritätsaktion

Die Jüdische Gemeinde ruft die Berliner auf, Kippot zu tragen. Wie das bei Berliner Juden ankommt? Besuch in einem Laden für koschere Lebensmittel.

Ganz Berlin trägt Kippa - zumindest nächsten Mittwoch. Der Aufruf der Jüdischen Gemeinde wird auch unter Berliner Juden diskutiert. Der Angestellte eines jüdischen Lebensmittelladens in Mitte, der anonym bleiben möchte, glaubt nicht daran, dass die Solidaritätsaktion nach dem Angriff auf einen Israeli am Dienstagabend in Prenzlauer Berg viel bringt. "Damit ändert man nicht, was Menschen im Kopf haben." Möglicherweise könne die Aktion als eine Art Flashmob für kurze Zeit etwas Positives bewirken, aber an eine langfristige Wirkung glaubt er nicht.

In dem Laden verkauft der Mann neben koscheren Lebensmitteln auch Kippot. Er habe bereits gehört, dass die Jüdische Gemeinde mehr Kippot anschaffen wolle und vermutet einen Zusammenhang mit der bevorstehenden Aktion - die Gemeinde will genügend Kippot bereitstellen. Regelmäßig hört der Verkäufer, der seit neun Jahren in Berlin lebt, von Übergriffen in der Hauptstadt oder dass andere Menschen jüdischen Glaubens auf der Straße als "Yahudi" bezeichnet wurden. "Ich trage immer Kippa, trage darüber aber meistens eine Mütze."

Kippa? "Nur, wenn ich in die Synagoge gehe."

Stammkunde in dem Laden, der auch koschere Lebensmittel anbietet, ist Ofer Tzabari. Der 46-Jährige kommt aus Israel und lebt in Köln, ist aber oft in Berlin. Zu der Solidaritätsaktion sagt er: "Lustig. Ich kam gestern selbst auf diese Idee." Er findet die Idee toll und will auf jeden Fall mitmachen.

Stammkunde Ofer Tzabari, 46, aus Israel. Er wohnt in Köln, kommt aber oft nach Berlin.
Stammkunde Ofer Tzabari, 46, aus Israel. Er wohnt in Köln, kommt aber oft nach Berlin.

© Stefanie Borowsky

In Frankfurt am Main sei er vor etwa zwanzig Jahren selbst einmal von mehreren Männern auf der Straße angegriffen worden. Als diese gehört hätten, dass er Hebräisch spricht, hätten sie ihm mit den Worten gedroht: "Wir sehen uns im Krieg!" Auf der Straße trägt Tzabari keine Kippa. "Nur, wenn ich in die Synagoge gehe."

In der Schweiz, den USA oder Belgien sei es seiner Meinung nach kein Problem, öffentlich Kippa zu tragen, in Deutschland und Frankreich dagegen schon. "Man macht sich schon Sorgen. Mein Vater trägt auch Kippa und wenn er zu Besuch nach Deutschland kommt, trägt er eine Kappe, weil er Angst hat, dass ihm etwas passiert."

Proteste dienten nur der Selbstberuhigung

Grigory Lazarev, ein weiterer Kunde an diesem Tag, ist von der "Berlin trägt Kippa" nicht überzeugt. "Das, was man symbolisch zeigt, hat nicht unbedingt eine Verbindung mit dem, was passiert." Aktionen und Proteste dienten nur der Selbstberuhigung. Lazarev wünscht sich, dass die Regierung mehr gegen Antisemitismus unternimmt, denn das sei nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern auch eines der Regierung.

Der 38-Jährigen selbst ist in Berlin noch nicht antisemitisch beleidigt oder angegriffen worden. "Sonst würde ich nicht hier einkaufen und auch den Wohnort wechseln." Die Situation hier sei außerdem noch immer besser als in Paris. Trotzdem würden auch in Berlin die Zeiten schlechter. "Man muss das beobachten." In Prenzlauer Berg fühlte er sich sicher – bis zu dem jüngsten Übergriff. Lazarev wohnt nur eine Straße vom Tatort entfernt. Öffentlich trägt er statt einer Kippa meistens Basecap.

Lara Wolf ist keine Jüdin, kauft aber gern im koscheren Lebensmittelladen ein, sie wohnt in der Nachbarschaft. Von der Aktion der Jüdischen Gemeinde hat die 27-Jährige schon gehört und würde aus Solidarität gern mitmachen. "Und um zu zeigen, dass man das nicht so hinnimmt. Ich finde, es ist eine tolle Idee." Das Argument, so etwas bringe ja nichts, zählt für Wolf nicht. "Ich weiß nicht, ob es tatsächlich so viel ändert, aber es ist ein schönes Zeichen."

Stefanie Borowsky

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