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Wer Gäste zu Hause hat, fragt sich dieser Tage vielleicht, wie er diese bei trübem Nieselwetter hinausbefördern soll.

© Petrov Ahner

Berlin-Tipps für die Zwischenzeit: Runter vom Sofa!

Wohin mit dem Berlinbesuch, wenn die Festessenparalyse Gäste und Sitzmöbel zum unzertrennlichen Gespann werden lässt? Wir haben da ein paar Ideen.

Seien wir doch mal ehrlich: So schön es auch ist, und so sehr man sich darauf freut – wer Besuch empfängt, macht sich auch eine Menge Arbeit. Und weil man sich von eben dieser im eigenen Urlaub erholen sollte, braucht man auch mal Urlaub vom Urlaub. Wer also schon die Langeweile seiner Gäste kommen sieht, die, noch vom Weihnachtsessen immobil, so aussehen, als würden sie keineswegs aus eigener Kraft je wieder das ihnen zum Fläzen überlassene Sofa verlassen können, hole tief Luft und lese hier weiter.

Denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag: Berlin bietet in der Zeit zwischen den Jahren einiges an Programm, mit dem sich der Aufenthalt durchaus abwechslungsreich gestalten lässt – auch zur Entlastung der Gastgeber. Doch um Nutzen daraus zu ziehen, zunächst einige Dehnübungen. Und zwar vor dem Sprung ins kalte Wasser: Jeden Samstag von 10 bis 11 Uhr veranstalten die Icedippers nämlich ein kollektives Badengehen im Plötzensee samt professioneller Anleitung und heißem Tee. Das bringt nicht nur den Kreislauf wieder in Schwung sondern dient auch einem guten Zweck: Teilnehmer werden gebeten, neben Badezeug und Teetasse eine Spende für den Berliner Kältebus mitzubringen, der Obdachlose aufnimmt, die dem Wetter ausgeliefert sind. Frieren gegen Kälte.

Derart angeregt könnte die Kuratorinnenführung durch die Ausstellung „The Influencing Machine“ in der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst nGbK in der Oranienstraße von der erhöhten Aufnahmefähigkeit profitieren.

Samstagabend dann spielt die vielfach ausgezeichnete Pianistin Aki Takase im Trio mit Christian Weber und Michael Griener einen sicherlich außergewöhnlichen Jazz im Sowieso in Neukölln. Wer seinen Jazz hingegen etwas eingängiger und vielleicht braver (man wird sehen) aber ebenso hervorragend dargeboten mag, gehe ins Zig Zag in der Hauptstraße, wo das Orgel-Trio Krajenkski, Kraef & Gall sich und das Publikum mit einer ganzen Menge Funk durch den Abend grooven werden.

So ziemlich das genaue Gegenteil von improvisierter Musik, die von Menschen gemacht wird, die wiederum Fehler machen und die kompositorische Idee auch schon mal verhunzen können, bieten Musikautomaten – wahre Komponistenträume, wenn man das so denkt, kann doch endlich mal auf den Interpreten verzichtet werden. Am Sonntag um 15 Uhr findet im Stadtmuseum, Am Köllnischen Park 5, eine Vorführung alter, mechanischer Musikautomaten wie Pianola, Orchestrion und Grammophon statt. Man halte mal Smartphone/MP3-Player daneben und denke an Fortschritt, schon ist das Zwischentagsprogramm um eine Bildungskomponente bereichert.

Gefahr fürs eigene Weltbild

Wem das, zumal bei dem Wetter, zu unterkühlt erscheint, besuche doch das Sputnik Kino am Südstern um 11 Uhr, das Ai Weiweis „Human Flow“ zeigt. In seinem Film setzt sich der Künstler mit der Situation von Flüchtlingen weltweit auseinander – und das in einer Weise, die bleibende Eindrücke hinterlässt, vielleicht sogar manches Weltbild zurechtrückt.

Von diesem, sagen wir mal, geistigen Aufräumen zu einer der Lieblingstätigkeiten der Deutschen zum Jahresende: dem Ausmisten. Eben das macht auch das C/O Berlin in der Hardenbergstraße 22 ab 11 Uhr mit seinem Archiv und verkauft bei der Gelegenheit Fotobücher, Magazine, Kataloge, Ansichtsexemplare und Plakate besonders günstig. Wer hat nicht irgendwem erzählt, er habe schon ein Weihnachtsgeschenk bestellt, das nur noch nicht geliefert worden sei?

Womit wir schon am Jahresende wären. Wer Gäste für längere Zeit loswerden möchte, schickt sie mit 70 Euro (Mitmachpreis) ins SEZ. Da werden sie bei einer 40-stündigen Party zusammengepfercht, zugedröhnt und abgefüllt, in der Chill-Area und im Pool befummelt und im Programm der Art-Galleries intellektuell stimuliert. Hinterher dürften sie allerdings erst recht nicht mehr vom Sofa zu bekommen sein.

Die weniger Spielfreudigen schickt man ins Silvesterkonzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, wo unter der Leitung von Mario Venzago das Konzerthausorchester Werke von unter anderem Bach, Kreisler, Beethoven und Zemlinsky spielt. Und wer, erfreut über diese Darbietung, auch am 1. Januar im Neujahrskonzert sitzt und erwartet, alles würde 2019 ganz anders, wundere sich nicht: Es ist das gleiche Konzert, bloß neu etikettiert. Vielleicht geht man stattdessen doch lieber am 31. Dezember in die Philharmonie: Da spielen die Philharmoniker selbst zum vorerst letzten Mal unter Barenboim Mozart und Ravel. Das heißt, wenn man sich beeilt und noch Tickets bekommt.

Zur Abwechslung mal helfen

Wer es anschließend am 2. Januar ruhiger angehen möchte, könnte sich und seinen Kindern in der Stadtbibliothek Charlottenburg oder der Ingeborg-Bachmann-Bibliothek vorlesen lassen – jeweils ab 16 Uhr. Bei Tatendrang hingegen erinnere man sich nur schnell an seine gerade gefassten Vorsätze: Der Verein Berliner Obdachlosenhilfe lädt zur Mittwochs-Hilfstour ein, bei der Lebensmittel, Kleidung, Schlafsäcke und Ähnliches an bedürftige und obdachlose Menschen verteilt werden, und zwar am Leopoldplatz (17.45 Uhr), Alexanderplatz (19 Uhr) und am Kottbusser Tor (20.30 Uhr). Ein Vorabtreffen findet um 13.30 Uhr in der Buttmannstraße 1a in Wedding statt, mit Speis und Trank. Auch wer bis dahin noch nicht die ungewollten Geschenke umgetauscht hat – ebenfalls eine perfekte Beschäftigung für die frühen Januartage – kann diese, sofern sie nützlich sind, hier verteilen: des einen Krempel sei des anderen Schatz. Gern auch als Zeichen gegen die Wegwerfkultur.

Zum Jahreswechsel das Rauchen aufgegeben? Seinen Sieg über die Sucht kann man am 3. Januar beim Fabrik Slam #2 zelebrieren: Hier wird die ehemalige Reemtsma-Zigarettenfabrik als Bloxx Bar zur Bühne für den einzigen Charlottenburg-Wilmersdorfer Poetry-Slam.

Am 4. Januar läuft im Kino Babylon um 19.30 Uhr wieder Fritz Langs Metropolis. Musikalisch untermalt wird der Film, der, wie der Jahreswechsel, an die Zukunft von gestern erinnert, vom Babylon Orchester. Wir denken vor, andere denken nach, hat schon Udo Lindenberg gewusst.

Und damit zum Ende der Zwischenzeit wieder richtig Arbeitsstimmung aufkommt: Am 5. Januar, nach noch einem Sprung in den Plötzensee mit den Eisdippers um 11 Uhr, lohnt ein Besuch im Lettrétage, dem Literaturhaus Kreuzberg, wo Autor G.H.H. ab 14 Uhr seinen 2018 erarbeiteten Roman „Der eine Sohn“ von Anfang bis Ende liest.

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