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Der Fechtclub kann eine Ersatzhalle nutzen. Doch das Training hier ist mit Einschränkungen verbunden.

© Thilo Rückeis

Berlin-Steglitz: Sochos-Halle bleibt gesperrt

Die Flüchtlinge haben die Sporthalle längst geräumt. Doch der Fechtclub Berlin-Südwest ist weiter heimatlos. Die Sanierung ist laut Bezirk "komplex".

Jonas* hat seine Waffe abgelegt, sie liegt jetzt irgendwo in der Halle, ein Degen mit dünner Klinge. Er braucht sie nicht mehr, er hat gewonnen, ach was, er hat triumphiert. 0:4 lag er schon zurück, eigentlich ein aussichtsloser Kampf, das Duell ging ja nur bis zum fünften Siegpunkt. „Aber dann“, sagt Jonas, das Gesicht von der Anstrengung gezeichnet, „habe ich doch noch 5:4 gewonnen.“

Auf seiner Stirn glänzt der Schweiß, der Körper steckt in einem weißen Fechtanzug. Jonas, zwölf Jahre alt, blickt erwartungsvoll. Vor ihm steht sein Trainer, klar, was jetzt kommt. Marek Bajan lächelt, dann sagt er: „Gratuliere, toll gemacht.“ Bajan trägt ein rotes T-Shirt, auf dem „Deutsche Meisterschaft 2018“ gedruckt ist, die Brille hat er ins lichte Haar geschoben.

Jonas geht zurück aufs Feld, zu den anderen 13 Jugendlichen, die gerade trainieren, metallisches Klirren von Klingen, die aufeinanderprallen, durchzieht die Helene-Lange-Halle in Steglitz. Training des Fechtclubs Berlin-Südwest.

"Leistungssport kann man so vergessen"

Bajan aber beugt sich zu dem Mattenwagen, auf dem er seinen Laptop platziert hat, tippt auf Tasten, so dass das ganze Elend seines sportlichen Alltags auftaucht. Bilder einer Baustelle erscheinen, mit aufgerissenem Boden, Farbeimer, nackte Wände, Rohre. Es sind Bilder aus der Sochos-Fechthalle in Steglitz. Eigentlich ist der Fechtclub Berlin-Südwest hier zu Hause. Eigentlich.

Seit Herbst 2015 nicht mehr. Damals zogen Flüchtlinge ein, Vereinsmitglieder halfen ihrer Betreuung. Aber dass sie dreieinhalb Jahre später, die Flüchtlinge sind längst weg, noch immer nicht in die Halle können, damit haben sie nicht gerechnet. „Leistungssport“, stöhnt Marek Bajan, der Trainer, „kann man so vergessen.“ Lutz Wilde, der Vizepräsident des Klubs, erklärt: „Die Situation ist miserabel.“

Die Situation sieht so aus, dass es in diesem Fall wohl nur Opfer gibt. Den Verein, der immer noch vor einer Baustelle steht, während andere Klubs längst wieder in ihren sanierten Hallen trainieren können, und das Bezirksamt, das die Sochos-Halle saniert und von diversen Bau-Schäden überrascht wurde.

„Die Arbeiten“, teilt Maren Schellenberg mit, Bezirksstadträtin im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, „werden voraussichtlich nach den Sommerferien 2019 abgeschlossen sein.“ Noch ein paar Monate also. „Wir werden durchhalten müssen, wir haben schon so lange durchgehalten“, sagt Martin Kromm, der Vereinsvorsitzende.

Club verliert Mitglieder

Aber die Probleme, der sein Klub durch die Wartezeit hat, die kann er jetzt schon bilanzieren. „Rund 40 Mitglieder haben wir seit Herbst 2015 verloren, mindestens die Hälfte ist wegen der schlechten Trainingssituation gegangen.“ Kinder und Jugendliche, die entweder den Verein gewechselt oder gleich ganz aufgehört haben. Und zwei Jahre lang eine zeitraubende Fahrerei für Kinder, Eltern, Trainer und Jugendliche zu den Ersatz-Trainingshallen in Wilmersdorf und Kleinmachnow. Bajan rechnet mal durch, er kommt auf monatlich 600 Kilometer, die er damals zurückgelegt hat.

Seit einem Jahr immerhin läuft das Training in der Helene-Lange-Halle, nicht weit von der Sochos-Halle entfernt. Doch die Halle hat keine Bahnen, der Boden ist rutschig, die Melder für die Gefechte müssen jedes Mal auf- und abgebaut werden. Das Montagstraining des Vereins ist ganz gestrichen, und Donnerstags sind die Fußballer da, erst nach ihnen dürfen die Fechter rein.

„Gerade für die Florettfechter haben wir wenig Trainingszeiten. Beim Degen sieht es besser aus“, sagt Kromm. Immerhin, noch immer mischen Athleten des Fechtclubs Berlin-Südwest bei Deutschen Meisterschaften vorne mit. Aber die Ergebnisse könnten noch besser sein.

Das Bezirksamt verweist auf diverse Probleme in der Halle. Die Bausubstanz sei in einem „so schlechten Zustand, dass die ursprünglich geplante Bauzeit für die punktuelle Beseitigung der Schäden durch Flüchtlingsbelegung durch eine komplexe Sanierung der Sport- und Fechthalle ersetzt werden musste“.

Auch in Ersatzhalle Mängel

Statische Probleme, schafstoffbelastete Baumaterialien im Bodenbereich, Schimmelbefall, das alles „führte zu nicht geplanten Maßnahmen“. Zum Beispiel sei „erst in der letzten Bauphase erkennbar“ gewesen, dass der Sportboden komplett abgebrochen werden musste. Und wegen „schadstoffhaltiger Dämmmaterialien im Boden“ mussten Schadstoffgutachten erstellt werden. Auch neue Ausschreibungsverfahren seien nötig geworden. Und die Arbeit geht dem Bezirk nicht aus. In der Helene-Lange-Halle sind seit längerem Toiletten kaputt. Die Alternativen stehen vor der Hallentür, in blau-weißer Farbe: Dixi-Klos.

*Name geändert

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