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Segelfreuden. Manchen Booten, die derzeit freie Fahrt haben, könnte eine Brücke erhebliche Probleme bereiten.

© Bernd Settnik/dpa

Berlin-Spandau: Die Furcht vor der Havel-Brücke

Wie das Verkehrsproblem lösen? Die CDU wirft eine Idee in den Raum. Im Spandau-Newsletter zeigen wir die Karte der U-Bahn-Tunnel-Idee unter der Havel

Post vom Berliner Polizeipräsidenten a. D., sein Name: Georg Schertz. Sein Anliegen: die Idee der CDU, eine Brücke über die Havel zu bauen. Er sei als Segelsportler „alarmiert“, schreibt Schertz, der von 1987 bis 1992 Polizeichef in Berlin war und auf der Insel Schwanenwerder am Wannsee lebt.

Die Spandauer CDU hatte mit steilen Verkehrsideen um sich geworfen, wie die Menschen in Spandau besser nach Berlin kommen

Dazu gehörte eben jener Vorschlag, eine 1200 Meter lange Brücke zwischen Gatow und Grunewald zu bauen. Und jetzt ist die Debatte da – im Rathaus und in der Leserbriefmailbox des Spandau-Newsletters vom Tagesspiegel.

Dort landete jetzt jener Brief des Ex-Polizeipräsidenten. Schertz schreibt: Ja, die Straßenanbindung Kladows sei „zweifelsfrei ungünstig“, aber so eine Brücke könne nicht die Lösung sein: „Neben einer unsäglichen Verschandelung der Havellandschaft würde die Havelchaussee zu einer Hauptverkehrsstraße mit Anschluss an die Avus in Nikolassee und ihren Charakter als hohes Naturerlebnis völlig verlieren.“

Brücke müsste extrem hoch sein

Weiteres Problem: Für viele Segelvereine in der Scharfen Lanke und im Stößensee wäre der Zugang zur Havel, zum Wannsee und zu den Potsdamer Gewässern versperrt.

„Bei Masten von 12 bis 17 Meter über Deck müsste die Brücke, wenn die Durchfahrt möglich bleiben soll, eine erhebliche Höhe über Normalwasser haben, was sie zu einer noch größeren Verschandelung der Landschaft machen würde.“

Die Idee der CDU: eine Brücke von Hohengatow nach Grunewald.
Die Idee der CDU: eine Brücke von Hohengatow nach Grunewald.

© Tsp

Die CDU um Bezirkschef Kai Wegner hatte auch Autofähren, Sonderbusspuren und den U-Bahnausbau vorgeschlagen, doch kein Vorschlag wurde so lebhaft aufgegriffen wie der Brückenbau über den Fluss.

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Klar, erst in dieser Woche hatten 20.000 Menschen in Kladow und Gatow erfahren, dass sie ab Juli sechs Monate lange riesige Umwege fahren müssen, weil eine der zwei Nord-Süd-Zufahrtsstraßen dicht gemacht werden. Der Haken: Nach Osten, also nach Berlin, kann nun mal niemand ausweichen – da döst die Havel in ihrem Flussbett.

"So eine Brücke zieht noch mehr Verkehr an"

Also doch eine Brücke? „Eine Brücke über die Havel lehne ich ab“, schrieb jetzt Bezirkschef Helmut Kleebank, SPD, an den Twitterkanal von Tagesspiegel Spandau. „Selbst wenn die Brücke nach jahrelanger Bauzeit mit enormen Kosten und gravierenden ökologischen Schäden endlich fertig wäre, würde sie doch nur massiven Autoverkehr aus dem Umland nach Kladow und Gatow ziehen.“ Zustimmung von Paul Fresdorf von der FDP: „Wirklich kein durchdachter Vorschlag.“ Worauf Thorsten Schatz von der CDU fragte: „Mitdenken, die Herren. Kritik vom Sofa ist leicht. Wie sehen denn die Vorschläge der SPD und FDP aus?“

Vielleicht ein Tunnel?

Prompt meldete sich Matthias Unger beim Spandau-Newsletter. Er ist der Fraktionschef der Spandauer FDP und schimpft: „Diese Brücke würde die gesamte Struktur des Gebietes zerstören. Hier hilft nur ein gut durchdachter Plan mit einem Tunnel – ein sicherlich kühner Plan“. Aber mal generell: „Oberhalb haben wir definitiv keinen Platz mehr“, also bliebe nur die Buddelei unter die Erde.

Im Spandau-Newsletter: Die Idee eines U-Bahntunnels

Und damit wären wir in den 60er Jahren angelangt. Der Kulturverein „Kladower Forum“ gibt den Tipp, doch einmal ins Tagesspiegel-Archiv zu gucken. Und siehe da: August 1966, Lokalteil, Seite 8 – „Sprung über die Havel.“ Senatsbaudirektor a. D. Hans Stephan schlug damals im Tagesspiegel eine Brücke von Wannsee nach Kladow vor. Allerdings: „ Gegen die Brücke werden sich vermutlich viele Stimmen derer erheben, die durch einen noch so eleganten Brückenbau eine Beeinträchtigung oder sogar Verschandelung des Landschaftsbildes voraussehen“, schrieb Stephan (und wurde 50 Jahre später wortgenau bestätigt, siehe Post vom Polizeipräsidenten a. D.).

Und daher müsse ein Tunnel unter der Havel gebaut werden, schrieb Stephan. Der Clou: „Im gleichen Zuge könnte eine U-Bahn-Linie, die als Nord-Süd-Erschließung des Westhavelgebietes schon jetzt erwünscht, für die Zukunft aber unbedingt notwendig ist, zugleich mit dem Straßentunnel unter der Havel weiter nach Wannsee geführt werden.“ Und so, schrieb Stephan damals, könnten in der Mauerstadt West-Berlin 200.000 (!) Menschen in Kladow und Gatow angesiedelt werden. Zur Erinnerung: Derzeit leben in den fernen Vororten im fernen Spandau gut 20.000 Leute (und es gibt keine Mauer der DDR mehr, die den Zuzug im besser erschlossenen Havelland verhindern kann).

Der Aufschrei der Bürger blieb damals nicht aus, die Natur, die Wälder und Felder, und die Vorstadtdörfer blieben von wilden Hochhausneubauplänen verschont. Ganz neu war übrigens auch die Tunnel-Idee nicht: Schon in den 30er Jahren gab es die Idee eines Eisenbahntunnels unter der Havel.

Hier finden Sie die Karte des U-Bahn-Tunnels

Lesen Sie mehr am Dienstag im neuen Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel: Die Karte, wo damals der U-Bahn-Tunnel von Wannsee nach Kladow gebaut werden sollte und wo in Wannsee und Kladow/Gatow die U-Bahn hätte verlaufen sollen. Den Spandau-Newsletter können Sie kostenlos bestellen unter www.tagesspiegel.de/leute

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