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Verkehrsschild "Fahrradstraße".

© Jens Kalaene

Berlin-Neukölln: Mit Pollern gegen Autoverkehr am Weigandufer

Das Weigandufer wurde erst im November als frisch asphaltierte Fahrradstraße eröffnet - und Autofahrer fühlten sich zum Rasen eingeladen. Das soll sich ändern.

"Das Weigandufer wird aktuell als Rennstraße genutzt." Das erlebt Fahrradaktivist Michael Ihl jeden Morgen, wenn er seine Tochter mit dem Fahrrad zur Schule fährt. „Wir werden weggehupt, Motoren brausen auf, es kommt täglich zu krassen Eskalationen.", erzählt der Mitgründer des Netzwerks Fahrradfreundliches Neukölln.

Dabei wurde das Weigandufer in Neukölln erst Mitte November als frisch asphaltierte Fahrradstraße eröffnet. Das heißt, Fahrräder haben hier eigentlich Priorität, dürfen nebeneinanderfahren. Autofahrer müssen sich anpassen, dürfen sich höchstens mit Tempo 30 fortbewegen.

Da jetzt aber insgesamt weniger Autos auf dem Weigandufer unterwegs sind, fühlen sich Autofahrer, die die Straße nutzen, noch mehr zum Rasen eingeladen. Doch damit soll jetzt Schluss sein: Am Donnerstag begannen Umbauarbeiten am Weigandufer, die die Straße bis zum Frühjahr abschnittsweise zu einer autofreien Zone machen sollen.

Poller sollen den Autoverkehr abhalten

Zwischen Wildenbruchstraße und Innstraße soll die Fahrbahn auf vier Meter zurückgebaut werden, am Anfang und am Ende des Straßenabschnitts stehen künftig sogenannte modale Filter. Das sind Barrieren, die nur bestimmte Verkehrsteilnehmer passieren lassen. In diesem Fall werden auf jeder Seite drei Poller aufgestellt, die den Autoverkehr herausfiltern.

Radfahrer und Fußgänger können das Weigandufer weiterhin passieren. Für Feuerwehrfahrzeuge und Rettungswägen sollen die Poller umgelegt werden können. Die Maßnahmen sollen den Durchgangsverkehr, vom Stadtinneren kommend hin zur Autobahn A100, aus dem Weigandufer fernhalten. Außerdem werden in der benachbarten Innstraße neue Stellplätze für Autos geschaffen. Die Planung der Umbauarbeiten des Ufers begann im Jahr 2015. Seitdem setzte sich das aus Anwohnern bestehende Beteiligungsgremium Sonnenallee für die verkehrsberuhigenden Maßnahmen ein.

Doch auch das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln forderte schon seit längerem den Einsatz von modalen Filtern. „Wir freuen uns auf die Verbesserungen am Weigandufer und wünschen uns solche Regulierungen des Autoverkehrs auch für die Friedelstraße und andere Straßen, die aus dem Radverkehrsetat asphaltiert wurden“, sagt eine Sprecherin des Netzwerks. Hinzu kommt, dass der Wildenbruchplatz eine ganz neue Aufenthaltsqualität bekomme, von der alle etwas haben - ob Anwohner, Spaziergänger, oder Radfahrende.

Gehweg soll neugebaut und bepflanzt werden

Denn bei den verkehrsberuhigenden Maßnahmen soll es nicht bleiben: Der Gehweg, der an den Wildenbruchpark angrenzt, soll neugebaut und bepflanzt werden. So entsteht ein „ganz neuer Park direkt am Wasser“, wie der Baustadtrat des Bezirks, Jochen Biedermann (Grüne) meint.

Derzeit ist der Uferweg marode, mit Gehölz zugewachsen und für Fußgänger nicht umstandslos überquerbar. Mit dem Umbau erhofft sich der Bezirk, eine neue attraktive Grünfläche und einen Aufenthaltsort für den Kiez zu schaffen.

Dem Fahrradaktivisten Michael Ihl sind die Änderungen aber nicht genug. Diejenigen Autofahrer, die aus Treptow kommen und über die Elbestraße zum Hermannplatz fahren und sich die Ampeln auf der Sonnenallee sparen wollen, fahren dann trotzdem über die Fahrradstraße. Sie müssen den für Autos gesperrten Bereich nämlich gar nicht erst passieren.

„Der Bezirk sollte in London und anderen Großstädten nachsitzen und sich besser Gedanken machen", fordert Ihl. In London etwa überwachen Kameras kennzeichenbasiert, ob bestimmte Fahrzeuge bestimmte Straßen passieren dürfen. Ob Überwachungskameras das richtige für Berlin seien, da ist sich Ihl auch nicht sicher. "Aber modale Filter können auch schön sein: Das können etwa Blumenkästen sein."

Auch in Schweden und den Niederlanden gebe es Beispiele für raffinierte modale Filter. Die Hoffnung in die stadtplanerische Leistung des Bezirks will Ihl aber nicht aufgeben: „Ich fordere eine Obergrenze für den Autoverkehr. Neukölln könnte hier eine Vorreiterrolle übernehmen und ein Labor für bundesdeutsche Großstädte in Sachen Verkehrssicherheit werden.

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