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Einmal alles, bitte. Das Sortiment in der Heil Quelle ist so kurios, dass manche nur zum Gucken vorbeikommen.

© Mike Wolff

Berlin-Neukölln: Eine Mischung aus Späti und Heimwerkermarkt

Lacke, Mausefallen und Designzeitschriften: Im Neuköllner Laden von Doris Heil gibt es fast alles. Nur keinen Platz.

Der Späti ist eine Berliner Institution. Aber einen Späti, wie die Heil Quelle in der Neuköllner Pannierstraße 58, ganz in der Nähe zur Sonnenallee, gibt es kein zweites Mal in Berlin. Es kämen immer wieder Neugierige, so Betreiberin Doris Heil, die völlig überfordert seien von ihrem Laden, „denen erschließt sich gar nicht, was für eine Art Shop das hier ist.“

Manche würden auch nur bei ihr reinschauen, weil sich herumgesprochen hat, dass die Heil Quelle eine kleine Attraktion im Kiez ist. „Just looking“, sagen sie dann am Eingang, erzählt Doris Heil. „Dagegen bin ich allergisch.“ Als Neuköllner Kuriosität für Touristen, das lässt sie durchblicken, möchte sie eigentlich nicht durchgehen.

Aber ihr Laden ist nun mal äußerst ungewöhnlich. Er ist eine Mischung aus Späti, Fachhandel für spezielle und schwer erhältliche Zeitschriften und Baumarkt. Dabei werden die drei Sparten jedoch nicht getrennt voneinander präsentiert, sondern gehen ineinander über und erscheinen den Kunden als heilloses Durcheinander.

Mehr als Zigaretten, Süßes und Getränke

Man findet hier Lacke, Werkzeuge aller Art, sogar Mausefallen, und gleich daneben ausgesuchte Designzeitschriften wie „Novum“ und „Form“ oder ein englischsprachiges Reisemagazin mit dem Titel „Lodestars“. Auf dem Boden stapeln sich mehrere Säcke Blumenerde und der Kunde, der hier zugreift, kann sich dann auch gleich noch die neue Ausgabe der Berliner Feminismuszeitschrift „Missy“ mitnehmen, die daneben ausliegt.

Hier den Überblick zu behalten, ist eine Kunst. Doris Heil aber sagt: „Ich finde mich zurecht.“ Außerdem habe sie sehr viele Wohnzeitschriften im Angebot, „die im Zusammenhang mit den Artikeln für den Heimwerker- und Gartenbedarf schon ein wenig Sinn“ ergäben. Die 57-Jährige, die auch im Kiez wohnt, studierte Architektur, war dann eine Zeit lang arbeitslos und kam schließlich zu ihrem ersten Späti.

Bis vor fünf Jahren befand sich die Heil Quelle nämlich noch ein paar Häuser weiter in der Pannierstraße, schon eher in Kreuzkölln denn in Neukölln. Auch dort kümmerte sich Doris Heil schon um eine ausgefallene Auswahl an Zeitschriften, wie es sie sonst nur an Bahnhofskiosken gibt, doch zum großen Durcheinander fand sie erst nach dem Umzug Richtung Sonnenallee.

Der Mietvertrag für den alten Laden wurde nicht verlängert, sie musste sich eine neue Wirkungsstätte suchen. Eher zufällig erfuhr sie, dass der Betreiber des kleinen Heimwerkermarktes, in dessen ehemaligen Räumlichkeiten sie nun residiert, nach 20 Jahren sein Geschäft aufgeben und in Rente gehen wollte.

Manche kommen nur auf einen Plausch vorbei

Sie übernahm dann einfach den Laden, führte ihn fort, weil sie, wie sie sagt, selbst dort gerne Kundin war und pflanzte ihre Zeitschriften und Spätiwaren einfach zwischen all die Schrauben, Hämmer und das andere Zeug, das man für Wohnung und Haus so benötigt. So wurde die Heil Quelle zum Heimwerker-Kiosk.

Ein Kunde betritt den Laden und hält einen kleinen Plausch mit Doris Heil. Viel mehr scheint er nicht zu wollen. Er stellt sich als Salvatore d’Anna vor, arbeite gleich nebenan und sei täglich mehrmals in der Heil Quelle. Einfach so, „ich liebe die Doris“, sagt er.

Die Ladenbesitzerin ist eine alerte, freundliche Frau, die nicht nur etwas verkaufen will, sondern auch den persönlichen Kontakt sucht. Doch sie kann auch misstrauisch sein und sich mit ihren Kunden anlegen. Sie zeigt einen Kommentar auf einem Kundenbewertungsportal im Internet, den sie sich extra ausgedruckt hat und in dem heftig über sie geschimpft wird.

Doris maßregelt ihre Kunden

Es geht darin um das Chaos im Laden, und dass sie alles mit ihren Zigaretten vollqualmen und die Kunden maßregeln würde. Doris Heil hat dazu eine klare Meinung. Sie sitze hier, täglich außer sonntags, von 8.30 Uhr bis 20 Uhr nonstop ohne Pause. Deswegen, findet sie, „können die Kunden ruhig auch nach meiner Pfeife tanzen.“

Und außer ein paar Gummischlangen in einem geschlossenen Glas biete sie kaum etwas zum Essen an, deswegen könne sie auch in ihrem Laden rauchen, wie es ihr passt. Trotzdem sagen ihr manche Kunden: „Sie begehen Selbstmord.“ Etwas genervt ist Doris Heil auch von manchen Männern, „die mir vermitteln wollen, dass ich von der Materie Heimwerkerbedarf keine Ahnung habe“. Dabei weiß sie, wie man eine Bohrmaschine in die Hand nimmt.

Unten an der Sonnenallee hat sie sich ansonsten gut eingelebt, tatsächlich gefällt es ihr hier besser als früher in ihrem alten Laden. Die Leute seien viel freundlicher und grüßten. Außerdem sei sie in ihrem alten Laden mehrmals überfallen worden, seit ihrem Umzug nicht ein einziges Mal.

Nur Diebe scheint es noch zu geben. Auf einem Schild vor dem Laden steht: „Wer hier klaut, dem mögen die Hände abfallen!“ Heil mag ihren Späti, aber einfach sei es nicht. „Man schlägt sich so durch“, sagt sie. Alles rund um den Laden regelt sie allein, um die 70 Stunden in der Woche verbringt sie hier. Krank sein könne sie sich nicht leisten, „gibt’s nicht“.

Und sie glaubt, dass sie sogar noch viel mehr Krimskrams anbieten könnte. „Die Leute fragen nach Angelschnüren, Kühlschränken, Satellitenschüsseln und Tierfutter. Ich könnte hier einfach alles anbieten.“ Allein Platz, das muss man schon sagen, wäre in ihrem Laden wahrscheinlich nicht mal mehr für eine Angelschnur.

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