zum Hauptinhalt
Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass Berliner Richtergehälter teils verfassungswidrig niedrig waren (Symbolbild).

© Arno Burgi/dpa

Update

Berlin muss nachträglich mehr Geld bezahlen: Besoldung von Richtern und Staatsanwälten war verfassungswidrig

Laut einem Beschluss in Karlsruhe waren die Bezüge bestimmter Besoldungsgruppen von 2009 bis 2015 zu niedrig. Geld bekommt aber nur, wer sich beschwert hat.

Von Fatina Keilani

Das Land Berlin muss einem Teil seiner Richter und Staatsanwälte nachträglich mehr Geld bezahlen. Das folgt aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Mai, der am Dienstag veröffentlicht wurde (Az.: 2 BvL 4/18).

Es geht darin um die Zeit von 2009 bis 2015 und um die Besoldungsgruppen R1 und R2 sowie im Jahr 2015 zusätzlich um die Gruppe R3. Die Bezüge dieser Besoldungsgruppen seien zu niedrig gewesen und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte dies 2017 ähnlich gesehen und die Frage anschließend dem obersten deutschen Gericht vorgelegt.

Konkret verstieß die Höhe der Besoldung gegen Art. 33 des Grundgesetzes, das sogenannte Alimentationsprinzip, eine Spezialität des deutschen Beamtenrechts. Danach bekommt ein Beamter nicht wie ein Arbeitnehmer Geld für seine Leistung, sondern hat für sich und seine Familie Anspruch auf lebenslange Alimentation durch den Staat, deren Höhe der Verantwortung seines Amtes entsprechen und seinem Dienstrang angemessen sein muss.

Das Thema Besoldung beschäftigt die Berliner Richterschaft schon seit Jahren. Geklagt hatten schließlich zwei Richter und die Witwe eines Richters, sie unterlagen vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht, bis das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz sich zur Vorlage in Karlsruhe entschloss.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das Land Berlin muss nun spätestens vom 1. Juli 2021 an verfassungskonforme Regelungen treffen. Rückwirkend bekommen diejenigen Betroffenen mehr Geld, die gegen ihre Besoldung in den fraglichen Zeiträumen vorgegangen waren. Das bedeutete, jedes Jahr gegen die Höhe ihrer Besoldung Widerspruch einzulegen.

„Die Unzufriedenheit mit der Bezahlung war in diesen Jahren sehr hoch, und sehr viele Kolleginnen und Kollegen haben Widerspruch und teilweise auch Klage erhoben“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Berlin im Deutschen Richterbund, Stefan Schifferdecker, dem Tagesspiegel. Auf wie viele der 1700 Berliner Richter das zutreffe, sei nicht sicher.

„Die Entscheidung bestätigt die Einschätzung des Richterbundes Berlin, dass die Bezahlung des öffentlichen Dienstes über Jahre zu niedrig war, und das Land Berlin ist jetzt aufgefordert, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen“, erklärt Schifferdecker.

Richterbund will weitgehendere Nachzahlungen prüfen

Der Richterbund werde die Entscheidung jetzt auswerten, da durchaus Zweifel daran bestünden, dass die heutige Bezahlung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche – trotz der Erhöhungen der vergangenen Jahre.

„Gerecht wäre, wenn sich das Land Berlin dazu durchringen könnte, allen eine Nachzahlung zu gewähren, die zu wenig erhalten haben, auch denen, die nicht Widerspruch eingelegt haben“, sagte Schifferdecker.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Nach dem Beschluss erklärte die Justiz- und Finanzverwaltung, dass das Gehalt in den „Einstiegs- und Beförderungsämtern“ für Richter und Staatsanwälte seit August 2016 um 17 Prozent gestiegen sei. „Zudem lag ab 2018 die Besoldungsanpassung jeweils 1,1 Prozent über der durchschnittlichen Besoldungsanpassung der Bundesländer“, heißt es.

Außerdem seien die Sonderzahlungen 2017 und 2018 erhöht worden. “Bis 2021 wird die Besoldung das Niveau des Durchschnitts der Bundesländer erreichen.“

Bundesverfassungsgericht kritisiert Postenbesetzungen

Es sei auch gelungen, schreibt die Verwaltung, freie Stellen in der Regel mit Prädikatsjuristen zu besetzen. Das Bundesverfassungsgericht stellt das in seinem Beschluss aber anders dar. Es sei Berlin nicht gelungen, gutes Personal zu finden.

Das Land habe „nicht nur die formalen Einstellungsanforderungen abgesenkt, sondern auch in erheblichem Umfang Bewerber eingestellt, die nicht in beiden Examina ein Prädikat („vollbefriedigend“ und besser) erreicht hatten“, heißt es dort. Das zeige, dass „die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht mehr erfüllt hat“, heißt es in der Begründung.

Gewerkschaftsbund will Besoldung aller Beamten prüfen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für Berlin und Brandenburg forderte, die Besoldung aller Beamten in Berlin auf den Prüfstand zu stellen. Das Niveau müsse deutlich angehoben werden, sagte die Vize-DGB-Chefin Sonja Staack am Dienstag. Tatsächlich wird auch die A-Besoldung demnächst vom Bundesverfassungsgericht geprüft - auf das Ergebnis dürften unter anderem Berlins Polizisten sehnlich warten.

Die Richterbesoldung beruht auf der sogenannten Besoldungsordnung R und umfasst die Stufen R1 bis R10.

Da sie nicht bundeseinheitlich geregelt ist, gibt es teils erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Klagen hierzu beschäftigen deutsche Gerichte seit Jahren immer wieder.

Zur Startseite