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Sportliche Familie. Franziska Rudolph, Juri Blum, Katharina Blum und Gerhard Blum nach einem ihrer gemeinsamen Läufe.

©  privat

Berlin-Marathon: Warum drei Geschwister für ihren Vater laufen

In 42 Tagen startet der Berlin-Marathon. Dann werden auch drei Geschwister im Gedenken an ihren Vater teilnehmen.

Eigentlich hatte sich Katharina Blum für den 29. September auf einen relativ gemütlichen Berlin-Marathon eingestellt. Sie selbst hatte die 42,195 Kilometer schon unter fünf Stunden geschafft. Doch die Medizinstudentin wollte mit ihrem Vater Gerhard Blum gemeinsam laufen, wie sie es schon 2017 getan hatte, als medizinische Begleitung. Denn ihr Vater war krank. Mit Mitte 40 versagte seine Niere. Dabei hatte er Glück im Unglück, schon nach einem halben Jahr bekam er ein Spenderorgan. Andere Patienten warten Jahre, manche sogar Jahrzehnte, bis eine passende Niere bereitsteht.

Gerhard Blums Leben war streng getaktet zwischen Dialyse, seiner Arbeit sowie seiner Liebe zum Sport. Und die schien grenzenlos. Als er mit seiner Frau bei Freunden zum Essen eingeladen war, fuhr sie alleine mit dem Auto los – Gerhard Blum zog es vor, die 30 Kilometer lieber zu laufen. Eine gute Gelegenheit für ihn, sich fit zu halten und für den strapaziösen Marathon vorzubereiten. Er engagierte sich im Berliner Radsportverband als Trainer und Funktionär, war begeisterter Läufer und Vater dreier Kinder. Seine älteste Tochter Franziska Rudolph sagt über ihn, er war bescheiden, humorvoll und konsequent positiv: „Er wollte niemanden in seinem Umfeld mit seiner Erkrankung runterziehen, das war ihm immer sehr wichtig. Es konnte kommen, was wolle. Er blieb gelassen.“ Doch am 8. Juni 2019 dieses Jahres ist Gerhard Blum gestorben. Er wurde 65 Jahre alt.

Dabei war Blum körperlich, unter den Gegebenheiten seiner Krankheit, gut in Form. Er war fleißig, engagiert und vermutlich fitter als manch deutlich Jüngerer. Als nach einigen Jahren auch die Spenderniere zu schwächeln begann, hätte es eigentlich das Aus bedeuten müssen für seine sportlichen Aktivitäten. Aber er hielt dagegen. Denn Gerhard Blum war ein Kämpfer. Sein großes Ziel: beim Berlin-Marathon wieder fit zu sein.

Für einen Dialyse-Patienten ist das ein großes Risiko. Das Blut ist dünner, der Stoffwechsel funktioniert anders. Seinen Flüssigkeitshaushalt muss er sich gut einteilen. Die Ärzte warnten ihn immer wieder, welcher Gefahr er sich aussetzte, wenn er die lange Strecke laufen würde. Aber Blum schaffte es. 2017 meisterte er den Marathon. Sein erstes Ziel hatte er erreicht, das zweite leider nicht: Er hätte den Marathon gerne unter sechs Stunden absolviert. Es reichte aber nur zu sechs Stunden und vierzig Minuten. Eine Fußverletzung ermöglichte ihm kein sicheres Auftreten.

Der Stolz überwog dennoch. Nicht nur, dass er es sich selbst bewiesen hatte, auch rannte er stellvertretend für alle Dialyse-Patienten mit, die aufgrund ihrer Erkrankung zu Hause geblieben waren. „Es muss ja kein Marathonlauf sein, aber sich einfach ein Ziel setzen, etwas für sich tun – das ist extrem wichtig!“, sagte er damals dem rbb.

Es wird ein Lauf der Solidarität

In diesem Jahr wird der Berlin-Marathon ohne ihn stattfinden. Auch wenn seine Tochter Franziska Rudolph sagt, dass sie sich schon seit Jahren darauf eingestellt hatten, ziehe einem so ein Ereignis trotzdem erst mal den Boden unter den Füßen weg. Die Sportbegeisterung des Vaters hat sich in der Familie aber weitervererbt. Gerhard Blums Startplatz übernimmt sein Sohn Juri Blum. Katharina Blum, die wieder als medizinische Betreuerin mitgelaufen wäre, startet ebenfalls – obwohl sie gerade erst im Februar Mutter geworden ist. Franziska Rudolphs Teilnahme war lange unsicher, die Vergabe der begehrten Startplätze war bereits im November des vergangenen Jahres beendet. „Viele Läufer haben mich angeschrieben und meinten, dass sie ihren Startplatz gerne an mich abtreten würden, aber der SCC ist da leider sehr streng“, sagt sie. Es klappte dennoch.

Antenne Brandenburg hatte noch einen Platz zur Verfügung, Franziska Blum kann also ebenfalls an den Start gehen. Alle drei Geschwister werden nun am 29. September zusammen laufen. Sowohl für sich als auch ihren Vater. Es wird ein Lauf der Solidarität. Nicht nur für ihren Vater, sondern auch für alle anderen Menschen, die durch körperliche Gebrechen nicht mehr selbst mitlaufen können. Franziska Rudolph ist vierfache Mutter, arbeitet als Chemieingenieurin und studiert nebenher. Ihr ist es auch wichtig, anderen berufstätigen Müttern zu zeigen, dass es sich lohnt, die Strapazen auf sich zu nehmen. Und so ist sie sicher: Würde Gerhard Blum sehen, wie seine Kinder vereint für ihn die 42,195 Kilometer auf sich nehmen – er wäre stolz auf sie.

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