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Mit Hut und Hupe. Unter der Marke NAG stellte AEG in Oberschöneweide Autos her.

© promo

Berlin: Limousinen aus Oberschöneweide - zum Jubiläum ein Fest

In Oberschöneweide begann vor 100 Jahren die Serien-Produktion von Autos. Ein Fest am Sonntag erinnert an die fast vergessene Tradition

Der Dame wird empfohlen, elektrisch zu fahren. So suggeriert es zumindest eine Autowerbung von 1906. Schon damals bauten die konkurrierenden Firmen Siemens und AEG Elektroautos. Siemens in den Schuckertwerken am Nonnendamm, die AEG in der damals noch selbstständigen Landgemeinde Oberschöneweide. 1915, mitten im Krieg, ließ AEG-Gründer Emil Rathenau eine moderne Autofabrik an der Spree bauen, am 1. Oktober 1917, also vor 100 Jahren, begann die Serienproduktion der Marke „Nationale Automobil Gesellschaft – NAG“.

Der Peter-Behrens-Bau in Oberschöneweide war ursprünglich eine Autofabrik.
Der Peter-Behrens-Bau in Oberschöneweide war ursprünglich eine Autofabrik.

© Benjamin Jehne/Bilderpool Bezirksamt Treptow-Köpenick/dpa-tmn

Die Fabrik aus gelbem Backstein steht heute noch an der Wilhelminenhofstraße, benannt nach ihrem Architekten, dem AEG-Hausdesigner Peter Behrens. Nur weiß kaum jemand, dass der Behrens-Bau ursprünglich eine Autofabrik war. 1934 wurde die Produktion aufgegeben, die NAG-Karossen waren zu teuer und störanfällig. In die Fabrik zog die AEG-Fernmeldetochter Telefunken ein, später wurden hier vor allem Fernsehröhren hergestellt. In der DDR war der Betrieb als Fernsehwerk bekannt und technologisch im Ostblock führend. Samsung übernahm nach der Wende, beendete die Produktion aber 2005 und verkaufte die Immobilie. Seitdem haben sich viele kleinere Firmen in dem denkmalgeschützten Gebäude eingemietet. Die benachbarte Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) würde den Bau gern nutzen.

Oldtimerparade und Straßenfest "Boxenstopp"

Der Industriesalon Oberschöneweide feiert den 100. Geburtstag des Automobilbaus am Sonntag, 1. Oktober, mit einer Oldtimerparade und einem Fest in der Wilhelminenhofstraße. An der Parade will auch Heidi Hetzer mit ihrem alten Hudson teilnehmen. Im Rahmen des Festivals „Berlin leuchtet“ wird der Behrens-Bau abends in einen historischen Schaukasten verwandelt. Mittels 3-D-Projektion werden Bilder aus der ehemaligen Autoproduktion zum Leben erweckt, auch die „Elektra“ ist zu sehen, die „Göttin des Lichts“, das ehemalige Firmensignet der AEG. Das Unternehmen gründete seinen Erfolg ja auf der Einführung der Glühbirne in Deutschland.

Vor dem Ersten Weltkrieg wurden auch schon NAG-Autos gebaut, allerdings stand das Kürzel damals noch für Neue Automobil-Gesellschaft.
Vor dem Ersten Weltkrieg wurden auch schon NAG-Autos gebaut, allerdings stand das Kürzel damals noch für Neue Automobil-Gesellschaft.

© Industriesalon Schöneweide

Die NAG feierte in den 20er Jahren ihre größten Erfolge. Beim ersten Avusrennen 1921 siegte NAG-Fahrer Christian Riecken vor Fritz Opel. Der AEG-Ingenieur hatte seinen Rennwagen selbst konstruiert. Der NAG C4b, 30 PS, war auf den acht Runden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h unterwegs. Die NAG baute aber auch Lastwagen und Omnibusse. 1928 reiste der afghanische König Aman Ullah nach Oberschöneweide, um sich mit den neuesten Kreationen der NAG auszustatten. Anschließend soll er erst mal pleite gewesen sein. Die Luxuskarossen der NAG waren sehr begehrt, aber eben auch teuer. Die Autobauer konnten nie die nötigen Stückzahlen erreichen, um rentabel zu arbeiten. Von der Fließbandproduktion eines Henry Ford war man noch weit entfernt. Auch Siemens musste seine Autos der Marke Protos wieder aufgeben.

Lichtspektakel bis zum 15. Oktober

Emil Rathenau erlebte die Fertigstellung der Fabrik nicht mehr, er starb im Juni 1915. Sein Sohn Walter machte vor allem als Schriftsteller und Politiker auf sich aufmerksam, wurde schließlich im Januar 1922 Außenminister und starb noch im gleichen Jahr durch ein Attentat - er wurde in seinem Auto, einem NAG-Cabriolet, von Rechtsradikalen erschossen. Die AEG blieb bis 1945 ein erfolgreiches internationales Großunternehmen, stellte alles her, was sich mit Strom betreiben ließ – bis auf Autos. Die Aktiengesellschaft verlor durch die deutsche Teilung ihr Stammwerk in Oberschöneweide, baute nach dem Krieg aber viele neue Fabriken im Westen auf.

Das Straßenfest „Boxenstopp“ läuft am 1. Oktober, ab 12 Uhr. Um 18 Uhr lädt die „Bolschewistische Kurkapelle Schwarz Rot“ zum Tanz auf der Straße. Nach Einbruch der Dunkelheit sind die 3-D-Videoprojektion am Behrens-Turm und verschiedene Lichtinstallationen an anderen Gebäuden in Oberschöneweide zu besichtigen . Das Lichtspektakel ist jeden Abend zu sehen, bis zum 15. Oktober. Die Reederei Riedel bietet dazu Dampferfahrten von der Fischerinsel in Mitte auf der Spree nach Oberschöneweide an.

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