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Kein Durchkommen – es sei denn, die Mieter zahlen monatlich 35 Euro.

© Robert Klages

Berlin-Lichtenberg: Mieter ärgern sich über kostenpflichtiges Parken

Die Deutsche Wohnen hat eine Zufahrtsstraße verriegelt und verlangt nun Geld fürs Parken. Manche ärgert das. Doch ein Recht auf freie Zufahrt gibt es nicht.

Und dann war da plötzlich diese Schranke. Wolfgang Bursztyn wohnt seit 1979 in der Gensinger Straße in Lichtenberg. Seit Kurzem ist die Zufahrtsstraße zu den Hausnummern 74 bis 98 durch Schranken gesperrt. Der Rentner stand mit dem Einkauf im Kofferraum vor der Absperrung und wusste zunächst nicht, was er tun sollte. Normalerweise parkt er auf einem der rund 170 Parkplätze direkt vor den Plattenbauten. Der Eigentümer, die private Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen, hat die Schranke errichtet – ihr gehört auch das Grundstück mit der Zufahrtsstraße.

Man habe die Barrieren auf Mieterwunsch angebracht, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Für Berufstätige sei es aufgrund eines neuen Wohngebietes gegenüber schwer geworden, abends Parkplätze zu finden. Ein Stellplatz kostet nun 35 Euro pro Monat und einen Schlüssel für die Schranke bekommt nur, wer bezahlt. Es habe neben großem Zuspruch vereinzelte Beschwerden gegeben, bestätigte die Sprecherin. Eine junge Frau etwa habe Angst, wenn sie nachts aus dem Taxi steige und den Weg von der Schranke zur Haustür gehen müsse. Der Rat der Deutsche Wohnen: Die Frau möge den Taxifahrer bitten, sie bis zur Haustür zu begleiten.

Wolfgang Bursztyn hat sich dazu entschlossen, einen Parkplatz zu mieten. Für Mieter, die direkt am Anfang der Straße wohnen, sei es vielleicht kein Problem, aber er wohne weiter in der Zufahrtsstraße, das wolle er nicht laufen. „Was hätte ich sonst machen sollen?“, fragt er und zuckt mit den Achseln. Die Deutsche Wohnen hat die Anwohner vorab nicht über die Schranke informiert. In einem Schreiben an die Mieter vom April 2018 heißt es lediglich: „Gerne möchten wir Ihnen die Möglichkeit zur Anmietung eines Parkplatzes in Höhe von 35 Euro monatlich geben. Dazu richten Sie Ihre Bewerbung an die Vermietungsberaterin.“ Nun gibt es bereits Streit unter den Anwohnern: „Verlassen Sie bitte sofort meinen Parkplatz“, steht auf einem unter einen Scheibenwischer geklemmten Zettel an einem geparkten Auto.

Eine Gruppe älterer Mieterinnen und Mieter ist aufgebraucht und besorgt: Kommt der Krankenwagen auch wirklich durch? Für den Notfall gebe es einen Sicherheitsknopf, heißt es bei der Deutsche Wohnen. Dieser befindet sich hinter einer Scheibe, welche erst eingeschlagen werden muss. Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen könnten die Schranke mit dem Dreikantschlüssel öffnen. Dieser sei in jedem Wagen der Einsatz- und Rettungskräfte vorhanden.

Für hausangestellte Handwerker und Reinigungskräfte seien Parkplätze vorgesehen. Lieferdienste jeglicher Art jedoch würden laufen und eventuell eine Sackkarre benutzen müssen. Man sei zudem selbstverständlich bereit, individuelle Lösungen abzusprechen. Und wenn ein Mieter Zugang benötige, weil ihm etwa Möbel geliefert werden, könne er den Schlüssel nach vorheriger Absprache vom Hausmeister ausleihen. Vollständig bei den Mietern herumgesprochen hat sich das noch nicht und eine Mitteilung mit allen Informationen schrieb die Deutsche Wohnen auch nicht. Eine gehbehinderte Rentnerin etwa bekommt Medikamente geliefert. Doch zuletzt sei der Lieferdienst der Apotheke nur bis zur Schranke gekommen und wieder weggefahren, so berichten die Anwohner. Ebenso sei es mit den Essenslieferungen für Rentner gewesen.

Im Dezember stand die Schranke schon einmal offen – weil sie defekt war. Eine Anwohnerin will beobachtet haben, wie dies bei einem Polizeieinsatz geschehen war. Der Beamte habe lange an der Schranke gedrückt und gerissen, bis sie sich öffnete. „Wir fühlen uns hier wie im Ghetto“, sagt sie.

Einige Mieterinnen und Mieter wandten sich an Hendrikje Klein, die für die Linke im Abgeordnetenhaus sitzt und hier ihren Wahlkreis hat. „Ich habe so etwas noch nirgends gesehen“, sagt sie. „Normalerweise werden nur die Bezahlparkplätze abgesperrt, jedoch nicht auch die Straße zwischen Haus und Parkplatz.“

Lichtenbergs Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) entgegnet, die Deutsche Wohnen könne mit ihrer Erschließungsstraße machen, was sie möchte. Denn diese reicht nur an ihr Eigentum heran, nicht an das anderer. So sieht es auch der Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein, Reiner Wild: Dass in einer Stadt Geld für Parkplätze genommen wird, sei vollkommen normal, Mieter müssten damit rechnen. Es gebe auch keinen rechtlichen Anspruch, bis vor die Haustür fahren zu können oder etwas dorthin geliefert zu bekommen – auch keine Medikamente. Monteiro arbeitet derzeit daran, einen Kooperationsvertrag zwischen dem Bezirk und Deutsche Wohnen abzuschließen. Es geht darin auch um transparentere Informationen für die Mieter. Zudem solle das mit der Schranke überdacht werden. „Ziel muss es sein, dass alle Mieter sowie Pflege- und Lieferdienste bis vor die Haustür fahren können.“

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