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Um die Entlassung von Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen entfachte ein politischer Streit.

© Paul Zinken/dpa

Berlin-Hohenschönhausen: Gedenkstätten-Mitarbeiter: Knabes Abberufung war notwendig

Der politische Streit um die Entlassung von Hubertus Knabe als Chef der Stasiopfer-Gedenkstätte wird schärfer. Nun stellen sich Mitarbeiter hinter die Entscheidung.

Mitarbeiter der Stasiopfer-Gedenkstätte haben sich in einer Erklärung hinter die Entscheidung des Stiftungsrats gestellt, den bisherigen Direktor und Vorstand Hubertus Knabe abzuberufen. „Wir halten diesen Schritt angesichts der Sachlage für notwendig“, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben. Es ist bislang unterzeichnet von drei Mitarbeitern, SED-Opfer und Referenten, die in der Gedenkstätte Besuchergruppen betreuen.

Der vorläufige Entwurf ist nach einem Treffen am Dienstag verfasst worden und soll nun von weiteren freien Mitarbeitern, Zeitzeugen und Historikern unterzeichnet werden. Die Verfasser widersprechen Kritikern, die in der Entlassung „eine angeblich von langer Hand eingefädelte Intrige erkennen“. Knabe sei nicht von anderen, „sondern ausschließlich durch sich selbst“ zu Fall gebracht worden. Aufgelistet wird eine Reihe von Gründen.

Demnach sei Knabe gefallen „durch sein jahrelanges Agieren und Unterlassen, durch Wegsehen und Mittun, durch seinen selbstherrlichen Führungsstil und das von ihm zu verantwortende Klima der Angst und Einschüchterung, und nicht zuletzt auch durch seine Unfähigkeit, die Gedenkstättenarbeit auf der Höhe wissenschaftlicher Standards inhaltlich weiterzuentwickeln“.

Die Unterzeichner sprechen in ihrem Brief auch von Hochachtung und Respekt gegenüber jenen Frauen, die „die bis ins Jahr 2010 zurückgehenden Übergriffe“ bekannt gemacht haben. Mehrere Frauen hatten in einem Schreiben an Kultursenator Klaus Lederer (Linke) von strukturellen Sexismus und Belästigung durch Knabes Stellvertreter berichtet.

Zugleich äußern die Mitarbeiter ihr Befremden gegenüber Knabes Auftreten. Knabe war am Montag in der Gedenkstätte erschienen. Möglich war das trotz Kündigung zum 31. März und Freistellung durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin. Dort hatte Knabe erwirkt, dass er vorläufig in sein Büro zurückdarf. Dann entschied der Stiftungsrat, darunter Lederer als Vorsitzender, Dieter Dombrowski (CDU) als Vertreter der Opferverbände und eine Vertreterin von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), am Sonntag in einer Sondersitzung, Knabe sofort abzuberufen.

Wunsch für die Zukunft: ein "Kulturwandel in der Mitarbeiterführung"

Der Stiftungsrat führte dafür mehrere Gründe an: Ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis, der Eindruck, dass Knabe die Gedenkstätte wohl nach dem Prinzip "Zweckmäßigkeit vor Rechtmäßigkeit" geführt habe, aber auch die einstweilige Verfügung. Die wurde dann noch am Montag vom Landgericht auf Antrag von Lederer vorläufig wieder ausgesetzt. Knabe musste die Gedenkstätte nach wenigen Stunden wieder verlassen. Hinzu kommen die ursprünglichen Kündigungsgründe: Knabe soll durch seinen Führungsstil sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen durch seinen Stellvertreter geduldet und sogar befördert haben.

Die Gedenkstättenreferenten kritisieren in ihrem Schreiben, dass Knabe zwar Gerichtsentscheide für sich in Anspruch nehmen, aber Entscheidungen des Stiftungsrates ignoriere. Das füge dem Ansehen des Orts „weiteren schweren Schaden“ zu. Für die Zukunft wünschen sich die Unterzeichner einen „Kulturwandel in der Mitarbeiterführung, eine substanzielle Anerkennung und Wertschätzung der Leistung“ jedes Einzelnen, eine „wissenschaftliche Weiterentwicklung der Gedenkstättenarbeit“ und die Mitwirkung der Zeitzeugen und Historikern. Vor allem wünschen sich die Verfasser „eine pluralistische Gedenkstätte, in der unterschiedliche Herangehensweisen Raum haben und nicht der Standpunkt des Vorstands als unantastbar gilt“.

„Die Berliner Gericht entscheiden in richterlicher Unabhängigkeit“

Zuletzt hatte der Streit um Knabes Entlassung an Schärfe gewonnen. Arnold Vaatz, des Vizechef der Unionsbundestagsfraktion, hat schwere Vorwürfe gegen Kultursenator und Stiftungsratschef Lederer, Kulturstaatsministerin Grütters und Dieter Dombrowski, der als Vertreter der Opferverbände im Stiftungsrat sitzt, erhoben. Lederer habe sich „schwerer Rechtsverstöße schuldig gemacht“. Es gebe „eindeutige Indizien" für eine „nahezu kriminelle Energie“, mit der Knabes Ablösung geplant worden sei.

Der „inszenierte Enthauptungsschlag gegen die Gedenkstätte“ diene der Linkspartei dazu, das Gedenken an die SED-Diktatur weichzuspülen, befand Vaatz.  Weil die Repräsentanten der früheren SED-Diktatur Knabe hassten, sei klar, dass Knabe mit politischem Druck und durch die „Instrumentalisierung anonymer Vorwürfe“ aus dem Amt entfernt worden sei. Und Grütters und Dombrowski hätten an dieser „politischen Intrige zur Gleichschaltung der Gedenkstätte“ mitgewirkt. Vaatz warf Lederer auch vor, das Landgericht, das Knabes Verfügung wieder ausgesetzt hat, politisch unter Druck gesetzt zu haben.

Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin, die dem Intrigenverdacht mehrfach widersprochen hatte, sagte: „Wie teilen die Vorwürfe nicht. Wir können sie auch nicht nachvollziehen.“ Lederer sagte, der Vorwurf, er habe das Landgericht unter Druck gesetzt, "disqualifiziert diejenigen, die diese Vorwürfe erheben, aufs Gründlichste". Ein Sprecher von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte: „Die Berliner Gericht entscheiden in richterlicher Unabhängigkeit.“

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