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Beliebtes Beispiel für eine statistische Scheinkorrelation: In Regionen, in denen Störche nisten (hier 2018 in Sieversdorf, Kreis Oder-Spree), ist in der Regel auch die Geburtenrate höher als in der Stadt. Bringt also der Storch die Babys?

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"Berlin hat Konjunktur": Über Störche und einen Passagierrekord am Flughafen Tegel

In unserer werktäglichen Kolumne aus der Berliner Wirtschaft geht es heute um zwei Nachrichten der amtlichen Statistik. Sind sie Vorboten eines Abschwungs?

Das Statistische Landesamt hat am Donnerstag zwei Meldungen verbreitet, die auf den ersten Blick gut zusammenpassen: „Weniger Aufträge für die Berliner Industrie“ (hier zur Meldung als PDF-Download) lautet die eine; „Deutlich mehr Passagiere am Flughafen Berlin-Tegel“ (PDF hier) die andere. Gibt’s weniger zu tun, fliegen mehr Leute in den Urlaub, könnte man also meinen.

Statistiker sprechen hier von einer Scheinkorrelation. Beliebtes Beispiel: In Regionen, in denen Störche leben, werden tatsächlich mehr Babys geboren. Beweist das, dass der Storch die Babys bringt? Wenn man sich das Phänomen genauer anschaut, wird man vielleicht noch andere Erklärungen für diesen Zusammenhang finden. So wirken auf dem Land zum Beispiel günstiger Wohnraum und die besseren Betreuungsmöglichkeiten wohl als motivierende Faktoren bei der Familienplanung.

Kurzum: Die Meldungen zu Industrieaufträgen und Reisenden haben nichts miteinander zu tun, zumal sie sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen. Und doch sind sie Symptome einer drohenden Konjunkturdelle der lokalen Wirtschaft.

Lange Schlangen am Flughafen Berlin-Tegel am ersten Tage der Sommerferien (20. Juni 2019): Allein im ersten Quartal bewegten sich in TXL ein Drittel mehr Passagiere als im Vorjahr.
Lange Schlangen am Flughafen Berlin-Tegel am ersten Tage der Sommerferien (20. Juni 2019): Allein im ersten Quartal bewegten sich in TXL ein Drittel mehr Passagiere als im Vorjahr.

© Christoph Soeder/dpa

Machen wir das Problem nicht größer, als es ist: Bei den Industrieaufträgen geht es ja nur um Zahlen für den Monat April. Aber man kann sie so lesen, dass sich Berlins Industrie zunehmend von den weltweiten Krisen anstecken lässt. So setzten die 330 Industriebetriebe mit 50 und mehr Beschäftigten 1,9 Milliarden Euro um, das waren 1,6 Prozent weniger als im April 2018. Diese Zahl wirkt nur so wenig dramatisch, weil die Umsätze der Firmen im Inland in dem Monat sogar zulegten. Die Umsätze mit Auftraggebern aus dem Ausland hingegen gingen mit 4,7 Prozent sehr deutlich zurück – auf 1,1 Milliarden Euro. In den Vormonaten waren sie jeweils noch stark gewachsen.

In Brandenburg, wo die Unternehmen deutlich weniger mit der Weltwirtschaft vernetzt sind, zeigt sich die Lage übrigens genau umgekehrt: Die 447 märkischen Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten setzten im April robuste 6,0 Prozent mehr um als im Vorjahresmonat: 2,1 Milliarden Euro in der Summe. Hier schwächelte hingegen das Inlandsgeschäft. Aber der Export legte um sensationelle 23,4 Prozent zu.

Beim Luftverkehr würde man unter normalen Umständen eine steigende Zahl von Flugreisenden als positiven Konjunkturindikator deuten: Mehr Reisende, mehr Luftfracht – das spricht für eine allgemein steigende Kauflaune. Von Januar bis März wurden an den Flughäfen zusammen 7,9 Millionen Fluggäste befördert, das waren 16 Prozent mehr als im ersten Quartal 2018. Die Flughafengesellschaft hat online noch jüngere Zahlen, die den Trend bestätigen.

Mitarbeiter der Siemens-Dynamowerks in Berlin. Im April 2019 verkauften Berliner Industrieexporteure deutlich weniger in Ausland als im Vorjahresmonat.
Mitarbeiter der Siemens-Dynamowerks in Berlin. Im April 2019 verkauften Berliner Industrieexporteure deutlich weniger in Ausland als im Vorjahresmonat.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Aber auch hier stellt man beim Blick ins Kleingedruckte eine ungesunde Entwicklung fest: So explodierte die Fluggastzahl am bereits überlasteten Standort Tegel um fast ein Drittel (32,5 Prozent). Der nächste Kollaps ist – gerade zum Start in die Ferien – wohl programmiert. In Schönefeld, wo noch „Luft nach oben“ ist, hoben derweil 200 000 Passagiere (7,1 Prozent) weniger ab.

Sobald in SXF die ersten Storchenpaare nisten, geben wir Bescheid.

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