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Der Georgen-Parochial-Friedhof an der Boxhagener Straße.

© Privat

Berlin-Friedrichshain: Vandalismus auf dem Friedhof: Von wegen Totenruhe

Ein verschwundener Engel, herausgerissene Blumen - weil auf einem Friedrichshainer Friedhof nachts nicht abgeschlossen wird, will eine Witwe jetzt Wache halten.

Es ist der Albtraum aller Hinterbliebenen: Herausgerissene Blumen, gestohlener Grabschmuck, zertrampelte Gräber – auf einem Friedrichshainer Friedhof gibt es immer wieder Vandalismus. Eine Witwe findet die Lage so unerträglich, dass sie nun Wache halten will.

Als der holländische Publizist Antoine Verbij im vorigen Oktober starb, war Annemieke Hendriks froh, dass sie ihren Mann auf dem Georgen-Parochial-Friedhof an der Boxhagener Straße beisetzen konnte. „Ich dachte, das wäre ein schöner, ruhiger Friedhof“, sagt sie und erzählt, dass sie jeden zweiten Tag das Grab besucht. Eines Wintermorgens war jedoch plötzlich ein Stein-Engel verschwunden. Vor drei Wochen wurden dann viele Narzissen herausgerissen. Seitdem geht die Witwe nur noch ungern auf den Friedhof. „Ich finde dort keine Ruhe mehr, sondern habe ständig Angst“, sagt sie. Im Gespräch mit einem Mitarbeiter erfährt sie, dass dies immer wieder vorkomme, seit es keinen nächtlichen Wachdienst mehr gebe. „Das habe ich erst nicht geglaubt, weil am Eingang ein Schild der Sicherheitsfirma hing, die den Friedhof bewachen soll“, sagt Hendriks. Auf Anfrage des Tagesspiegels bestätigt ein Mitarbeiter dieser Sicherheitsfirma aber, dass man seit „bestimmt zwei Jahren“ nicht mehr verantwortlich sei.

Annemieke Hendriks ist freie Publizistin in Berlin.
Annemieke Hendriks ist freie Publizistin in Berlin.

© David Ausserhofer/ Promo

Annemieke Hendriks ärgert das. „Es wäre so einfach, dieses Gelände abzusperren. Ein altes Schloss hängt sogar noch am Tor.“ Sie beschließt, die Friedhofsverwaltung zu kontaktieren. „Ich habe 30 bis 40 Mal angerufen, aber nie ging jemand ans Telefon.“ Schließlich sei sie vor zehn Tagen direkt zur Verwaltung gefahren und habe um Aufklärung und ein Gespräch mit den Verantwortlichen gebeten. „Da wurde ich als Lügnerin beschimpft und dass man mich wegen Verleumdung anzeigen wolle“, erinnert sich Hendriks. Immerhin, inzwischen wurde ihr ein Gespräch für den heutigen Freitag angeboten.

Die Friedhofsverwaltung möchte sich am Donnerstag nicht im Detail zu den Vorwürfen äußern. Man prüfe aber den Fall und hoffe, dass man im Gespräch eine Lösung mit Frau Hendriks finde. Eine Mitarbeiterin betont, es sei wichtig, dass man solche Vorfälle melde und Anzeige erstatte. Nach Angaben der Polizei gibt es Anzeigen wegen Sachbeschädigung, etwa durch Graffiti an den Friedhofsmauern, und schweren Diebstahls. Nachdem es außerdem vor wenigen Tagen zu Belästigungen auf dem Friedhof gekommen sein soll, intensiviert die Polizei ihre Präsenz vor Ort.

Erst vor zwei Wochen wurden Urnen geklaut

Probleme mit Grabschändern gibt es immer wieder in Berlin. Erst vor zwei Wochen waren in Wedding mehrere Urnen aus einem Kolumbarium geklaut worden. Die Asche der Verstorbenen ließen sie zurück. In einem Kolumbarium werden in einer Halle in kleinen Nischen die Urnen der Verstorbenen aufbewahrt. Damals ermittelte die Polizei wegen Diebstahls und Störung der Totenruhe und vermutete, dass die Diebe es auf das Metall der Urnen abgesehen hatten. In Friedrichshain scheint es sich aber nicht um Grabraub zu handeln, sondern um Vandalismus.

Die Aussagen von Annemieke Hendriks scheinen dies zu bestätigen. Sie findet immer wieder Weinflaschen um die Gräber und sieht und Fußspuren auf den Gräbern. Sie vermutet, dass Junkies und Betrunkene vom Boxhagener Platz den dunklen und ruhigen Friedhof als Rückzugsort benutzen. Inzwischen ist das Gelände in der Boxhagener Straße sogar Thema der Bezirkspolitik geworden. Peggy Hochstätter von der SPD-Fraktion stellte am Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eine mündliche Anfrage an das Bezirksamt wegen „wiederholter Grabschändung, Störung der Totenruhe und Diebstahl auf dem Georgen-Parochial-Friedhof“. Darin erkundigt sie sich, weshalb das Bezirksamt nicht auf die Vorwürfe reagiert habe und sich nicht mit den Beteiligten in Verbindung gesetzt habe. Aus Zeitmangel in der BVV wird Hochstätters Anfrage jedoch erst in den kommenden Tagen schriftlich beantwortet.

Annemieke Hendriks will sich aber nicht auf die Politik oder das Gespräch mit der Friedhofsverwaltung verlassen. Sie hat im Kiez Handzettel verteilt und will am Samstagabend mit Freunden den Friedhof mit einem holländischen Bügelschloss absperren – so wie es ihr Mann immer mit seinem Fahrrad gemacht hat. „Das soll eine symbolische Aktion in der Walpurgisnacht sein, also der Nacht, in der die Hexen auf Gräbern tanzen“, sagt sie. Ob sie wirklich aktiv werden muss, ist noch nicht sicher. „Am Wochenende werden wir den Friedhof auf jeden Fall abschließen“, heißt es aus der Friedhofsverwaltung. Hendriks ist das egal: „Ich werde trotzdem kommen und eine Garantie einfordern, dass dort wieder regelmäßig abgesperrt wird. So kann das nicht bleiben.“

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