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Himmel über Berlin von einer Dachterrasse in Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin First!: So sähe Berlin ohne Touristen wirklich aus

Aktivisten besetzen leere Airbnb-Wohnungen und Horst Seehofer fühlt sich heimisch. Eine kleine Fantasie.

Die Linke sorgt mal wieder für Furore. Zunächst war es nur ein Vorstoß der stadtentwicklungs- und tourismuspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg. Sie forderte, kein Steuergeld mehr dafür aufzuwenden Touristen in die Stadt zu locken. Doch der Traum vom Berlin ohne Touris keimte auf und der Senat beschloss einen Deckel draufzusetzen. Auf einer Pressekonferenz verkündet Michael Müller ein striktes Einreiseverbot für Touristen. Auf Nachfrage einer Journalistin erklärt er: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“

Schnell leert sich die Stadt. Unbenutzte Elektrotretroller werden von entspannten Radfahrern umkurvt, die öffentlichen Verkehrsmittel bieten Sitzgelegenheiten für jeden Passagier. Die M10 und U8 sind befreit von Uringeruch und partywütigen Stadtbesucher. Nach dem restlosen Beseitigen von Glasscherben und Erbrochenem durch die Stadtreinigung, gleicht auch die Warschauer Straße einem Kurort. Familien und Rentner spazieren entlang der Spree und genießen die letzten Sonnenstrahlen im beruhigten Kiez.

Zur gleichen Zeit versuchen Andere dringend benötigten Wohnraum zurückzuerobern. Berlinweit beginnen Aktivisten Airbnb-Wohnungen zu besetzen. „Weggegangen Platz gefangen“, verkünden von Balkonen hängende Banner. Der Heimatminister Horst Seehofer (CSU) plädiert umgehend für Solidarität mit den Besetzern, auch ihn habe der Ansturm Preußischer Touristen ins Bayerische Altmühltal immer gestört. Der Wert seines Ferienhauses sei deswegen sogar kurzzeitig in einen sechsstelligen Bereich gerutscht.

Doch während sich Tempelhofer Feld und Mauerpark in gemütliche Sonntagsdomizile verwandeln, kommt erster Widerstand auf. Berliner Bierbike-Vermieter und Coworking-Space-Besitzer gehen gemeinsam auf die Straße: Dreißig Junggesellenabschiede hätte man absagen müssen, klagt eine der Demonstrantinnen, die würden jetzt natürlich alle in Hamburg auf der Reeperbahn feiern.

Der Hamburger Oberbürgermeister wendet sich wenige Tage später in einem offenen Brief an den Berliner Senat. Hamburgs Kapazitäten seien erschöpft, der Ansturm einfach zu groß. Noch bevor der Senat Stellung beziehen kann, prescht Heimatminister Seehofer vor. Auf einer öffentlichen Kundgebung plädiert er für die Beibehaltung des Tourismusverbots. Berlin habe eine wundervolle Entwicklung durchgemacht, wirke aufgeräumter, sauberer und ruhiger. „Es ist ein bisschen wie in München!“, schwärmt Seehofer.

Einstimmig beschließt der Senat daraufhin das Budget für Tourismusmarketing wiedereinzuführen und hebt den Einreisestopp auf. Man habe sich da in etwas verrannt, heißt es aus Kreisen der Linken. Der erste Mai, so die Hoffnung, werde schon wieder alles richten.

Leonhard Rosenauer

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