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Kaffeebohnen liegen auf einem Tisch.

© dpa

Berlin Coffee Festival: „Kaffee ist eine wahnsinnig spannende Welt“

Kaffee-Freunde treffen sich gerade auf dem Coffee Festival. Neben dem Genuss, spielen auch Produktionsbedingungen und fairer Handel eine wichtige Rolle.

„Man muss kein Hipster sein, um Kaffee zu lieben“, sagt Ralf Rüller, einer der Vorreiter der Berliner Kaffeefeinschmeckerszene. Zum Auftakt des Berlin Coffee Festivals am Dienstag hatte Rüller zur Verkostung in die jüngste Filiale seiner Kette am Potsdamer Platz geladen. 2010 hatte er sein erstes Café in Mitte eröffnet, inzwischen gibt es „The Barn“ acht Mal in der Hauptstadt. Die berühmteste Filiale ist sicher das neue Café Kranzler.

Heute wird ein Coffee Flight serviert. Das sind ein Espresso, ein Filterkaffee und ein Flat White. Letzterer kommt ursprünglich aus Australien und ähnelt dem Cappuccino. Der Rohkaffee stammt aus Costa Rica und wurde speziell für das Festival geröstet.

Seit fünf Jahren bringt das Coffee Festival Berlin die Szene zusammen. Dem Veranstalter Philipp Reichel ist es aber auch wichtig, nicht nur eingefleischte Kaffeefreunde anzusprechen, sondern ein breites Publikum.

Bereits seit Dienstag gibt es dezentrale Veranstaltungen im ganzen Stadtgebiet. „Viele Röstereien und Cafés nutzen das Festival, um sich in einer Art Tag der offenen Tür vorzustellen“, sagt Reichel. Es gibt Workshops, Lesungen und Verkostungen. „Wir wollen zeigen, wie viel Arbeit die Röster in ihr Produkt stecken“, sagt Reichel. „Jede Rösterei hat ein persönliches Geschmacksbild und einen eigenen Stil.“

Kaffee-Produzenten leiden unter niedrigen Verkaufspreisen

Doch wichtig sei auch Transparenz und Nachhaltigkeit. „Die Rohkaffee-Preise sind im Keller, der Anbau lohnt sich kaum noch“, sagt Reichel. Die Verkaufspreise für gerösteten Kaffee seien viel zu niedrig, darunter würden vor allem die Produzenten leiden. Viele müssten umsatteln auf andere Produkte. „Im schlimmsten Fall bauen sie dann Drogen an.“

Gerrit Peters von 19 grams im Schulungszentrum.
Gerrit Peters von 19 grams im Schulungszentrum.

© Christoph M. Kluge

Die großen Unternehmen würden das ignorieren, klagt Reichel. Spezialitäten-Röstereien zahlten einen besseren Preis. Garantierte Abnahmemengen würden den Farmern Sicherheit geben. Doch Spezialitätenkaffee habe einen geringen Marktanteil. Der liege in Deutschland bei etwa zwei Prozent, schätzt er.

Schnupperkurse bei 19grams

Wer mehr über Kaffee lernen möchte, kann Workshops zum Thema besuchen. Zum Beispiel bei der Rösterei 19grams, die in ihrer Filiale nahe des Alexanderplatzes sogar ein Schulungszentrum eingerichtet hat. Interessierte Verbraucher können dort Schnupperkurse belegen, wo sie zum Beispiel lernen, wie man Espresso und Filterkaffee richtig mahlt und zubereitet.

Berlin Coffee Festival Veranstalter Philipp Reichel in seinem Kaffee 9 in der Markthalle Kreuzberg.
Berlin Coffee Festival Veranstalter Philipp Reichel in seinem Kaffee 9 in der Markthalle Kreuzberg.

© Christoph M. Kluge

„Das Equipment dafür ist gar nicht teuer“, sagt Mitinhaber Gerrit Peters. „Man muss nur wissen, wie es geht.“ In Theorieseminaren wird zudem Grundlagenwissen zur Pflanze und zum Anbau vermittelt. Fortgeschrittene können sich zum Q-Grader weiterbilden lassen. Das ist ein professioneller Kaffeetester, so ähnlich wie ein Weinsommelier.

„Kaffee ist eine wahnsinnig spannende Welt“, sagt Peters. Das Produkt biete einen enormen Reichtum an Geschmacksrichtungen. Das würden immer mehr Berliner zu schätzen wissen. In den Cafés könne man zum Beispiel immer häufiger ältere Herrschaften beobachten, „die ihre Reise durch Wein, Zigarren, Schokolade und Käse schon abgeschlossen haben und sich nun für das Genussmittel Kaffee interessierten“, sagt Peters.

Im Büro ist guter Kaffee wichtig

19grams besteht bereits seit 2002, hat heute vier Standorte und etwa vier Dutzend Mitarbeiter. Ein wichtiges Standbein des Unternehmens sei der Geschäftskundenbereich. Das seien zum einen Gastronomen, die ihren Gästen etwas Besonderes bieten möchten. Aber auch Büros: 19gram beliefere unter anderem die Berliner Zentrale von Facebook. Guter Kaffee könne den Angestellten im Unternehmen ein gutes Gefühl geben, sagt Peters. Man arbeite schließlich nicht nur fürs Geld.

Auch die Kreuzberger Rösterei Five Elephant beliefert Firmenkunden. Der Specialty Coffee wird zum Beispiel im Coworking-Space WeWork getrunken oder in den Büros des Sportartikelherstellers Nike. Die Kunden beliefert das Unternehmen mit einem umweltfreundlichen Elektro-Transporter. Die Gründer Sophie und Kris Schackman legen großen Wert auf langfristige und tiefgehende Geschäftsbeziehungen zu den Farmern in Südamerika und Afrika.

„Wir vermitteln unseren Partnern auch Kontakte zu anderen Röstereien“, sagt Kris Schackman, „so können wir gemeinsam wachsen.“ Wenn die Produzenten mehrere Abnehmer hätten, sei letztlich allen geholfen. Denn die Stabilität bringe Planungssicherheit.

Intransparenz bei Fairtrade-Siegeln

Direct Trade ist nicht zu verwechseln mit Fairtrade. Bei Letzterem überwacht eine große Organisation wie TransFair die Einhaltung bestimmter Kriterien. Zum Beispiel muss der Einkäufer den Produzenten einen Mindestpreis zahlen, der über dem Weltmarktpreis liegt. Fairtrade-Kaffee ist an einem Siegel auf der Packung zu erkennen. Allerdings ist der Begriff „fair“ – im Gegensatz zu „bio“ – nicht rechtlich geschützt. Das hat zur Folge, dass es inzwischen sehr viele verschiedene Siegel gibt, teilweise mit fragwürdigen Standards. Die Glaubwürdigkeit leidet. Deshalb verzichten die meisten Spezialitäten-Röstereien ganz auf die Zertifizierung. Sie setzen auf Transparenz und das Vertrauen ihrer Kunden.

Im Gegensatz dazu nutzt die Kaffee-Kooperative.de aus Neukölln das bekannte Fairtrade Siegel. „Wir gehen aber darüber hinaus, denn unser Kaffee wird nicht in Deutschland geröstet, sondern im Ursprungsland Ruanda. Das bedeutet mehr Wertschöpfung in Afrika“, sagt Mitbegründer Xaver Kitzinger. Am Coffee Festival nimmt die Kooperative nicht teil. Doch auch in ihrem Neuköllner Büro wird über neue Methoden nachgedacht.

„Viele Leute kennen Fairtrade, aber kaum jemand weiß, wie viel Geld bei den Bauern hängen bleibt“, sagt Claudia Schonter, die eine Software auf Basis der Blockchain-Technologie entwickelt, um mehr Transparenz zu schaffen. Der Kunde werde die gesamte Produktionskette sehen und erfahren, wer wie viel verdiene. So könne fairer Handel in Zukunft ohne zentrale Kontrolle durch eine große Organisation auskommen, hoffen Schonter und Kitzinger.

Die Stadt soll Vorbild werden

Seit die Hauptstadt 2018 den Titel „Fairtrade-Stadt“ verliehen bekommen hat, sind die Verwaltungen angehalten, Produkte aus fairem Handel zu verwenden. In der Praxis funktioniere das aber noch nicht so ganz, kritisiert Juliane Kühnrich von der Kampagne „Fairgabe“. „Einige Bezirks- und Senatsverwaltungen kaufen fair gehandelten Kaffee für ihren eigenen Bedarf“, sagt Kühnrich. Den gebe es zum Beispiel in der Kantine vom Abgeordnetenhaus.

Auch wichtigen Besuchern werde Fairtrade-Bio-Kaffee angeboten. Die Mitarbeiter seien jedoch in der Regel selbst für den Kauf ihres Kaffees zuständig. „Einige landeseigene Betriebe wie die BVG oder die Wasserbetriebe haben entweder Automaten, die mit Fairtrade-Kaffee bestückt sind oder sie bieten ihn in ihren Kantinen an.“ Jedoch gäbe es bisher keine Untersuchung und keinen Vergabebericht zum Thema.

Was wird nach dem Genuss eigentlich aus dem Kaffeesatz? Das junge Berliner Unternehmen Kaffeeform hat dafür eine clevere Idee. Das Material wird gesammelt und gepresst. Das Ergebnis ist ein stabiler Werkstoff. Aus dem stellt Kaffeeform passenderweise Tassen und Kaffeebecher her. Die Behältnisse kommen auch auf dem Coffee Festival zum Einsatz. Perspektivisch möchte Gründer Julian Lechner auch andere Produkte daraus herstellen, zum Beispiel Skateboards. Als Rohmaterial verwendet Kaffeform den Kaffeesatz von WeWork. Das sind immerhin 30 Kilogramm täglich. So wird der direkt gehandelte Kaffee, den Five Elephants geröstet hat, am Ende zu neuen Tassen verarbeitet. Ein Kreis schließt sich.

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