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Neues Zuhause gesucht. Für Flüchtlinge ist es oft schwierig, in Deutschland so richtig anzukommen.

© picture alliance /dpa/Britta Pedersen

Berlin: Bezirksamt nennt Wohnungsvermietung an Flüchtlinge "Zweckentfremdung"

Ralf F. wollte eine Wohnung an ein geflüchtetes Ehepaar vermieten. Das Wohnungsamt von Tempelhof-Schöneberg hatte etwas dagegen und blieb beim Nein.

Als Ralf F. die Mail vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg bekam, wollte er es erstmal nicht glauben. Das Amt untersagte ihm, eine bisher als Ferienwohnung genutzte Wohnung an ein geflohenes Paar aus dem Iran zu vermieten, obwohl schon alles bestens geregelt war: Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten war einverstanden, es hatte ihm schriftlich zugesichert, die ortsüblichen Mietkosten zu übernehmen. Ein Mietvertrag zwischen ihm und den Iranern war unterschriftsreif. Dennoch wollte die Fachabteilung Wohnen des Bezirks den Einzug der Flüchtlinge verhindern. Ihr Argument: Es handele sich um eine Wohnraumzweckentfremdung. Nach vielfachem Hin und Her gab Ralf F. „entnervt“ auf, er überließ die Wohnung einem anderen Mieter. Das Paar aus dem Iran lebt seither provisorisch bei Freunden.

Die Berliner FDP erfuhr Mitte Januar von dem Streitfall, ihre Vertreter in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg wollten daraufhin wissen, wie ihr Bezirk die Vermietung ehemaliger Ferienwohnungen an Flüchtlinge beurteile. Es stellte sich heraus: In Friedrichshain-Kreuzberg hätte Ralf F. sein Appartement den Iranern problemlos überlassen können. Wieso diese unterschiedlichen Einschätzungen?

Eigentlich sollen Notunterkünfte entlastet werden

Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg war in die Vergabe der Wohnung einbezogen, weil Ralf F. seine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung bis Ende April 2016 als Ferienwohnung angeboten hatte. Danach trat das gesetzliche Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum in Berlin endgültig in Kraft. Als Ferienwohnung darf Ralf F. sein Appartement seither nicht mehr vergeben, die weiteren Vermietungen musste der Bezirk genehmigen. Zuerst nahm F. einen Dauermieter auf, der aber im vergangenen Dezember wieder auszog. Danach inserierte er die Wohnung, es bewarb sich das iranische Paar aus einer Notunterkunft, begleitet von einer Flüchtlingshelferin.

Ralf F.: „Die Zwei wirkten depressiv, ihre Helferin erzählte, es gehe ihnen schlecht, die Frau werde in der Unterkunft ständig angemacht.“ Also beschloss er, sie zu unterstützen. Zusammen mit der Helferin organisierte F. über Weihnachten die Vereinbarungen mit der Flüchtlingsbehörde. Er bot die Wohnung für 18 Monate mit Verlängerungsoption an. Das Team des Amtes war „entgegenkommend“, sagt er. Schließlich sucht das Land dringend Mietwohnungen, die es an Flüchtlinge vermitteln kann, um die beengten Notunterkünfte zu räumen. Die Containerdörfer reichen als Alternative nicht aus, um alle Asylsuchenden unterzubringen.

"Not"-Unterbringungen sind nicht gestattet

Wir haben gerade begonnen, die Vermittlung in Mietwohnungen zu forcieren“, bestätigt der Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, Sascha Langenbach. Und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bot schon im Jahr 2016 allen Besitzern bisheriger Ferienwohnungen an, ihnen als Ersatz für die bisherige Vergabe an Touristen „bei der Vermietung an geflüchtete Menschen zu helfen“.

Das Wohnungsamt von Tempelhof- Schöneberg begründet dagegen seine Ablehnung mit dem „öffentlichen Interesse an der Bewahrung bzw. Rückführung von Wohnraum“, wie es das Berliner Zweckentfremdungsgesetz vorsehe. Der Gesetzgeber verlange eine dauerhafte Wohnungsüberlassung und Häuslichkeit, also keine „vorübergehende Notunterbringung“ – beispielsweise für 18 Monate. Um dies zu belegen, führt der Bezirk ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 16. März 2016 an und zitiert daraus den folgenden Satz: „Die Unterbringung von Flüchtlingen auf der Grundlage von zeitlich befristeten Kostenübernahmebescheinigungen ist ihrem Sinn und Zweck nach eine vorübergehende ,Not’-Unterbringung und mithin nicht als dauerhafte Wohnungsüberlassung anzusehen.“

Bezirksamts-Entscheidung basiert auf anderer Ausgangslage

Was der Bezirk allerdings unerwähnt lässt: Die im Urteil gerügte „befristete Kostenübernahme“ bezieht sich auf eine ganz andere Wohnungsvergabe als im Schöneberger Streitfall. Bevor es zu dem betreffenden Eilverfahren kam, hatte der Bezirk Mitte die missbräuchliche Art und Weise kritisiert, wie eine früheres Zwei-Zimmer-Ferienappartement in Mitte an Asylsuchende vermietet wurde. Er drohte dem Eigentümer ein Zwangsgeld an, falls er es nicht wieder „Wohnzwecken“ zuführe. Wie es im Urteil heißt, wurde die Wohnung zu Tagessätzen drei Wochen bis zu drei Monate lang jeweils unterschiedlichen Personen oder Gruppen überlassen, und zwar auf der Basis von Kostenübernahmebescheinigungen des Flüchtlingsamtes, wie sie für Hostels oder Pensionen üblich sind. In der Adresszeile habe zumeist lediglich „Hostel/Pension“ gestanden.

Mit dem gerichtlich abgesegneten Bußgeld wollte der Bezirk Mitte diese Art der Abzocke zu oft überhöhten Mietpreisen verhindern. Denn manche Besitzer früherer Ferienwohnungen versuchen, derart wieder Kasse zu machen. Dagegen gehen inzwischen alle Bezirke vor. Kleine Wohnungen würden mit zehn Leuten überbelegt, sagt Knut Mildner-Spindler, Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Zugleich betont er aber in seiner Antwort auf die FDP-Anfrage zur Wohnungsvergabe an Flüchtlinge, der Beschluss des Verwaltungsgerichts beziehe sich lediglich auf die Unterbringung nach Tagessätzen. Nur diese sei keine dauerhafte Wohnnutzung. Wenn eine Kostenübernahme und ein „ordentlicher Mietvertrag“ vorlägen, sei alles in Ordnung. So sieht es auch das Amt für Flüchtlingsangelegenheiten.

"Unmenschlicher Akt"

Damit konfrontiert, lenkt die zuständige Stadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Christiane Heiß (Grüne), ein wenig ein. Der Streit sei ja nur eskaliert, weil F. keinen Mietvertrag mit den Iranern vorgelegt habe. Andernfalls wäre die Vermietung „wohl durchgegangen“. Doch in den ablehnenden Mails des Bezirks spielte der Vertrag gar keine Rolle. Dass es ihn gab, war ohnehin klar: Das Flüchtlingsamt übernimmt die Kosten bei regulären Vermietungen nur bei Vorlage eines Vertrags.

Um sein „Nein“ zu bestärken, schrieb der Bezirk zudem Anfang Januar an F., nur eine Vermietung an Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus sei keine Zweckentfremdung. Nur diese Personen seien nicht mehr verpflichtet, in einer Gemeinschafts- oder Notunterkunft zu wohnen. „Stimmt nicht“, kontern Flüchtlingsamt und Mieterschutzverein. Ob das Mietverhältnis befristet oder unbefristet ist, sei irrelevant. Und: Auch nur geduldete Flüchtlinge hätten Anspruch auf ein gemietetes Zuhause. Es dürfe nur keine Abrechnung nach Tagessätzen erfolgen. Das iranische Paar hatte dem Vernehmen nach Chancen auf eine Aufenthaltserlaubnis.

Ralf F. hat seinen Kontrahenten im Bezirk mitgeteilt, er bedaure ihren „unmenschlichen Akt“. Seinen vollen Namen will er nicht genannt haben. Nachdem er über den Konflikt getwittert hatte, beschimpften ihn Rechtsextreme. Nun hofft er, „dass den Iranern bald eine gute Wohnung angeboten wird“. Und das Flüchtlingsamt wirbt für sein Beratungsangebot: „In Problemfällen helfen wir gerne weiter.“

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