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Berlin Alexanderplatz. Der alte Masterplan von Hans Kollhoff wurde oft missverstanden: Nur den Standort der Bauten und ihr Volumen gibt er vor. Über die Architektur – die Simulation zeigt einen klassisch modernen Baustil – entscheiden Wettbewerbe.

© Simulation: Büro Kleihues

Berlin Alexanderplatz: „Amtliche Verwahrlosung“ – „eine einzige Zumutung“

Der Unmut über die Neugestaltung des Alexanderplatzes wird immer heftiger. Stadtplaner und Architekten fordern neue Visionen und mehr urbanes Leben.

Die Kritik am neuen Alexanderplatz türmt sich immer weiter auf. „Denkverbote“ in der Berliner Stadtplanung und eine „grundsätzliche Verweigerung“, eine Debatte über zentrale Berliner Orte wie den Alexanderplatz zu führen, wirft der renommierte Planer Dieter Hoffmann-Axthelm dem Berliner Senat vor. Statt den vor 20 Jahren beschlossenen „planerischen Wahnsinn“ auszutrocknen, halte der Senat an den Bebauungsplänen fest und werde ohne eigenes Leitbild für den Ort von den Entwicklern der Türme und Blöcke vor sich hergetrieben.

Der Entwickler des ersten von zehn 150 Meter Türmen am Alexanderplatz, der US-Immobilienentwickler Hines, hatte durch die Vorlage eines neuen Bebauungsplanes eine heftige Debatte über die Gestaltung des Alexanderplatzes ausgelöst. Hans Kollhoff, der den vom Senat beschlossenen und in einem Wettbewerb ausgewählten Masterplan entwickelt, hatte vor allem die Verschiebung des Turmes aus der Mitte des Blockes an dessen nord-östlichen Rand scharf kritisiert. Auch die „Billigheimer“, wie er die bisher realisierten Neubauten wie die Kaufhäuser „Alexa“ oder die „Neue Mitte“ nennt, zerstörten den Ort.

„Die Abschottung des Platzes durch Schnellstraßen ist dessen Tod gewesen“, sagt Hoffmann-Axthelm – und fordert vom Senat den Mut, den missglückten Städtebau grundsätzlich zu korrigieren. Als „amtliche Verwahrlosung“ bewertet Hoffmann-Axthelm die Lage nördlich und südlich vom Bahnhof Alexanderplatz. Trinkgelage und Gewalt würden befördert durch die großen freien Flächen, Jonny K. war dort totgeprügelt worden. Dagegen hilft Hoffmann-Axthelm zufolge nur die „Urbanisierung“ des Ortes: Die Königsstraße, bis zum Krieg eine der wichtigsten Achsen im historischen Berlin – sie verband Alexanderplatz, Rotes Rathaus und Schlossplatz miteinander –, müsse wieder hergestellt werden.

Über den Alexanderplatz hinaus könne diese Verbindung über die Neue Königsstraße und Otto-Braun-Straße bis zur Greifswalder Straße führen. Die Häuserzeile nördlich des Platzes – die früheren TLG-Bauten – müsse durchbrochen werden, damit die neu entstehenden Quartiere nördlich davon durch die historischen Straßen wieder verbunden werden mit dem Alexanderplatz. Grundsätzliche Eingriffe seien das, die Mut verlangten, „aber darüber wird nicht mal mehr nachgedacht“, empört sich Hoffmann-Axthelm. Und weil die Kraft fehle, planerische Leitbilder zu schaffen, setzten Entwickler Baugenehmigungen nach Gutdünken durch. Dies befördere „Wildwuchs“.

„Eine einzige Zumutung“, nennt auch Architekt Jan Kleihues den Alexanderplatz – und führt das auf die misslungene städtebauliche Gestaltung zurück. Ob eine „zeitgenössische, rückwärtsgewandte oder klassisch moderne“ Architektursprache gewählt werde, sei allerdings für den Masterplan zur Gestaltung des Platzes gleichgültig. „Dafür ist auch Kollhoffs Vorschlag flexibel genug“, so Kleihues. Der Architekt rät dazu, an dem Kollhoffschen Leitbild festzuhalten, um einen Wildwuchs zu verhindern.

Für Kleihues ist nicht etwa die DDR-Architektur schuld an der Misere: „Da gibt es sehr schöne Beispiele wie das Haus des Lehrers oder die Kongresshalle.“ Ein städtisches Ensemble bildeten die auf der Freifläche abgeworfenen Solitäre jedoch nicht. Darin, nämlich dem Städtebau der Moderne, liege das Problem. Wobei in Ost und West ähnliche Fehler gemacht wurden – Bauten sind eben nicht nach einem städtischen Grundriss angeordnet, sondern frei aufgestellt worden.

Auch Kleihues meint, dass der Gebäuderiegel nördlich des Alexanderplatzes aufgebrochen werden müsse, um die anschließenden Quartiere an den Platz anzubinden. Auch das aus der DDR-Zeit erhaltene Hotel-Hochhaus wertet er nicht mehr als zeitgeschichtlichen baulichen Zeugen. „Von der ursprünglichen Fassade ist nichts geblieben“, sagt Kleihues, „das hat keine Identität mehr.“

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