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Verschiedene Sponsoren haben in den vergangenen Jahren die Kosten übernommen.

© Stephanie Pilick/dpa

Beleuchtung auf Berliner Prachtstraßen: Bleibt es Weihnachten Unter den Linden dunkel?

Bezirk und Unternehmer streiten darüber, wer die Weihnachtsbeleuchtung finanzieren soll. Anders sieht es auf dem Kurfürstendamm aus.

Zumindest eines hat der Lichtdesigner Andreas Boehlke noch nicht verloren: die Hoffnung. „Ich bin Optimist“, beteuert er. Er gehe davon aus, dass er auch in diesem Jahr Unter den Linden und in der Friedrichstraße eine Weihnachtsbeleuchtung installieren könne – so wie im vergangenen Jahr. Die Anträge beim Bezirksamt Mitte habe er schon im Mai gestellt, sagt der Unternehmer. Alle Vorbereitungen seien getroffen, das Material liege bereit. Es gebe einen Sponsor für etwa ein Viertel der Gesamtkosten. Nun komme es auf die Politik an.

Die aber lässt auf sich warten. „Derzeit finden zwischen dem Bezirksamt Mitte, der Senatswirtschaftsverwaltung und der Senatsfinanzverwaltung Abstimmungsgespräche zur Finanzierung statt“, sagt Bezirksbürgermeisters Stephan von Dassel (Grüne). Diese seien jedoch noch nicht abgeschlossen. Außerdem sei eine Beteiligung der Anrainer „wünschenswert“, sagt er.

Der Anrainerverein „Die Mitte e. V.“ wiederum sieht vor allem das Land in der Pflicht. Das Land müsse Geld in die Hand nehmen, um den Boulevards im Osten zu helfen, fordert Geschäftsstellenleiter Conrad Rausch. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Senat Steuergelder für die Festbeleuchtung im Westen der Stadt Mittel zur Verfügung stelle, der Bezirk Mitte hingegen leer ausgehen soll. Tatsächlich werden Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße auch in diesem Jahr hell erleuchtet sein, wie in den Jahren zuvor – möglich machen das unter anderem Finanzhilfen aus der Senatskasse.

2019 ist die Suche nach Rettern schwierig

Auch die Unternehmer in Mitte haben sich in der Vergangenheit um öffentliche Gelder bemüht. Vergeblich: „Uns hat man jahrelang gesagt, das sei nicht möglich“, sagt Rausch. Sein Verein habe deshalb stets einen Teil selbst finanziert und private Sponsoren geworben. 2015 und 2016 übernahm der Versorgerbetrieb Gasag die Kosten, sprang dann jedoch ab. 2017 rief deshalb der Radiosender Spreeradio seine Hörer zu Spenden auf und rettete somit das Festlicht. 2018 dann wurde die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, als Spender gewonnen. Doch dieses Jahr gestaltet sich die Suche nach Rettern schwierig. Zumal das Bezirksamt den Anrainern offenbar nicht hilft. „Mit uns steht der Bezirk in keiner Weise diesbezüglich in Kontakt“, teilt Conrad Rausch mit.

Dass im Westen der Stadt die Festbeleuchtung gesichert ist, liegt nicht zuletzt daran, dass Politik und Anrainer dort an einem Strang ziehen. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken“, sagt Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) mit Blick auf die Champs-Élysées in Paris oder die Londoner Oxford Street. Die Festbeleuchtung locke Touristen nach Berlin, sagt er, davon profitiere die ganze Stadt. Allerdings war auch hier bis vor Kurzem keineswegs sicher, ob die Finanzierung zustande kommt, denn auch am Kurfürstendamm hängt die Beleuchtung vom Wohlwollen der Sponsoren ab.

In den letzten 15 Jahren war die Wall AG für alle Kosten aufgekommen. Als Gegenleistung hatte die Außenwerbungsfirma landeseigene Reklameflächen nutzen dürfen. Doch der Landesrechnungshof rügte dieses Koppelungsgeschäft. Der Senat ließ die Verträge Ende 2018 auslaufen. Und die Wall AG sagte ihrerseits die Festbeleuchtung ab.

Für den Kudamm zahlt der Senat 295.000 Euro

Der Bezirksbürgermeister und die Standortgemeinschaft City AG protestierten beim Senat. Mit Erfolg: Die Senatswirtschaftsverwaltung zahlt in diesem Jahr 295.000 Euro – aus Mitteln der Tourismusförderung. Die Wall AG und die CG Gruppe des Immobilienunternehmers Christoph Gröner brachten ihrerseits je 150.000 Euro ein. Der Lichterglanz ist gerettet.

Doch nicht jeder kann sich für das staatliche Zuschussgeschäft erwärmen. Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg hält nichts von der Finanzspritze des Senats, er sieht darin ein „Relikt des alten Westberlins“. Die Entscheidung basiere auf fragwürdigen Kriterien: „Wer am lautesten ,Hier!‘ schreit, kriegt Geld“, spottet Busch-Petersen. Berlin brauche endlich ein Gesamtkonzept, sagt er.

Doch gewöhnen sollte sich die City West an die exklusive Förderung ohnehin nicht. Die diesjährige Zahlung sei in dieser Form einmalig, heißt es in der Senatsverwaltung für Wirtschaft auf Anfrage. Im kommenden Jahr wolle Senatorin Ramona Pop (Grüne) eine „tragfähige Lösung“ finden. Unternehmen sollten dann Mittel aus einem Fördertopf für außergewöhnliche touristische Leistungen beantragen können. Der werde allen Stadtteilen offenstehen.

Wie die Beleuchtung anderswo finanziert wird

Vielleicht täten Berlins Unternehmen gut daran, sich andernorts nach Vorbildern für ein Finanzierungsmodell umsehen. Zum Beispiel in Hamburg. In der Hansestadt stemmen Grundstückseigentümer und Einzelhändler die Kosten gemeinsam – ganz ohne Staatsgeld. „Wir wollen das Quartier so entwickeln, dass die Kunden gern einkaufen“, sagt Heiner Schote von der Handelskammer Hamburg, deshalb werde auch die Festbeleuchtung privat bezahlt. Die Stadtverwaltung ziehe über die Finanzbehörden die Abgaben ein – steuere aber selbst nichts bei. Die Kosten berechneten sich nach der Grundstücksgröße. Die Handelskammer überwache, dass das Geld richtig ausgegeben werde, sagt Schote.

Die Zusammenarbeit der hanseatischen Unternehmen geht dabei über die Weihnachtszeit hinaus. In Hamburger Einkaufsstraßen wie der Mönckebergstraße wird die Festbeleuchtung im Rahmen eines sogenannten „Business Improvement Districts“ (BID) organisiert. Das ist ein Zusammenschluss von Anrainern, die sich zu regelmäßigen Beiträgen verpflichten. Das gesammelte Geld wird investiert. Nicht nur in eine Weihnachtsbeleuchtung, sondern in Sitzbänke, Straßenlaternen und vieles mehr. In der Hansestadt gibt es 16 solcher Standortprojekte. Die Rechtsgrundlage dafür ist ein Landesgesetz. Berlin hat seit 2014 ein ähnliches Gesetz. Und zumindest an Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße haben sich Grundstückseigentümer und Geschäftsleute bereits zu einem BID zusammengeschlossen, in Mitte noch nicht. Doch warum wird die Weihnachtsbeleuchtung nicht darüber finanziert? Ein BID-Projekt sei der „ideale Rahmen“, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage.

Auf der Suche nach einer dauerhaften Lösung

Klaus-Jürgen Meier, der Vorstandsvorsitzende der Anrainervertretung AG City hält dagegen: „Das BID-Projekt in der City West steckt noch in der Startphase.“ Der Schwerpunkt liege momentan auf anderen Projekten. Außerdem umfasse es nicht die gesamte zu beleuchtende Strecke. Frühestens ab 2021 könne das BID-Projekt den Rahmen bieten. Eine „dauerhafte Lösung“ wäre aus Sicht Meiers jedoch eine Finanzierung, die je zur Hälfte von Senat und Wirtschaft käme.

Etwas Ähnliches gibt es in Wien. Dort zahlen Wirtschaft und Politik jeweils 600.000 Euro pro Jahr. „Wir sind stolz auf unsere Beleuchtung“, sagt Guido Miklautsch von der Wiener Wirtschaftskammer, „dafür müssen wir aber auch hackeln“, also arbeiten. Damit meint er vor allem Überzeugungsarbeit. Denn auch in der österreichischen Hauptstadt gäbe es Trittbrettfahrer. Kämen in einer Straße nicht genug Einzahler zusammen, bleibe die eben dunkel. Im nächsten Jahr werde neu verhandelt, sagt Miklautsch. Im Gegensatz zu Berlin muss in der Wiener Innenstadt allerdings keine lange Straße durchgehend beleuchtet werden.

In vielen Großstädten zahlt die Stadt einen Teil der Weihnachtsbeleuchtung. Magdeburg hat in diesem Jahr 1,6 Millionen Euro für den Kauf einer neuen Lichtanlage ausgegeben. „An den Betriebskosten beteiligen sich auch einige Wohnungsunternehmen“, lässt Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) mitteilen. Dresden leistet sich sogar zwei eigene Lichtanlagen, teilt eine Sprecherin des Rathauses mit. Andere Anlagen gehörten ansässigen Gewerbevereinen. Generell zahle die Stadt die Stromkosten. In Frankfurt am Main könnten die Stadtteile gemeinsam mit Gewerbevereinen eine öffentliche Teilförderung beantragen, teilt die Wirtschaftsförderung Frankfurt mit.

Sollte Berlin also noch nach Vorbildern fürs nächste Weihnachtsfest suchen, ist die Auswahl groß.

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