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Beleidigungen oder Hassrede sollte man direkt melden.

© dpa-tmn

Bedrohungen, Beleidigungen, Körperverletzungen: „Die Steigerung von Hasskriminalität in Berlin ist besorgniserregend“

Vor allem die Zahl der Anzeigen von Taten im Netz steigt. Die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter findet, dass Polizei und Justiz effektiver mit digitalen Plattformen und NGOs zusammenarbeiten müssen.

Die Berliner Justiz muss sich immer stärker mit Hasskriminalität auseinandersetzen – besonders im Internet. Die Zahl der Anzeigen in den ersten elf Monaten des Jahres 2020 ist um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Das ergab eine parlamentarische Anfrage der FDP-Abgeordneten Maren Jasper-Winter, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. 

Besonders besorgniserregend ist der Anstieg von Hasskriminalität im Netz: Hier stieg die Zahl der Anzeigen um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die Steigerung von Hasskriminalität in Berlin ist besorgniserregend“, sagte Jasper-Winter dem Tagesspiegel. „Bedrohungen, Beleidigungen, Körperverletzungen und Volksverhetzungen nehmen besonders zu und dürfen nicht zum Alltag in einer weltoffenen und toleranten Stadt wie Berlin werden.“

Die Justizverwaltung schlüsselt in der Antwort auf Jasper-Winters Anfrage erstmals umfangreich die Entwicklung von Hasskriminalität seit Beginn der zentralisierten Erfassung im Sommer 2018 auf. Unter dem Begriff werden „politisch motivierte Straftaten“ verstanden, bei denen die Ermittler Anhaltspunkte haben, dass der Täter sein Opfer wegen dessen Nationalität, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, einer Behinderung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung angreift. 

Damit sind zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gemeint. In Berlin ist dafür seit September die Zentralstelle Hasskriminalität bei der Staatsanwaltschaft zuständig. Die neue Hauptabteilung war von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) in Folge der rechtsextremistischen Anschläge in Hanau und Halle eingerichtet worden.

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Besorgniserregend ist der Anstieg im Bereich der Volksverhetzung. Die Zahl der Anzeigen stieg 2020 um 33 Prozent auf 400. Die Zahl von Nötigungen und Bedrohungen stieg um 38 Prozent. Die Zahl der Körperverletzungen aus rassistischen, antisemitischen oder frauenfeindlichen Motiven stieg um 12 Prozent. 

Zum Jahr 2018 ist kein Vergleich möglich, weil in diesem Jahr nur das zweite Halbjahr statistisch erfasst wurde. Klar ist so viel: Seit Beginn der zentralen Erfassung von Hasskriminalität erstatteten Opfer 5718 Anzeigen. Nur in 363 Verfahren kam es zu Verurteilungen der Täter vor Gericht. Zu beachten ist allerdings, dass es gerade bei Beleidigungen oder leichten Körperverletzungen oft nicht zu Verhandlungen kommt, sondern Strafbefehle ergehen. Diese wurden statistisch nicht erfasst.

Ein Viertel der Hasskriminalität spielt sich online ab

Bemerkenswert ist, dass sich ein Viertel der Hasskriminalität mittlerweile im Internet abspielt. Seit 2018 wurden 1323 Anzeigen wegen Online-Vergehen erstattet. 

Die Tendenz ist stark steigend: Die Zahl der Anzeigen von Taten im Netz dürfte 2020 um rund die Hälfte zunehmen. Im Bereich Volksverhetzung fällt mittlerweile die Hälfte aller Anzeigen auf digitale Straftaten, bei Beleidigungen sind es 24,8% und bei Bedrohungen 29,4%. 

Wie schwer sich die Justiz mit der Strafverfolgung im Internet tut, zeigt die Statistik über gerichtlichen Entscheidungen seit 2018: Nur 37 Täter wurden verurteilt. Einer zu einer Bewährungsstrafe, alle anderen zu Geldstrafen. Oft scheitern die Ermittler an der Anonymität im Netz, Pseudonymen oder Facebook. Das amerikanische Unternehmen gibt nur äußerst ungern die Daten seiner Nutzer heraus.

NGOs könnten digital Strafanzeigen weiterleiten

Die FDP-Abgeordnete Jasper-Winter sagt: „Gerade der Anstieg von Hass im Netz zeigt, dass Polizei und Justiz effektiver und schneller mit den digitalen Plattformen und NGOs zusammenarbeiten müssen.“ Sie forderte, dass NGOs die Möglichkeit bekommen, Staatsanwaltschaften digital Strafanzeigen zuzuleiten. 

Solche digitalen Beratungsstellen – wie etwa „HateAid“ oder „Hassmelden“– bieten mittlerweile Beratungen für Betroffene von digitalem Hass: Von einfachen Melde-Formularen über Rechtsberatung bis hin zur möglichen Finanzierung zivilrechtlicher Klagen.  Die neuen Zahlen der Berliner Justiz zeigen: Sie werden immer stärker gebraucht.

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