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Berlin: Beate Uhse: Pornos, Dildos, Trauerflor

Seit Mittwochnachmittag bricht man bei Beate Uhse an der Joachimstaler Straße mit allen Maximen der Schaufenstergestaltung. Im Mittelfenster, dem wichtigsten, rekeln sich nicht etwa fast nackt die prallbrüstigen, langmähnigen Schmollmundmädchen.

Seit Mittwochnachmittag bricht man bei Beate Uhse an der Joachimstaler Straße mit allen Maximen der Schaufenstergestaltung. Im Mittelfenster, dem wichtigsten, rekeln sich nicht etwa fast nackt die prallbrüstigen, langmähnigen Schmollmundmädchen. Nein, dort steht das Foto einer alten Dame. Sie ist nur bis zum Busen zu sehen, und auch der ist verhüllt von einer blau-weiß gestreiften Bluse. Sie hat kurze Haare, und sie lächelt freundlich gen Karstadt Sport. Links oben ziert ein schwarzes Band den Rahmen: Es ist Beate Uhse, Deutschlands Grande Dame des Dildo, verstorben am Montag. An Lungenentzündung. Aber auch an Krebs litt die 82-Jährige schon lange. Firmentrauer herrscht - natürlich auch im Erotikmuseum, dem Flaggschiff des weltumspannenden Konzerns.

Zuerst geht es hinauf in den zweiten Stock des Museums. Hier, gleich gegenüber der Schaufensterpuppen, die mit Peitschen und Ketten gerade "strenge Erziehung" praktizieren, residiert Ivette Huster, Verkaufschefin für Ostdeutschland. Huster ist vorsichtig mit Reportern. An diesem Tag war schon mal einer da, der wollte wissen, ob man damit rechne, nach der Todesmeldung mehr Umsatz zu machen. Das fand Ivette Huster pietätlos. Ihr Werk ist es, dass alle Mitarbeiter im Haus schon kurz nach Erhalt der Nachricht schwarze Schleifen am Revers tragen.

Um elf Uhr am Mittwoch Vormittag hatte Ivette Huster von ihrem Vorgesetzten erfahren, dass die Chefin in einem Schweizer Krankenhaus gestorben sei, die Filialen wurden per Fax benachrichtigt. Beate Uhses Tod hat Ivette Huster traurig gemacht. Sie kannte ihre Chefin persönlich, hatte sie mal zum Mittagessen getroffen. "Ganz klein war sie, lebhaft und sie liebte Pink und Blau." Eine Dame. Ob wir ein Bild von ihr sehen wollen? Huster führt uns in die Beate-Uhse-Gedenk-Ecke, die ist auch schon fertig eingerichtet.

Da, wo der Gang einen Knick macht und auf eine Riesenwand voller Schwanzzeichnungen zuführt, hängt samt Trauerflor noch ein Porträt der Chefin - dasselbe wie unten im Schaufenster. Seltsam nimmt sich die nette Dame hier aus. Inmitten der in tiefdunklen Lila gehaltenen Ausstellung, die so aussieht als hätte jemand Hände voller saftiger Himbeeren in den Teppich und auf die Wände gerieben. Inmitten des Lila also und vor dem Bild wird am Donnerstag auch ein Kranz niederlegt, sagt Huster. Im Namen aller Mitarbeiter in Deutschland übrigens. Und auch ein Kondolenzbuch soll es geben.

Wer sich da wohl eintragen wird? Eine Spontanumfrage scheitert kläglich, sowohl oben bei all den Mini-Penissen aus aller Welt, als auch im Bistro, wo tatsächlich gerade "Voulez-vous couchez avec moi" läuft. Alle arglos Angesprochenen nuscheln: "Nö, keine Zeit" und hasten mit niedergeschlagenen Augen raus zur Tür.

Einzig zugänglich gibt sich ein Pärchen aus Flensburg, das ausgerechnet hier, in Berlin, vom Tod der großen Arbeitgeberin in der Heimatstadt erfährt. "Wir verdanken ihr, dass wir heute einfach so mal in ein Erotikmuseum gehen können", meinen die beiden. Ihre Namen wollen sie trotzdem nicht angeben, die Söhne in Flensburg könnten ja durch Zufall davon erfahren.

Solche Schamhaftigkeit ist also das Ergebnis von mehr als 50 Jahren erotischer Pionierarbeit, vom Kampf gegen die Prüderie in den 50er und 60er Jahren. 2001 scheint nicht besser. Ach, Beate Uhse. Sie hätte wohl noch länger leben müssen.

rcf

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