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Der Kämpfer. Seit 30 Jahren engagierte sich der grüne Politiker Michael Cramer für den Mauerradweg. Mit Erfolg: Seit Donnerstag wird die letzte Lücke geschlossen.

© Jörn Hasselmann

Baustart für Mauerweg-Tunnel in Berlin: Nach 20 Jahren Kampf – die Lücke im Radweg wird geschlossen

20 Jahre hat der Grüne Michael Cramer für den Lückenschluss im Mauerradweg gekämpft. Am Donnerstag war Baustart zwischen Lichtenrade und Blankenfelde.

Es sollte ein Kompliment sein. „Ein hohes Maß an Lästigkeit“ bescheinigte Bahnchef Alexander Kaczmarek dem früheren Grünen-Abgeordneten Michael Cramer. Beide trafen sich am Donnerstag im Baustaub an der Stadtgrenze hinter Lichtenrade. Hier wird seit drei Jahren die Dresdner Bahn neu gebaut – und seit Donnerstag unter den Gleisen auch ein Tunnel für Radfahrer und Fußgänger.

An dieser Stelle ist der Mauerweg um das alte West-Berlin seit Jahrzehnten unterbrochen. Radfahrer müssen drei Kilometer Umweg über Kopfsteinpflaster durch Lichtenrade in Kauf nehmen, Spaziergänger ebenso. 25 Jahre lang war um den Wiederaufbau der Dresdner Bahn gerungen, gestritten und prozessiert worden. Der Mauerradweg war dabei unter die Eisenbahnräder geraten, es fehlte abwechselnd das Geld oder der politische Wille – oder beides. So wurde der kleine Tunnel unter den Gleisen nicht Teil des großen Planfeststellungsbeschlusses für den Bau der Dresdner Bahn.

„Der Zug war abgefahren"

Klar ist: Ohne den Radfahrer Michael Cramer hätte es keinen Baubeginn gegeben. „Der Zug war abgefahren“, sagte Kaczmarek. Keiner wollte das Risiko eingehen, die Baugenehmigung für die Dresdner Bahn wegen nachträglicher Änderungen zu gefährden. Neben dem bestehenden Gleis der S-Bahn entstehen zwei weitere Gleise für Fernzüge Richtung Dresden und zum Flughafen BER. 2025 soll die Strecke eröffnet werden.

Cramer hatte nach der Wende 1989 als damaliger Berliner Abgeordneter initiiert, dass die ehemaligen Wege der DDR-Grenztruppen fürs Radfahren genutzt werden; die Attraktion wird seitdem touristisch vermarktet.

Durch den Bau einer Bahnunterführung entfällt zukünftig der lange Umweg des Mauerradwegs in Lichtenrade.
Durch den Bau einer Bahnunterführung entfällt zukünftig der lange Umweg des Mauerradwegs in Lichtenrade.

© Tagesspiegel/Bartel

Vor mehr als 20 Jahren hatte sich Cramer schon für einen Tunnel unter den Gleisen der Anhalter Bahn in Lichterfelde engagiert. Auch diese Eisenbahnstrecke musste damals ausgebaut werden, der Mauerradweg war jedoch sofort mitgebaut worden.

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Nicht so an der Dresdner Bahn; diese Nuss war weitaus härter. Die Beteiligten – zwei Länder, Bahn und die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow – stritten ums Geld, über den Nutzen und manchmal nur ums Prinzip. Immer stand einer der Beteiligten auf der Bremse, zunächst das Land Brandenburg.

Baustart für den Tunnel unter der Dresdner Bahn. Michael Schwuchow aus Blankenfelde, Baustadträtin Saskia Ellenbeck, Michael Cramer und Bahnchef Alexander Kaczmarek (von links)
Baustart für den Tunnel unter der Dresdner Bahn. Michael Schwuchow aus Blankenfelde, Baustadträtin Saskia Ellenbeck, Michael Cramer und Bahnchef Alexander Kaczmarek (von links)

© Jörn Hasselmann

Vor zehn Jahren schrieb der Tagesspiegel: „Brandenburg verärgert alle: Spaziergänger und Radfahrer, den Senat, die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow und ganz besonders den Grünen-Europaabgeordneten Michael Cramer." Ab 2014 ließ dann die Gemeinde das Verfahren ruhen, und zwar jahrelang. Vor drei Jahren durfte sich Michael Cramer als Gewinner fühlen, als sich Blankenfelde-Mahlow plötzlich bereit erklärte, den Tunnel später zu unterhalten, sprich zu pflegen. 2020 bockte dann jedoch völlig unvermittelt das Land Berlin, und erklärte das Projekt für gescheitert. Cramer gab er nicht auf.

„Dramatisch auf die Nerven gegangen"

Unverdrossen meldete er sich 2020 in der Redaktion und kündigte an, sich selbstverständlich wieder an Kaczmarek zu wenden: „Was jetzt nicht gebaut wird, wird niemals gebaut“, sagte der Grünen-Politiker da. Der Bahnchef erinnert sich gut: Cramer „ist uns dramatisch auf die Nerven gegangen. Immer, wenn wir dachten, wir sind ihn los, kam er durch eine andere Tür wieder rein.“ Der 72-Jährige nahm es mit Humor. „Ich freue mich riesig“. Cramer erinnerte daran, dass der Mauerweg an dieser Stelle auch Teil des Fernradweges Berlin-Leipzig sei, also auch touristische Bedeutung habe. Cramer organisiert seit vielen Jahren Radtouren rund um Berlin, die so genannten „Mauerstreifzüge“. Die neue grüne Verkehrsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Saskia Ellenbeck, ergänzte, dass der Tunnel auch für Pendler und Anwohner wichtig sei.

2024 soll der Tunnel fertig sein

Allerdings ist der 160 Kilometer lange Mauerradweg auf vielen Abschnitten in desaströsem Zustand. Vor allem Baumwurzeln haben die alte Asphaltdecke aus DDR-Zeiten zerstört. Im Januar 2019 hatte der Senat beschlossen, den Mauerweg als Ganzes zu sanieren und zu erhalten, schon wegen seiner touristischen Bedeutung. Doch der Weg verfällt schneller als saniert werden kann. In den drei Jahren 2019 bis 2021 standen nach Angaben der Verkehrsverwaltung nur 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Bei Schönefeld sind die Wurzelaufbrüche bis zu 20 Zentimeter hoch, anderswo gibt es nur noch Schotter.

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Im Jahr 2024 soll der Tunnel unter den Gleisen fertig sein, versprach die Deutsche Bahn am Donnerstag. Die Gesamtkosten wurden nicht genannt. 230.000 Euro bekommt die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow vom Land Brandenburg für die Anbindung des Tunnels - weil sich die Bahn weigerte, dies zu übernehmen. Weitsichtig gebaut wird auch der Tunnel nicht. Wie berichtet, wird neben den beiden Ferngleisen aus Kostengründen nur ein Gleis für die S-Bahn gebaut. Viele Experten kritisieren das als kurzsichtig.

Eine eingleisige Strecke mache den Betrieb störanfällig und unflexibel. Im Norden Berlins wurde gerade Geld bewilligt, um die S2 Richtung Bernau nun doch zweigleisig ausbauen zu können. Auch der Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Michael Schwuchow, hält ein zweites Gleis für erforderlich. Dass nun nicht einmal der Tunnel unter den Gleisen etwas länger gebaut wird, erklärte Kaczmarek so: „Das wurde nicht bestellt.“

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