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Florian Schmidt ist Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg.

© Britta Pedersen/dpa

Baustadtrat Schmidt zur Rigaer Straße 94: „Senat und Eigentümer sind nicht kooperativ“

Wieder mal ist die Rigaer 94 ein Fall fürs Gericht: Nun geht es um Brandschutzmängel. Florian Schmidt über seine Sicht auf den verfahrenen Streit um das Haus.

Florian Schmidt, 46, ist Mitglied der Grünen und seit 2016 Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Im Interview spricht er über seine Sicht auf den verfahrenen Streit um das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 und eine mögliche Eskalation.

Herr Schmidt, in diesen Tagen wird eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts erwartet, die die Lage rund um das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 eskalieren lassen könnte. Sie haben den Eigentümer per Anordnung verpflichtet, Brandschutzmängel begutachten und beseitigen zu lassen. Parallel erwägt Innensenator Andreas Geisel, das Bezirksamt damit zu beauftragen. Dann müssten Sie die Polizei anfordern. Gibt es eine gemeinsame Linie?
Doch, wir arbeiten an einer Lösung, das ist doch selbstverständlich. Ich habe alle Beteiligten zu einem Gespräch geladen um die verschiedenen Aspekte einer Begehung zu erörtern. Aber Senat und Polizei wollen erst das Ergebnis des Verwaltungsgerichts abwarten. Ich bedauere das, aber stecke den Kopf nicht in den Sand und habe daher mit allen Beteiligten einzeln gesprochen. Aber für mich ist auch klar, Bezirk und Senat müssen hier endlich gemeinsam agieren.

Beim Brandschutz geht es um Gefahr in Verzug. Warum dauert das so lange?
Dass der Brandschutz gewährleistet werden muss, steht außer Frage. Die Frage ist nur, wie dies durchgesetzt werden kann. Wir als Bezirk arbeiten hier an einer friedlichen und deeskalativen Lösung, denn wir glauben, dass die möglich ist. Wir sind hier aber nicht die einzigen Akteure, die Polizei und das Gericht erkennen den Bevollmächtigten des Eigentümers nicht an, der Innensenator will nicht wie sein Vorgänger illegal in das Haus eindringen und auch wir können uns nicht einfach über das Recht hinwegsetzen.

Es ist eine sehr komplizierte Gemengelage, die vor allem durch Bundesgesetze entstanden ist, welche die Verschleierung von Immobilienbesitz ermöglicht. Diese Verschleierung muss endlich beendet werden, denn es betrifft nicht nur die Rigaer, auch Geldwäsche wird so erleichtert und findet in großem Umfang statt.

Ihre Bauaufsicht hat seit Jahren darauf gedrängt, dass etwas getan werden muss für den Brandschutz. Es scheint, als hätte erst das Verfahren der Bezirksaufsicht von Innensenator Geisel dazu geführt, dass Sie jetzt doch tätig werden. Oder nicht?
Der Bezirk hat sich stets bemüht selber vor Ort die Lage zu verbessern, und war im Kontakt mit den Rechtsanwälten der Bewohner, damit Brandschutzmängel abgestellt wurden. Den Mängellisten von Polizei und Eigentümeranwälten standen Nachweise der Bewohner, Gutachten und Aussagen von Brandschutzschauen durch Bezirksschornsteinfeger gegenüber. Diese Vorgehensweise gerät jedoch an ihre Grenzen, auch weil eine normale Instandhaltung des Gebäudes nicht stattfindet.

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Ausschlaggebend für die Anordnung vom Dezember 2020 war jedoch auch der Eingang einer neunseitigen Mängelliste, erstellt vom vermeintlichen Eigentümervertreter, die eine ganz neue Dimension von potenziellen Gefahren darstellt. Ich bin gespannt was bei einer Begehung durch einen vereidigten Sachverständigen herauskommt. Denn auch unter Brandschutz-Fachleuten scheint es unterschiedliche Auffassungen zu geben.

Sie haben Senator Geisel, der Ihnen eine Frist bis 5. Februar gab, jetzt schriftlich über die Gefahren informiert. Inwiefern?
Ich habe gegenüber dem Senat und der Polizei klargestellt, dass diese kurzfristig ermittelt und beseitigt werden müssen. Wäre das nicht so, hätten wir keine Anordnung erlassen. Es steht also hinsichtlich der Gefahren nichts Neues im Raum, was der Innensenator nicht schon wüsste.

Klar ist, dass es Brandschutzmängel gibt, das hat ein erstes Gutachten Ende des Jahres durch ein Brandschutzbüro gezeigt. Aber diese Mängel werden von meinem Rechtsamt nicht als akute Gefahr gewertet. Es geht dabei vor allem um den organisatorischen Brandschutz. Ob es die vom Eigentümervertreter angeführten Mängel im baulichen Brandschutz gibt, ist bisher nicht bekannt, dass muss ein weiteres Gutachten klären.

Die dem Innensenator unterstellte Polizei hat dem Eigentümer Schutz bei einer Hausbegehung versagt. Der Innensenator selbst erwägt, das Bezirksamt damit zu betrauen. Ein größerer Polizeieinsatz dürfte – egal wie – unvermeidbar sein, richtig?
Ob und in welcher Form ein Einsatz zur Absicherung einer Begehung notwendig ist, muss die Polizei beurteilen. Mein Ziel ist es, dass alle Beteiligten, nachdem klar ist, wer die Begehung veranlassen muss, zunächst die Lage erörtern. Dies habe ich der Polizeipräsidentin vorgeschlagen. Niemand kann gezwungen werden, ohne Erörterung der Sicherheitslage, ohne die Polizei das Haus zu betreten.

Glauben Sie, dass sich jemand traut, ohne Polizei das Haus zu begehen? Wir reden von einem Linksextremisten-Hotspot.
Der Rechtsanwalt der Bewohner hat versichert, dass ein neutraler Gutachter das Haus betreten kann. Und das ist keine leere Floskel. Schon im November hat auf meine Empfehlung hin ein Brandschutzexperte das Haus betreten. Leider war dies kein offiziell geprüfter Sachverständiger, aber auch einem solchen hätten die Bewohner Eintritt gewährt. Die Bauaufsicht besteht jedoch zu Recht auf einen offiziell geprüften Sachverständigen. Es gibt gar keine Anzeichen, dass die Bewohner diesmal anders agieren würden. Daher ist eine deeskalative Lösung möglich und wir in der Verantwortung diese zu versuchen.

Das Haus Nr. 94 in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain.
Das Haus Nr. 94 in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain.

© Paul Zinken/dpa

Am 22. Januar versuchten Bewohner der Rigaer94, in Ihr Büro einzudringen. Diese machen Sie wegen des bauordnungsrechtlichen Verfahrens für einen etwaigen bevorstehenden Polizeieinsatz verantwortlich.
Ob sich die Bewohner mit dem Besuch – bei dem sie an der Tür geklopft haben, von Eindringen würde ich daher nicht sprechen – und dem damit einhergehenden Schreiben einen Gefallen getan haben, bezweifle ich. Zwar haben sie betont, dass ein neutraler Brandschutzgutachter das Haus betreten kann. Aber der Rest des Textes spricht eine Sprache, die neutrale Brandschutzgutachter nicht wirklich animiert, das Haus ohne Polizei zu betreten. Es steht den Bewohnern übrigens frei, selbst einen vereidigten Brandschutzgutachter zu beauftragen, sofern ihnen das Thema am Herzen liegt.

Steht die Aktion der Bewohner in Ihren Büroräumen im Zusammenhang mit einem Gespräch, zu dem Innensenator Geisel und Polizeipräsidentin Barbara Slowik in der vergangenen Woche eingeladen waren?
Die Einladung zum Gespräch an Andreas Geisel und die Polizei habe ich bereits am 21. Januar als Entwurf an unsere Bürgermeisterin und unser Rechtsamt gesendet und dann am 22. Januar offiziell abgeschickt. Er war also keine Reaktion auf den Besuch.

Sie verhandeln direkt mit dem Anwalt der Bewohner. Worum geht es ihm?
Mein Eindruck ist, dass die Bewohner befürchten, dass sich der Eigentümer durch eine Brandschutzbegehung Zugang zum ganzen Haus verschafft und dann Teilbereiche, die nicht legal vermietet sind, wieder in Besitz nimmt. Dann wäre das Projekt Rigaer 94 am Ende. Dass der Eigentümer keinen Räumungstitel vor Gericht bekommt, liegt nicht an mir, sondern an Recht und Gesetz. Eine Brandschutzbegehung ist nicht dazu da, eine Räumung durchzuführen oder vorzubereiten.

Den Bewohnern geht es offenbar um ihren eigenen rechtsfreien Raum. Was wäre denn möglich?
Sie scheinen kein Interesse an einer nachhaltigen Lösung zu haben, vor Jahren scheint ein Erwerb des Hauses durch eine Stiftung von ihnen abgelehnt worden zu sein. Aber auch der Eigentümer wollte das Haus, nachdem sie Bereitschaft signalisiert hatten, doch nicht ans Land verkaufen, angeblich, weil der Preis zu niedrig war. Was genau zwischen Senat und Eigentümer verhandelt wurde, weiß niemand. Wir wollten dies und haben uns dafür engagiert, so hätten wir eine Lösung finden können. Aber beide Seiten sind hier nicht wirklich kooperativ.

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Eigentum ist per Grundgesetz geschützt. In Ihrem Bezirk scheint das anders zu sein.
Dass der angebliche Eigentümer das Haus zurück haben will, ist sein erklärtes Ziel und wenn er der Eigentümer ist, auch seine Rolle. Die Rigaer 94 ist ja insofern ein Sonderfall, weil es sowohl besetzte Teile gibt als auch vermietete. Ich gehe davon aus, dass der Eigentümer, sollte das Verwaltungsgericht die aktuellen Vollmachten nicht akzeptieren, sich früher oder später legitimieren wird. Aber das geschieht vor Gericht, nicht bei uns im Bezirksamt. Wenn dies geschieht, haben wir eine neue Lage.

Bei der Interpretation der bisherigen gerichtlichen Entscheidungen machen es sich Senat und Bezirk recht einfach. Die Zivilgerichte verhandeln nur, was Streitparteien vortragen, hier waren es Zweifel an der Vertretungsvollmacht der Eigentümeranwälte. Aber im Umgang mit den Eigentümern können die Behörden auch selbst prüfen. Sie reden mit dem Anwalt. Bezweifeln Sie, dass er den Eigentümer vertritt?
Ich muss die gerichtlichen Entscheidungen zur Kenntnis nehmen. Deshalb habe ich die Anweisung auch nach England an die Eigentümerfirma geschickt. Aber wir gehen schon davon aus, dass die Eigentümeranwälte mit dem Eigentümer im Kontakt stehen und kommunizieren deshalb auch mit ihnen. Ich habe auch das 60-seitige Gutachten erhalten, dass eine korrekte Legitimation des Eigentümers nachweisen soll. Mein Rechtsamt kann jedoch nicht die Rolle von Gerichten übernehmen, zumal die Materie sehr komplex ist.

Wenn das Verwaltungsgericht anordnet, dass die Polizei den Eigentümer schützen muss, und dass die Vertretungsvollmacht ausreicht, sind Senator Geisel und die Polizei blamiert. Und wie stehen Sie dann da?
Das müssen andere beurteilen.

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