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Auf den ersten Blick sieht die Baustelle in der Pohlestraße ganz normal aus - wären da nicht die verrammelten Fenster.

© Tilman Schröter

Baupfusch in Berlin-Köpenick: Anwohner versuchen, ihr Eigentum aus den Wohnungen retten - und wollen klagen

Nach dem Bauunglück in Köpenick können viele Anwohner immer noch nicht in ihre Wohnungen. Einige werden ihre Sachen vielleicht gar nicht mehr zu sehen bekommen.

Einige Anwohner haben sich versammelt und sprechen mit einer Frau vom THW, die an der Absperrung der Baustelle an der Pohlestraße in Köpenick steht. „Wir sind aus Leipzig gekommen, um die Kollegen abzulösen“, sagt sie. Die Leipziger Mitglieder des Technischen Hilfswerks sollen überprüfen, ob sich die Statik des Hauses verändert.

Es könnte eine ganz normale Baustelle sein – wenn da die verrammelten und abgeklebten Fenster an mehreren Häusern rund um die Baugrube nicht wären. Und die Warnschilder an den Eingangstüren: „Achtung!! Unbewohnbarkeitserklärung“, so ist die Information des Bezirksamtes Treptow überschrieben.

Am vergangenen Wochenende war die Baugrube zwischen zwei Wohnhäusern an der Pohlestraße voll Wasser gelaufen. Von „unsachgemäßem Tiefbau“ war die Rede, der die an die Baugrube angrenzenden Häuser an der Pohlestraße so instabil macht, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner sie verlassen mussten. Sie wurden vom Bezirksamt in Hotels untergebracht, teils fanden die Anwohner Obdach bei Verwandten und Bekannten.

Achtzehn Häuser mussten evakuiert werden, 330 Menschen dabei ihre Wohnungen verlassen. Im Laufe der Woche konnten wieder in ihre Wohnungen zurück die meisten zurückkehren. Drei Häuser bleiben jedoch gesperrt, darunter die Pohlestraße 11. Ein riesiges Holzgerüst stützt das Haus von der Seite, damit es nicht einstürzt.

Aus 18 Häuser mussten insgesamt 330 Personen evakuiert werden, im Laufe der Woche konnten die ersten Menschen . Die Pohlestraße 11 jedoch ist immer noch komplett geräumt. Ein riesiges Holzgerüst stützt das Haus von der Seite, damit es nicht einstürzt.

Unbewohnbarkeitserklärung - so ist der Zettel des Bezirksamtes an einem Hauseingang in der Pohlestraße überschrieben.
Unbewohnbarkeitserklärung - so ist der Zettel des Bezirksamtes an einem Hauseingang in der Pohlestraße überschrieben.

© Tilman Schröter

An der Seite der Nummer 11 stehen am Freitagvormittag mehrere Menschen in der Kälte und schauen auf das Haus. Bis zum Wochenende waren sie hier zu Hause. „Wir sind am Sonntag abends auf der Couch vorm Fernseher eingeschlafen da wurde bei uns der Schließzylinder an der Wohnungstür aufgebohrt und wir mussten sofort aus der Wohnung raus“, sagt Susen Schmitz, die mit ihrem Mann zum Haus gekommen ist. Die Polizei stand vor der Tür, sie mussten sofort raus. „Wir hatten zehn Minuten Zeit, um das nötigste einzupacken“, sagt sie. „Was kriegt man da zusammen? Zwei Unterhosen und drei paar Socken.“

Ein großes Holzgerüst stützt die Pohlestraße 11, die Fenster sind mit Holzplatten versiegelt.
Ein großes Holzgerüst stützt die Pohlestraße 11, die Fenster sind mit Holzplatten versiegelt.

© Tilman Schröter

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Bei ihrer Mutter seien sie erstmal untergekommen. Mittlerweile haben sie eine Ferienwohnung vom Vermieter gestellt bekommen, die sie beziehen dürfen. Schmitz glaubt nicht, dass sie ihre Sachen nochmal wiedersieht. „Wenn wir Glück haben, können wir uns das bei der Baufirma einklagen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass das passieren wird, das ist ja irgendein Subunternehmen, die werden dann einfach Insolvenz anmelden.“

Am Wochenende war die Baugrube voll Wasser gelaufen. Anwohner erzählen, dass dort auch vorher schon Wasser stand.
Am Wochenende war die Baugrube voll Wasser gelaufen. Anwohner erzählen, dass dort auch vorher schon Wasser stand.

© Tilman Schröter

Über Entschädigungen habe auch noch niemand mit ihnen gesprochen. Derzeit ist die Wohnung polizeilich versiegelt. Ihre Wohngenossenschaft, die DeGeWo, habe ihnen zwar schon eine andere Wohnung angeboten, aber nichts Vergleichbares, eine Alternativwohnung war zehn Quadratmeter kleiner. Familie Schmitz scheint sich aber schon von ihrer Wohnung verabschiedet zu haben. „Der Vermieter hat das Haus aufgegeben."

„Das ist kein Zustand, ganz ehrlich“

Ähnlich geht es Melanie Müller. Auch sie wohnt in der Pohlestraße 11 und steht jetzt vor mit Sperrholz verrammelten Fenstern, die zu ihrer Wohnung gehörten. Ihre Nachbarin machte sie am Sonntag darauf aufmerksam, dass sie alle aus der Wohnung müssten. „Ich habe das Nötigste eingepackt, zum Beispiel auch die Geburtsurkunden von meinen Kindern“, sagt Müller. Sie ist Mutter von vier Kindern, mit dem kleinsten ist sie zu ihrer Familie. „Wir sind Gott sei Dank bei meiner Schwester untergekommen, die wohnt eine Straße weiter – aber das ist trotzdem kein Zustand, ganz ehrlich.“ Die anderen Kinder sind bei den Großeltern untergekommen.

 Melanie Müllersteht mit ihrem Nachbarn Nico Jopp vor den verrammelten Fenstern ihrer Wohnung. Sie will ihre Sachen unbedingt noch aus dem Haus holen.
Melanie Müllersteht mit ihrem Nachbarn Nico Jopp vor den verrammelten Fenstern ihrer Wohnung. Sie will ihre Sachen unbedingt noch aus dem Haus holen.

© Tilman Schröter

Müller hofft, dass sie vor dem Abriss des Hauses noch ihre Möbel rausholen kann. Risse hat sie keine in der Wohnung, genau wie ihr Nachbar Nico Jopp, der ein paar Etagen höher wohnt. „Bei mir auch alles gut", sagt er. Auch er hofft, dass er seine Sachen noch holen kann. „Dafür werden wir kämpfen“, sagt Müller.

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Sie ist sauer auf den Bauherrn. „In den letzten Monaten habe ich öfter gedacht, dass mir irgendwann die Decke auf den Kopf fällt, es hat öfter mal gerummst und vibriert wegen der Baustelle.“ Auch das Wasser habe schon monatelang in der Baugrube gestanden. Sie will auf jeden Fall auf Entschädigung klagen, vielleicht klappe es ja mit einer Sammelklage der Hausbewohner, sagt sie.

Bislang gibt es vor allem Schuldzuweisungen zwischen Bauherr, Baufirma und Bezirk

Wer an dem Unglück die Schuld trägt, ist bislang noch nicht geklärt, zuletzt wurden vor allem Schuldzuweisungen zwischen Bauherr und Bauunternehmen und Bezirk ausgetauscht. Die Frage, wer am Ende des Unglück zu verantworten hat, wird im Falle einer Klage jedoch noch relevant sein. Bis dahin bleibt den Anwohnern nur zu hoffen, dass sie zumindest ihr Eigentum aus den Wohnungen retten können.

„Ich habe jetzt 12 Jahre in der Wohnung gewohnt, ich habe soviel da aufgebaut und zusammengesucht, damit es für meine Kinder und mich schön ist, dass ich nicht einfach alles aufgeben will“, sagt Müller. „Das sehe ich einfach nicht ein, da sind Werte drin, die kann mir so kein Mensch ersetzen.“

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