zum Hauptinhalt
Aus Liebe zur Else. Niedergesäß war Mitte der Sechziger Jahre als Bauleiter an der Errichtung der Elsenbrücke beteiligt.

© Sven Darmer

Baufällige Brücke in Berlin: Ist die Elsenbrücke noch zu retten?

Fritz Niedergesäß war als Bauleiter dabei, als die Elsenbrücke Mitte der Sechziger errichtet wurde. Und hofft auf ihre Rettung. "Sie ist so elegant."

Fritz Niedergesäß steht am Spreeufer und schaut auf die Elsenbrücke. „Ich bin immer noch unheimlich stolz“, sagt er, „das sind wir alle“. Niedergesäß war als Bauleiter bei der Entstehung der „Else“ dabei. Von 1965 bis 1967 hat er die Bauarbeiten täglich beaufsichtigt, kein Kubikmeter Beton, den er und sein Team nicht kontrolliert hätten. „Wir haben uns wirklich Mühe gegeben“, sagt er. Als er Ende August erfuhr, die Brücke sei baufällig, war der 78-Jährige geschockt. In der Else ist ein Riss, mindestens 15 Meter lang und bis zu 14 Zentimeter tief. Der beschädigte Brückenteil wurde für Autos gesperrt. Nun muss grundlegend saniert, womöglich ein Teil der Brücke abgerissen und neu gebaut werden.

Sehr anstrengend seien die Bauarbeiten damals gewesen, „eine Knochenmühle“, erinnert sich Niedergesäß. Errichtet wurde die Else vom Volkseigenen Bau- und Montagekombinat Ost aus Brandenburg Havel. Auf der Baustelle arbeiteten bis zu 60 Menschen. Eine benachbarte Sporthalle diente als Quartier. „Wir haben hier praktisch gewohnt“, sagt Niedergesäß. In der Halle gab es Liegen, manchmal wurde bis spät in die Nacht gearbeitet. „Wenn wir Beton gemacht haben und das länger gedauert hat, die Prozesse mussten ja fertig werden“, sagt Niedergesäß. „1-A-Beton“ nennt der ehemalige Bauleiter die Mischung aus Sächsischem Split und Ottendorfer Kies.

Der Riss im Beton ist deutlich zu sehen.
Der Riss im Beton ist deutlich zu sehen.

© Promo/ Kiwa

„Wir haben das Beste rausgeholt aus den Mitteln, die uns der Sozialismus zu Verfügung stellte“, sagt Niedergesäß. Auch bei der letzten Sanierung 2007 bis 2009 hätten Experten die Qualität der Brücke noch gelobt. Sie verwendeten das komplizierte Spannblock-Verfahren. „Mit diesem Verfahren wurden nur fünf Brücken im Osten gebaut“, sagt Niedergesäß. Es dauert länger als andere Spannverfahren.

Jede Brücke ist ein Prototyp

Der hochempfindliche Spannstahl darf nach Anlieferung auf der Baustelle eigentlich nur zehn Tage ungeschützt liegen, beim Spannblock-Verfahren sind aber drei Monate erforderlich, unter anderem, weil der Beton in Abschnitten gegossen wird. Genau das könnte der wunde Punkt sein, meint ein Insider. Durch zu lange Lagerung auf der Baustelle könnte der Spannstahl gerostet und beim Spannen teils gerissen sein. Niedergesäß widerspricht: „Bei den Bauarbeiten damals ist nichts gerissen“.

In Berlin ist Niedergesäß für etwas ganz anderes als seinen eigentlichen Beruf bekannt: Mit der Wende begann er seine politische Laufbahn, ab 1990 in der Stadtverordnetenversammlung und dann im Abgeordnetenhaus. Der CDU-Politiker hatte seinen Wahlkreis in Adlershof. Auch heute setzt er sich für die Umsetzung einiger seiner Verkehrsprojekte ein, eines ist eine Umfahrungsmöglichkeit für die Köpenicker Altstadt. „Da habe ich noch zehn Jahre Arbeit“, sagt er.

An der TU erforscht Mike Schlaich die Belastbarkeit von Baukörpern.
An der TU erforscht Mike Schlaich die Belastbarkeit von Baukörpern.

© Thilo Rückeis

Dass nach 50 Jahren ein Riss in der Brücke ist, verwundert den damaligen Bauleiter nicht, obwohl die Brücke erst 2007 bis 2009 für 4,1 Millionen Euro saniert wurde. Andere Brückenexperten sehen darin keinen Skandal. Mike Schlaich, Professor für Massivbau an der TU sagt: „Das kann unabhängig voneinander sein. Erst wird ein Teil einer Brücke repariert und später geht ein anderer kaputt.“ Planen könne man das nicht, schließlich sei jede Brücke ein Prototyp.

Spannbetonbrücken gibt es seit den 1950er Jahren. Damals revolutionierten sie das Baugeschäft: Dadurch konnten Betonbrücken nun über 150 Meter lang sein. Sie waren preiswerter als Stahlbrücken und weniger wartungsintensiv. Heute weisen viele der zwischen 1950 und 1970 errichteten Brücken Schäden auf – so wie die Else.

Die Hitze könnte der Brücke zugesetzt haben

Das hat viele Gründe, einer ist das erhöhte Verkehrsaufkommen. Auch beim Material wurde zu kurz gedacht: „In der Anfangszeit hat man nicht verstanden, dass auch der Spannstahl korrodieren kann“, sagt der TU-Professor. Denn Beton reißt und Wasser kann eindringen. Die heutige Technik sei weiter, an der TU forscht man an erschwinglicheren Alternativen: Carbon als Spannbewehrung. Die Kohlenstoff-Verbindung ist stabiler als Stahl und rostfrei.

Nach zehn Jahren Testzeit laufen erste Gespräche mit der Stadt über den Bau von Fußgängerbrücken mit dem Stoff. Für die Elsenbrücke kommt Carbon nicht infrage. Auch der heiße Sommer könnte der Brücke zugesetzt haben, sagt ein Kollege Schlaichs. „Wenn die Sonne die Brückenoberfläche erwärmt und die Spree die Unterseite abkühlt, kann eine Schubspannung entstehen“, sagt Bernd Hillemeier, ehemaliger Leiter des Instituts für Bauingenieurwesen.

Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) hält bereits einen Teilabriss der Brücke für wahrscheinlich. Professor Schlaich hofft, dass dies vermeidbar ist: „Man kann viel reparieren, ein unnötiger Abriss wäre Ressourcenverschwendung“, sagt er. Dem schließt sich Hillemeier an: „Einen Abriss kostet viel und ein Neubau ist noch mal teurer.“

Die Untersuchungen an der Brücke konnten bisher weder den Ursprung des Risses klären, noch wie schwerwiegend die Schäden sind. Nun werden alle Tragelemente geprüft. Ende Oktober sollen die Ergebnisse ausgewertet sein, teilte die Verkehrsverwaltung mit. Dann wird auch über den Abriss entschieden. Fritz Niedergesäß hofft, dass es nicht soweit kommt. „Die Elsenbrücke ist sehr elegant“, sagt er. Für ihn ist sie ein Stück persönliche Geschichte. Bei den Bauarbeiten lernte er seine Ehefrau kennen. Die Ingenieurin machte die Projektierung der Else.

Pauline Faust

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false