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Nur 90 Euro bekommt ein Schweinehalter derzeit in den gefährdeten Gebieten für ein Tier.

© F. von Erichsen/dpa

Bauern in Brandenburg sind verzweifelt: Den Schweinehaltern rennt die Zeit davon

Fast 500 verendete Tiere seit September gefunden: Landwirte kritisieren die schleppende Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest, die sich rasant ausbreitet.

Von Sandra Dassler

Die Schweinehalter sind in großer Sorge wegen der dramatischen Entwicklung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Vor allem in Brandenburg, wo seit September vergangenen Jahres 478 an ASP verendete Tiere gefunden wurden – in Sachsen waren es 17 – müsse dringend etwas geschehen, sagte der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (IGS) Brandenburg, Hans-Christian Daniels, dem Tagesspiegel: „Uns rennt die Zeit davon. Wenn wir die Tierseuche effektiv bekämpfen wollen, müssen die Wildschweine in den betroffenen Gebieten noch vor Beginn der Vegetationsperiode Ende März gejagt werden. Danach verstecken sie sich in den aufwachsenden Feldfrüchten. Uns bleiben also nur noch zehn Wochen.“

Und das, obwohl noch nicht einmal die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Jagd gegeben sei, kritisiert Daniels, nämlich sichere Zäune in den ASP-Regionen und entlang der Grenze zu Polen: „Es wäre kontraproduktiv, die Wildschweine zu jagen, ohne das betreffende Gebiet vorher einzuzäunen. Dann würden sie ja die Krankheit weiter verbreiten.“

Neben den Brandenburgern wenden sich auch die Schweinehalter aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt in einem so genannten Whitepaper an die politisch Verantwortlichen von Bund, Land und Landkreisen. In dem 18-seitigen Papier beschreiben sie nicht nur Mängel, sondern zeigen auch, dass es anderswo besser geht. So haben etwa Dänemark und Tschechien durch schnellen Zaunbau beziehungsweise konsequente Jagd die Afrikanische Schweinepest fern halten beziehungsweise besiegen können.

Besonders in Brandenburg sei man trotz gegensätzlicher Beteuerungen der Landesregierung davon weit entfernt, heißt es im Whitepaper. So fehlten entlang der Weißen Zonen um die Fundorte von infizierten Wildschweinen mit Stand vom 13. Januar 2021 noch 53,3 Kilometer fester Zaun. An der Oder-Neiße- Grenze zu Polen seien es sogar noch 99 Kilometer.

Nahe dem deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße wurde ein fester Zaun gegen die Afrikanische Schweinepest errichtet.
Nahe dem deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße wurde ein fester Zaun gegen die Afrikanische Schweinepest errichtet.

© Patrick Pleul/dpa

Die provisorischen Elektrozäune aber seien oft beschädigt, würden nicht gewartet oder führten keinen Strom, so dass sie für Wildschweine kein Hindernis darstellten, sagt Frank Tiggemann, ein Schweinehalter aus dem Landkreis Märkisch-Oderland. Er kritisiert Brandenburgs Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), die beklage, dass die Schäden das Werk von Vandalen seien, „aber die meisten entstehen durch das Wild selber“, sagt Tiggemann. Der Landkreis hat angeblich eine Firma mit der Wartung beauftragt, doch die arbeitet ganz offensichtlich nicht richtig, wenn die Zäune Tage lang am Boden liegen.“

Ein Flickenteppich der Regelungen

Dass in Brandenburg anders als in Sachsen in erster Linie die Landkreise für die Bekämpfung von ASP zuständig sind, erweise sich immer mehr als Fehler, sagen die Schweinehalter. So gelte etwa in einem Kreis die Stallpflicht für Schweine, während es in einem anderen Ausnahmegenehmigungen oder gar keine Stallpflicht gebe. Dabei reiche ein einziger Fall in einem Hausschweinbestand aus, um die schon jetzt schwierigen Exportmöglichkeiten außerhalb der EU gänzlich zu beenden.

Derzeit liege der durchschnittliche Erlös für ein Schlachtschwein in Deutschland bei 115 Euro, in den gefährdeten Gebieten bei 90 Euro. Normal und notwendig für eine nachhaltige Schweinemast seien aber 160 Euro pro Tier. Für den Vorsitzenden der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Hans-Christian Daniels, der an mehreren Standorten in Brandenburg rund 100 000 Ferkel im Jahr produziert und seit Ausbruch von ASP 20 Euro pro Ferkel einbüßt, sind das zwei Millionen Euro Verlust im Jahr.

Kanzlerin sollte sich um das Thema kümmern

Hilfen für die betroffenen Schweinehalter seien zwar vollmundig angekündigt worden, kritisiert Daniela, aber bislang weder konkretisiert noch bei den Betroffenen angekommen. Auch der Bund halte sich da vornehm zurück, argumentiere gar mit Richtlinien für EU-Fördermittel: „Dabei handelt es sich doch hier um Entschädigungen und nicht um Förderungen“, sagt Daniels.

Der Schweinehalter sieht den Bund auch bei den Verhandlungen mit China über die Exporte und mit Polen über einen Zaun auf der östlichen Seite der Grenze in der Pflicht: „Allerdings haben Gespräche auf Staatssekretär-Ebene bislang keine Ergebnisse gebracht. Das sollte die Kanzlerin also selbst in die Hand nehmen.“

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