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Eine große Baustelle ist auf dem ehemaligen Gelände des Kunsthauses Tacheles an der Oranienburger Straße zu sehen. Am Montag hat die neue Koalition auch ihre Pläne zum Wohnungsbau vorgestellt.

© Jörg Carstensen/dpa

Bauen und Wohnen im Berliner Koalitionsvertrag: Immobilienlobby und Enteignungsinitiative mit Rot-Grün-Rot unzufrieden

Zweifel an den Neubauzielen und Misstrauen beim Volksentscheid: Immobilienwirtschaft und „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ kritisieren den Koalitionsvertrag.

An den Plänen der neuen Berliner Koalition im Bereich Bauen und Wohnen gibt es Kritik aus entgegengesetzten Richtungen: von der Immobilienlobby genauso wie vom Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Die Immobilienwirtschaft hält die Neubauziele von SPD, Grünen und Linke für nicht erreichbar. Und die Enteignungsinitiative traut dem Kompromiss zum Umgang mit ihrem Volksentscheid nicht.

„Das Ziel von 20.000 neuen Wohnungen jährlich besteht nicht den Realitätscheck“, erklärte die Landesvorsitzende des Verbandes IVD - Die Immobilienunternehmer, Kerstin Huth. „Dafür legt sich die Koalition viel zu viele Steine selbst in den Weg. Sie will zwar bauen, grundsätzlich aber nicht auf freien Flächen“, so Huth. „Sie will Transformation, Verdichtung und Aufstockung, aber nicht zu dicht oder zu hoch. Letztlich kann das nur in ein Weiter so münden.“

Nach Einschätzung von IVD-Präsident Jürgen Michael Schick wird das Wohnungsangebot in Berlin wegen aus seiner Sicht falscher politischer Weichenstellungen nicht größer werden.

„Während die Ampel im Bund auf eine konsequente Angebotsausweitung durch Neubau bei moderater Anpassung des Mietrechts setzt, wird es in Berlin darauf hinauslaufen, dass das Angebot knapp bleibt“, meinte er. „In der Folge wird die Schraube der Mietenregulatorik weiter überdreht. Werden die Fehler der Vergangenheit fortgesetzt, kann ein Neustart nur missglücken.“

Enteignungsinitiative will Druck auf die neue Koalition machen

Auch die gegnerische Seite äußerte ihren Unmut: Das Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ will weiter Druck auf SPD, Grüne und Linke machen. Aus Sicht der Initiative ist die Passage zum Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen eine Enttäuschung.

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Ton und Stil, in dem sie verfasst sei, ließen keinen klaren politischen Willen erkennen, den Volksentscheid tatsächlich umzusetzen, kritisierte die Sprecherin der Initiative Leonie Heine. „Die Koalition läuft damit Gefahr, eine Regierung zu sein, die die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner in dieser Hinsicht nicht vertritt. Das bedeutet für uns, dass wir weiter kämpfen, weiter Druck machen“, sagte Heine der Deutschen Presse-Agentur.

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Die drei Parteien hatten sich bei den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, 2022 zunächst eine Expertenkommission einzurichten, die die Umsetzbarkeit des Volksentscheids prüfen und bis 2023 Empfehlungen an den Senat vorlegen soll. Heine kündigte an, die Enteignungsinitiative werde die Arbeit der Kommission kritisch begleiten, unter anderem mit weiteren Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit.

Initiative: „Neubau durch Konzerne hilft nicht gegen Verdrängung“

Die Wohnungspolitik von SPD, Grünen und Linken, die fünf weitere Jahre zusammen regieren wollen, sieht die Initiative kritisch: „Das Ressort für Stadtentwicklung wird SPD-geführt sein, und aus dem Koalitionsvertrag ist ersichtlich, dass dieses Ressort hauptsächlich auf Neubau setzen wird“, sagte Heine. „Es hat sich aber gezeigt, dass Neubau durch profitorientierte Wohnungskonzerne naturgemäß nicht sozial ist und dass er nicht gegen Verdrängung hilft.“

Außerdem sei die geplante staatliche Förderung von privatem Neubau mit bezahlbaren Mieten ein schlechtes Geschäft für die Berlinerinnen und Berliner. Die Konzerne verdienten dann indirekt durch die Steuergelder, die dafür aufgewendet würden. Aus Sicht der Enteignungs-Initiative stelle sich außerdem die Frage, warum die Grünen diesem auf Neubau fokussierten Programm zugestimmt hätten. „Neubau hat bekanntlich eine schlechte Klimabilanz“, sagte Heine.

Die Sprecherin wiederholte die Forderung der Initiative, die geplante Expertenkommission müsse öffentlich tagen und nicht hinter verschlossenen Türen. Das Bündnis beansprucht außerdem, 59,1 Prozent der Kommissionsmitglieder besetzen zu dürfen. Hintergrund sind die 59,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler, die bei dem Volksentscheid am 26. September für die Enteignung gestimmt hatten. Heine sagte, Vertreter der privaten Wohnungswirtschaft sollten nicht Kommissionsmitglieder werden. (Tsp, dpa)

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