zum Hauptinhalt
Komplexes Örtchen. Wer sein Bad von Fachleuten sanieren lassen will, muss den Einsatz diverser Gewerke koordinieren: Fliesenleger, Trockenbauer, Klempner, Elektriker. Auch diese Mühe möchte Aroundhome den Nutzern bald abnehmen.

© imago

Bauaufträge im großen Stil: Plattform für Eigenheimsanierung in Berlin boomt

Die Online-Plattform Aroundhome vermittelt auch schwerere Bauaufträge. Bald könnte es die Sanierung kompletter Bäder geben.

Eigentlich ist das alles ein bisschen too much“, sagt Robin Behlau. Er sitzt in einem Designersessel in der 16. Etage eines Towers am Potsdamer Platz und lässt den Blick über die Berliner Skyline schweifen.

Behlaus Firma Aroundhome vermittelt Dienstleistungen rund ums Eigenheim – mit Erfolg.

Vor zwei Jahren hat der Chef sein Büro in Berlins Mitte bezogen. Seine Firma hat sieben Etagen des Hochhauses gemietet, und eine eigene Dachterrasse bauen lassen.

Der Strausberger hat den Durchbruch geschafft, von dem alle Start-up-Gründer träumen, mit einem Millionen-Deal. So richtig glauben kann er es anscheinend manchmal selbst noch nicht.

„Wir helfen Hauseigentümern dabei, geeignete Handwerker zu finden, die Kapazitäten haben und ihnen einen guten Preis machen“, sagt Behlau.

Doch im Unterschied zum Berliner Mitbewerber MyHammer, der zum Beispiel kleinere Malerarbeiten in der Wohnung vermittelt, gehe es bei Aroundhome vorrangig um größere Aufträge.

Das können zum Beispiel der Einbau von Küchen, Heizungen oder Dächern, Fassaden, Fenster oder Wintergärten sein. „Also Dinge, die man nur ein- oder zweimal im Leben beschafft“, erklärt Behlau.

Gerade hier sieht Aroundhome großes Potenzial, denn viele Kunden wüssten einfach nicht, an wen sie sich wenden sollen. Am weitesten verbreitet sei immer noch die Empfehlung aus dem privaten Familien- und Bekanntenkreis.

Doch gleich an zweiter Stelle stünde das Internet, wo viele potenzielle Kunden suchen, aber die Betriebe oftmals schwierig zu finden seien.

Handwerksunternehmen zahlen eine Gebühr für die Vermittlung

Das Online-Marketing sei deshalb der „Vertriebskanal der Zukunft“ für das Handwerk, da ist sich der Internetunternehmer Behlau sicher.

Für den Kunden ist die Nutzung der Website kostenlos. Handwerksunternehmen zahlen für die Vermittlung eine Gebühr.

Deren genaue Höhe hängt vom jeweiligen Produkt ab, bewegt sich in der Regel zwischen 50 und 150 Euro pro Vermittlung, bei besonders teuren Produkten kann sie auch höher liegen.

Behlau gründete das Unternehmen 2007 zusammen mit seinem Studienfreund Mario Kohle.

Damals noch unter dem Namen Käuferportal vermittelten die Jungunternehmer zunächst Bürotechnik an mittelständische Firmen, also Kopierer, Plotter und Telefonanlagen.

Die erste Zentrale war eine Plattenbau- Wohnung in Hellersdorf. „Die Verträge haben wir am Küchentisch gemacht”, erinnert sich Behlau.

Danach zogen die beiden in ein Mini-Büro in Pankow, neun Quadratmeter auf dem Hinterhof. Nach zwei Jahren hatten sie ein Büro mit 45 Quadratmetern Fläche und eine Handvoll Angestellte. Die Geschäfte begannen zu laufen, doch die schwarze Null ließ auf sich warten.

Fast pleite - doch zwei Jahre später lief das Geschäft

„Am Anfang haben wir viel Lehrgeld bezahlt“, erinnert sich Behlau. Eine Finanzierungsrunde brachte das Startkapital. „Aber drei Tage später kam die Lehman-Pleite in den USA.“

Das war der Beginn der Weltfinanzkrise. In diesem Klima sei es unmöglich gewesen, weitere Investoren zu gewinnen. Außerdem sei im Unternehmen selbst vieles drunter und drüber gegangen.

„Nach ein paar Monaten waren wir fast pleite“, erinnert er sich. Den Mitarbeitern hätten sie damals bereits ihre Kündigungen ausgehändigt, so sicher wirkte das Ende.

Aber Glück rettete das junge Unternehmen: Die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg investierte überraschend. „Dann haben wir uns gesagt: Das darf uns nie wieder passieren. Wir müssen jetzt ganz schnell profitabel werden.“

Zwei Jahre später lief das Geschäft tatsächlich. Die Firma wuchs, fügte ihrem Angebot neue Produkte hinzu.

Die bewegten sich alle im hochpreisigen Bereich, zum Beispiel Küchen und Solaranlagen.

Die Investitionsbank Berlin (IBB) förderte die Expansion 2014 mit 3,3 Millionen Euro.

Doch der wirkliche Durchbruch kam, als 2016 das Private-Equity-Unternehmen General Atlantic und die ProSiebenSat1-Tochter Nucom Anteile von je 42 Prozent kauften. Anfang 2019 übernahm Nucom auch den Anteil von General Atlantic. Aroundhome wurde zu diesem Zeitpunkt mit 140 Millionen Euro bewertet.

16.000 Handwerksbetriebe sind auf der Plattform angemeldet

Der Außenumsatz betrug 2019 rund 1,5 Milliarden Euro. Das ist der Umsatz aller 16 000 auf der Plattform registrierten Handwerksbetriebe zusammen.

Behlau ist jetzt als Vorstandschef tätig, sein Kompagnon Mario Kohle hingegen ausgestiegen.

Die Umbenennung in Aroundhome geht auf die Initiative der Investoren zurück. Mit dem Label sollen neue Zielgruppen erschlossen werden.

Denn die Plattform soll die zentrale Anlaufstelle sein für alle Belange von Eigenheimbesitzern.

Auch Makler für Immobilienverkäufe lassen sich darüber finden. Im Privatfernsehen laufen seit Anfang 2019 verschiedene Werbespots für Aroundhome.

Die erhält das Unternehmen zu vergünstigten Konditionen.

Bedarf nach Handwerker-Dienstleistungen ist zweifelsohne vorhanden. Denn es ist nicht einfach, einen Termin zu bekommen.

Die Betriebe haben gut gefüllte Auftragsbücher, das merkt man gerade in der Hauptstadt. Der Auslastungsgrad lag laut Handwerkskammer Berlin im Herbst vergangenen Jahres bei 90 Prozent. Die Firmen hatten demnach im Durchschnitt Arbeit für etwa elf Wochen sicher.

Warum sollten die Handwerker angesichts dieses derartig hohen Bedarfs Geld für ein Vermittlungsportal ausgeben?

Kleine Betriebe mit bis zu fünf Angestellten seien tatsächlich in der Regel nicht interessiert, stellt Behlau fest: „Diese Handwerker werben weiterhin eher in der Lokalzeitung oder beim Sportverein und sind zufrieden damit.“

Aber größere Unternehmen, die „Bock auf neue Kunden haben“, seien an Aroundhome interessiert.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen:leute.tagesspiegel.de]

Diese Firmen könnten mithilfe der Internet-Vermittlung ihre Kapazitäten ausbauen. „Sie erhalten einen Marketingkanal, den sie auf Knopfdruck an- und ausschalten können.“

Das sei auch eine Entlastung für die Betriebe, die in „Bürokram“ wie dem Schreiben von Angeboten eher ein „notwendiges Übel“ sehen würden.

Um die Probleme der Handwerksbetriebe besser zu verstehen, schickt Behlau seine Mitarbeiter zur Feldforschung. Sie fahren dann zum Beispiel für einen Tag mit auf die Baustelle, sollen vor Ort begreifen, worauf es wirklich ankommt. „Wir in unseren Büros können uns das gar nicht so richtig vorstellen“, sagt Behlau. Das müsse man aber, wenn man ein ordentliches Produkt schaffen wolle.

Aroundhome möchte künftig kompliziertere Bauprojekte organisieren

Liegt im Online-Marketing wirklich die Zukunft des Handwerks? Für den Kunden ist es einfacher, eine einzige Internetplattform zu durchsuchen, als auf eigene Faust Dutzende Betriebe zu kontaktieren und deren Angebote zu vergleichen. Doch was die Anbieterseite angeht, äußert sich die Baugewerks-Innung Berlin eher skeptisch. „Unsere Unternehmer nutzen Online-Portale generell wenig“, sagt Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner.

Online-Marketing könne zwar als zusätzlicher Vertriebskanal einen Mehrwert bieten. Grundsätzlich seien die Firmen auch bereit, für die Vermittlung eine Provision zu bezahlen.

Aber momentan hätten die meisten so viele Aufträge, dass es schlicht nicht notwendig sei. Bei der aktuellen Marktlage seien ohnehin Aufträge von Geschäftskunden lukrativer als Arbeiten in Privathaushalten. „Wenn sich Architekten auf so einem Portal anmelden würden, wäre es spannend“, sagt Schreiner. Denn dann kämen womöglich größere Projekte zustande.

Robin Behlau irritiert das nicht. In Zukunft könnte Aroundhome auch kompliziertere Bauprojekte organisieren, wenn es nach Behlau geht.

Der Bau eines Badezimmers zum Beispiel umfasse mehrere Gewerke: Fliesenleger, Klempner, Trockenbauer, Elektriker und andere. Viele Eigenheimbesitzer seien davon überfordert, deren Arbeiten zu koordinieren.

Generell konzentriere sich die Vermittlungstätigkeit aber weiterhin auf Renovierungen und Anschaffungen für Bestandsbauten in Privatbesitz, nicht auf Neubauprojekte größerer Träger.

Sein eigenes Haus hat Behlau übrigens weiterhin in Strausberg, wo er auch Kassenwart des Fußballvereins ist. Noch immer pendelt er jeden Tag in die Hauptstadt.

Denn zu Hause ist es eben doch am schönsten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false