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Abkühlung auf Rädern: In einem Strandrollstuhl können auch mobilitätseingeschränkte Menschen das Meer genießen.

© John James/Alamy Stock Photo

Barrierefreies Reisen: Mit dem Rollstuhl an den Strand

Pflegebedürftige Menschen verreisen oft nicht mehr. Der Berliner Verein Reisemaulwurf aber weiß: Alles ist möglich

William Traynor benötigt für alles Unterstützung. Ein Großteil seines Körpers ist nach einem Unfall gelähmt. Wer den Bestsellerroman „Ein ganzes halbes Jahr" von Jojo Moyes gelesen hat, kann sich ungefähr vorstellen, vor welchen Herausforderungen mobilitätseingeschränkte Menschen und ihre Familien stehen. Nur dass Familie Traynor genügend Geld zur Verfügung hat, um ihrem Sohn Will das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Was aber, wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist und einem kein eigener Bus inklusive Fahrer zur Verfügung steht?

2015 waren rund 2,2 Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Mobilität eingeschränkt. Wollen sie mal aus dem Alltag ausbrechen, müssen sie ihre pflegenden Angehörigen häufig in mögliche Ausflüge mit einplanen. Für sie hat André Scholz 2016 in Berlin den gemeinnützigen Verein Reisemaulwurf e.V. gegründet. Als gelernter Altenpfleger, Pflegeberater in einem Berliner Stützpunkt und pflegender Angehöriger kennt sich Scholz mit den Bedürfnissen von Menschen mit Pflegebedarf aus.

Er sagt: „Mit gut organisierter Planung und personeller Hilfe kann man alles Mögliche unternehmen – selbst Urlaub in den Bergen!“ Der Reisemaulwurf e.V. selbst bietet keine Reisen an. Der Verein leistet aber eine kostenlose Reiseberatung am Telefon oder im Berliner Raum auch persönlich. So werden Wünsche, Bedürfnisse und der Bedarf an Pflege, Unterstützung und Hilfsmitteln zur Sprache gebracht.

Urlaub und Erholung sind wichtig

Auch ein oft geäußerter Wunsch der pflegenden Angehörigen kann häufig berücksichtigt werden: Diese hätten oft gern etwas Zeit für sich, weiß Scholz. So kann zum Beispiel am Urlaubsort die Pflege morgens und abends organisiert werden, um das hilfebedürftige Familienmitglied bei der Körperpflege zu unterstützen. „Natürlich ist auch eine ganztägige Assistenz möglich, wenn jemand ohne Angehörige reist. Allerdings ist das mit entsprechenden Kosten verbunden“, so Scholz weiter.

Die Mehrheit der Reisewünsche liegt nach seiner Erfahrung innerhalb Deutschlands: „Ältere Menschen wollen häufig nicht so weit reisen. Oft geht es an die Ostsee.“ Aber auch barrierefreie Auslandsreisen sind möglich. Diese würden eher jüngere mobilitätseingeschränkte Menschen nutzen. Nach dem Beratungsgespräch suchen die ehrenamtlichen Reisemaulwurf-Mitarbeiter nach passenden Angeboten und machen konkrete Vorschläge, die dann direkt bei den touristischen Partnern gebucht werden können.

„Viele sind erst mal überrascht, was alles möglich ist“, stellt Scholz fest. Verlässliche Informationen zu Barrierefreiheit und Versorgungsstrukturen vor Ort gibt es zum Beispiel unter dem bundesweit einheitlichen „Reisen für alle“-Siegel. Scholz kennt die Bedeutung von Urlaub für Pflegebedürftige: „Meine Schwiegermutter liebt es, von unserem Trip an die Ostsee zu erzählen. Sie hat sich so darüber gefreut, weil sie nicht gedacht hätte, in ihrem Leben noch einmal mit den Füßen in der Ostsee stehen zu können.“ Auch Jürgen Dusel, Bundesbeauftragter für Menschen mit Behinderung kennt die Bedeutung von Ausflügen: „Barrierefreiheit hat eine wichtige soziale Dimension“, sagt er. Denn barrierefreie Angebote führten zu mehr Selbstständigkeit. Und mehr Selbstständigkeit bedeute meistens auch mehr Selbstbewusstsein.

Pflegekasse kann Kosten für Pflege und Ausflüge übernehmen

Ein mögliches Urlaubsziel ist ein Partnerhotel von „Sorglos-Urlaub“ in Mecklenburg-Vorpommern. Ein einwöchiger Aufenthalt für eine pflegebedürftige Person und einen Angehörigen würde in der Saison circa 2269 Euro kosten, inklusive Übernachtung, Frühstück und An- und Abreise von Tür zu Tür. Darin enthalten ist jeweils eine Stunde Pflege am Morgen und am Abend sowie zwei Ausflüge á drei Stunden mit Betreuung. In Absprache mit der Pflegekasse können die Kosten für Pflege und Ausflüge ab Pflegegrad zwei übernommen werden. Bei diesem Angebot also 994 Euro, sodass 1275 Euro aus eigener Tasche gezahlt werden müssten. Regina Schäfer von „Sorglos-Urlaub“ weist aber darauf hin, dass solche Reisen lange im Voraus ausgebucht sind und man sich deshalb rechtzeitig kümmern sollte. Auch im Winter können sich Pflegebedürftige vom Alltag erholen, denn sogar Wellness ist möglich, wenn Hotels zum Beispiel Lifte am Schwimmbecken haben.

Auch Berlin ist immer eine Reise wert. Ein Großteil der BVG-Busse ist mit gesicherten Rollstuhlstellplätzen ausgestattet. Und der Verein Sozialhelden hilft mobilitätseingeschränkten Menschen, sich in der Hauptstadt zurechtzufinden. Unter wheelmap.org - ein Projekt des Vereins - können sich Menschen über die Barrierefreiheit an öffentlichen Plätzen, Restaurants und im Nahverkehr informieren.

Tagesspiegel verlost Karten zur Para Leichtathletik-EM

Und wenn man schon einmal in Berlin ist, kann man gleich noch zur Para Leichtathletik-EM gehen. Vom 20. bis zum 26. August sind insgesamt 650 Sportler in 191 Wettbewerben im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zu sehen. Als Medienpartner verlost der Tagesspiegel gemeinsam mit dem Organisationskomitee der EM 10x2 Karten für die Eröffnungsfeier (Einlass ab 15 Uhr) und die anschließenden Wettkämpfe an diesem Tag. Bitte beantworten Sie dafür folgende Frage: In welcher Stadt findet die Para Leichtathletik-EM 2018 statt? Die Antwort können Sie bis Freitag, 27. Juli, an panda@para-euro2018.eu senden.

Für die folgenden Tage können Sie ab jetzt bis zum 19. August ebenfalls Tickets gewinnen. Dafür senden Sie einfach eine kurze Begründung, warum Sie gern dabei sein möchten oder jemandem eine Freude bereiten wollen, an die genannte E-Mail-Adresse. Die Plätze sind auf Wunsch auch barrierefrei. Weitere Informationen zur Para Leichtathletik-EM gibt es am 14. August in der Paralympics Zeitung, die dem Tagesspiegel beiliegt.

Julia Heine

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