zum Hauptinhalt
So gehen Croissants. Emily Empl (2. Reihe, 2. Person von links) lernt in Berlin Konditorin – und holte sich mit Kollegen auch ein paar Tipps in Paris.

© Handwerkskammer Berlin

Austauschprogramm für Handwerker: Warum Berlins Bäcker in Paris lernen, wie man gute Croissants macht

Praktikum in Schweden, Austausch mit Frankreich: Das geht auch für Berliner Auszubildende. Die Handwerkskammer bietet jungen Menschen und Betrieben Auslandsaufenthalte an.

Ein Auslandssemester in Granada, ein Praktikum in London – für viele Studierende ist es selbstverständlich, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Wer eine Ausbildung macht, muss aber nicht das Nachsehen haben.

Rund 100 Auszubildende aus Berliner Betrieben haben im vergangenen Jahr eine oder mehrere Stationen im europäischen Ausland absolviert, in insgesamt 42 Städten: ein Mechatroniker war im französischen Nîmes, zwei Damen-Maßschneiderinnen waren in Helsinki, eine Bühnenmalerin reiste in Islands Hauptstadt Reykjavík, ein Tischler war in Göteborg, eine Schuhmacherin lernte in Venedig dazu. Am Mittwoch, dem 19. Februar, wurden sie bei einer Veranstaltung der Handwerkskammer geehrt und erhielten eine Urkunde, überreicht von der Präsidentin der Handwerkskammer, Carola Zarth, und der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach.

Zwei der nun auslandserfahrenen Azubis sind Emily Empl und Edem Assidenou. Emily Empl, 21 Jahre, macht eine Ausbildung zur Konditorin. Assidenou ist 30 Jahre und lernt das Bäckerhandwerk. Gemeinsam haben sie an einem Austauschprogramm mit Paris teilgenommen: Eine Gruppe von zehn Azubis aus Berlin fuhr für eine Woche nach Paris, an die École des métiers de la table. Im Anschluss kamen zehn französische Auszubildende nach Berlin. „Wir haben jeden Tag Croissants zum Frühstück gegessen und sind mit den Bateaux Mouches über die Seine gefahren“, schwärmt Assidenou. „Es war wie Klassenfahrt“, sagt Emily Empl.

Gemeinsam entwickelten die angehenden Bäcker und Konditorinnen neue Produkte – mit deutschen und französischen Komponenten. „Wir haben zum Beispiel Canelé gemacht, das sind kleine Küchlein, mit Sanddorn gefüllt, oder Brioche mit Quitte“, erzählt Emily Empl weiter. „Und die hatten in der Schule einen eigenen Schokoladenraum! Mit Marmor und gekühlten Platten, das war so toll. Es gibt schon einen großen Unterschied in der Ausbildung.“ Und noch einen Unterschied habe sie wahrgenommen: „Der Wert des Berufs ist in Frankreich ein anderer. In Deutschland heißt es oft, wenn ich von meiner Ausbildung erzähle, ach, Du hast bestimmt kein Abi. In Frankreich ist es etwas Besonderes."

Aber nicht alles in Paris sei besser als in Berlin: „Die Späti-Suche war katastrophal“, sagen die beiden Azubis. Ihre Woche in Paris beschreiben sie als Bereicherung. Assidenou erzählt, wie zufrieden der Chef in seinem Ausbildungsbetrieb war: „In der Zeit in Frankreich habe ich viele Tricks gelernt. Mein Chef hat dafür 150 Euro bezahlt, aber danach hat er gesagt, das hat sich ja gelohnt.“

Kammerpräsidentin Zarth macht den Meistern das Projekt schmackhaft

Auch nach Ansicht von Handwerkskammer-Chefin Carola Zarth ist es für die ausbildenden Betriebe von Vorteil, Azubis ins Ausland zu schicken: Man steigere seine Attraktivität als Arbeitgeber und bleibe für Fachkräfte interessant. Nach Zahlen der Handwerkskammer Berlin hängt jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland direkt oder indirekt vom Export ab. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Auslandserfahrung, vielleicht auch mit Fremdsprachenkenntnissen, seien für Betriebe entsprechend wichtig.

Damit Auszubildende ein Praktikum im Ausland machen können, sei die Zustimmung der Vorgesetzten im Ausbildungsbetrieb die erste Voraussetzung, erklärt Susanne Boy. Sie arbeitet als Internationale Mobilitätsberaterin in der Handwerkskammer Berlin und vermittelt individuelle Praktikumsstellen im Ausland an interessierte Auszubildene. Die Dauer der Auslandsstationen hänge dabei vom Angebot der Betriebe im Ausland ab. Die Chefs und Chefinnen in den Betrieben zuhause müssten bereit sein, die Azubis freizustellen, und damit auf deren Arbeitskraft zu verzichten. Und sie müssten das Gehalt weiter zahlen.

Für die darüberhinausgehende Finanzierung gebe es verschiedene Möglichkeiten, sagt Boy: Ein Förderprogramm sei Erasmus Plus von der EU. Damit können ausgebildete Fachkräfte auch noch im Jahr nach ihrem Abschluss ins Ausland gehen. Den Austausch nach Frankreich, an dem Emily Empl und Edem Assidenou teilgenommen haben, hat das Deutsch-Französische Jugendwerk finanziert.

Länger als eine Woche war Weronica Mania weg: Sie ist 22 Jahre alt und erst seit Anfang Februar wieder in Deutschland – nach einem ganzen Jahr. „Ich war nicht zufrieden in meinem Betrieb“, erzählt sie, „ich wollte gar nicht mehr Bäcker sein.“ Über die Vermittlung der Handwerkskammer begann sie ihre Reise in Stockholm in einer kleinen Konditorei. „Da wurde mir klar: Bäcker bleibe ich, das ist der coolste Beruf der Welt!“ Für ihre zweite Station ging Weronica nach Frankreich, den dritten Teil ihres Auslandsjahres verbrachte sie in Wien. Ihr Résumé: „Ich wollte unbedingt für ein Jahr ins Ausland. Das Programm der Handwerkskammer hat es auf jeden Fall deutlich vereinfacht.“

"Berufsbildung ohne Grenzen" gibt es nicht nur in Berlin

Dass solche Erfahrungen immer wichtiger sind, betonte auch Arbeitssenatorin Breitenbach. „In einer internationalen, globalisierten Welt ist es ein Karriereschritt“, sagte die Linken-Politikerin während der Veranstaltung. Und sie lobte den Mut und die Neugier der Azubis. Der Geschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, Ulrich Wiegand, saß in der ersten Reihe – mit einem EU-Fähnchen in der Hand. Er sei,sagte er, „überzeugter Europafan“.

Fördermöglichkeiten für Auszubildende , die Erfahrungen im Ausland sammeln wollen, gibt es aber nicht nur in Berlin. „Berufsbildung ohne Grenzen“ heißt ein Bundesprogramm, das mittlerweile seit mehr als zehn Jahren die sogenannte Mobilitätsberatung von Auszubildenen und ausbildenen Betrieben fördert. Finanziell unterstützt wird das Programm vom Bundeswirtschaftsministerium.

Dass ein Aufenthalt im Ausland inspirierend sein kann, beweisen nicht nur die Erfahrungsberichte von Emily Empl, Edem Assidenou oder Weronica Mania. 2016 hatte Johannes Hüsing an dem deutsch-französischen Austausch nach Paris teilgenommen und dort die Idee für ein neues Produkt: den Spluffin, eine Kreuzung aus dem Berliner Splitterbrötchen und einem Muffin. Mittlerweile ist Hüsing Bäckermeister und verkauft seine Kreationen in seinem „Spluffin Store“ in der Revaler Straße in Friedrichshain. Hinter dem Tellerrand können sogar geldwerte Ideen warten.

Zur Startseite