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Badezimmer - grün-weiß. Pflanzen sind dekorative Hingucker.

© Hella Kaiser

Ausstellung über Zimmerpflanzen: Bitte weniger gießen!

Das Botanische Museum präsentiert eine liebevoll komponierte Schau von Grünem und Blühendem in der Wohnung.

Es war typisch für die 1960er Jahre: das Blumenfenster. Praktisch jede Familie hatte eins. Dekoriert wurde dort vor allem mit Alpenveilchen, Geldbäumen, Bogenhanf oder Grünlilie. Über dem Blumenfenster hing natürlich keine Gardine, sondern ein Store, gern bogenförmig mit Volants, aber immer kurz genug, damit die Topfpflanzen gut zur Geltung kommen konnten. Alles sah ordentlich aus, von außen und von innen. Heute sind Blumenfenster aus der Mode gekommen. Stattdessen dient etwa die Riesenpalme in einer Zimmerecke als Blickfang, aus einer Hängeampel schlängelt sich Grünes hinunter oder – Topf über Topf – wird es an die Wand genagelt.

"Geliebt, gegossen,vergessen"

Das Phänomen Zimmerpflanze wird jetzt in einer schön gestalteten Ausstellung im Botanischen Museum beleuchtet. „Geliebt, gegossen, vergessen“ – unter diesem Motto präsentieren sich manche Pflanzen auch aus ihrer ganz eigenen Sicht. Da ist etwa das enttäuschte Alpenveilchen. „Gekauft wurde ich gern aufgrund meiner prächtigen Blüten, doch sobald diese verblüht sind, hat man mich schon manches Mal schnöde entsorgt.“ Dabei ist es doch ein mehrjähriges Primelgewächs, das im nächsten Winter wieder blühen würde, wenn es im Sommer nur im kühlen Keller stehen darf.

Als pflegeleicht stellt sich dagegen die Grünlilie aus der Familie der Spargelgewächse vor. „Meine Vorfahren stammen von der Küste Südafrikas.“ Kein Wunder, dass sie keinen Frost verträgt und am liebsten ganzjährig im Zimmer bleibt. Der Gummibaum, neuerdings wieder im Trend, wurde gestählt „in den steinigen Steppenlandschaften Ostafrikas“. „Ich werde wirklich selten krank, und auch trockene Heizungsluft macht mir nichts aus“, teilt die Sukkulente mit. Eine Pflanze, wie geschaffen für einen Single, der selten zu Hause ist und nicht regelmäßig gießen kann.

Nicht zu wenig, nicht zu viel. Mit dieser Kanne, einst in der DDR hergestellt, lässt sich gut dosiert gießen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel. Mit dieser Kanne, einst in der DDR hergestellt, lässt sich gut dosiert gießen.

© Hohlstein, Botanischer Garten Berlin

Wer durch diese Ausstellung schlendert, hat meist eigene, bisweilen leidvolle Erfahrungen mit Zimmerpflanzen gemacht. „Guck mal, ein Bubikopf“ ruft eine Besucherin angesichts des ballförmigen Gewächses aus lauter kleinen grünen Blättern. „Schön sind die“, sagt die Begleiterin, „aber mit denen hatte ich nie Glück.“ Bubiköpfe fordern (zu) viel – und sind vielleicht deshalb zu Auslaufmodellen geworden. Ein Besucher kommt nicht mit Orchideen klar, während seine Freundin ihre liebe Not mit Farnen hat. Das kann sich ändern, denn im Museum wurde jeder Pflanze ein üppiger Steckbrief zugeteilt. Darauf erfährt man einiges über die Herkunft und viel über die Pflege. Denn wie zum Beispiel soll man mit „Erbsen am Band“ umgehen? Die Kleinia rowleyana ist eine mit dem Löwenzahn verwandte Sukkulente aus Südafrikas südlichsten Kap-Provinzen. Sie hat sich in jüngster Zeit zur beliebten Hängepflanze gemausert. Nur blühen wie in der Natur mag sie in der Wohnung nicht.

Gärtnereibesitzer schickten Pflanzenjäger in die Welt

Schon mal vom „Wardschen Kasten“ gehört? Es handelt sich dabei um eine luftdicht verschlossene, oben verglaste Transportkiste. Aufsteigende Verdunstungsfeuchtigkeit kondensiert an den Scheiben und tropft auf die Erde zurück. Lebende Pflanzen überstehen auf diese Weise Schiffsreisen von mehreren Monaten, ohne dass sie gewässert werden müssen. „Ihr Erfinder wollte eigentlich in einer verschlossenen Glasflasche mit etwas Erde einen Schmetterling beim Schlüpfen beobachten“, wissen die Ausstellungsmacher. Dabei entdeckte er einen keimenden Farn, der sich in der abgeschlossenen Atmosphäre weiterentwickelte. Die Geschichte der Zimmerpflanzen ist ohne Wardschen Kasten kaum denkbar. Denn nicht nur Forscher schickten so ihre Fundstücke in die Heimat. Auch Gärtnereibesitzer sandten Pflanzenjäger aus, um immer neue Exoten auf den Markt bringen zu können. Heute ist es dagegen Mode, Pflanzen in Glasbehältern oder Mini-Gewächshäusern in der Wohnung zu präsentieren.

Chefs mit Büropflanzen sind beliebter

Das Thema Zimmerpflanzen hat ungezählte Facetten. Jeder weiß, dass Pflanzen das Mikroklima verbessern, indem sie Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit produzieren. Schadstoffe werden hingegen absorbiert. Auch schalldämpfend wirken sie. Eine norwegische Studie aus dem Jahr 2000 ergab, dass Angestellte ihre Vorgesetzten höher schätzten, wenn in ihren Büros Grünpflanzen oder Blumen standen. Andere Untersuchungen zeigten, dass Pflanzen unser Denken und Fühlen positiv beeinflussen. Womöglich macht es uns auch kreativer, wenn neben dem Schreibtisch ein „Köstliches Fensterblatt“ steht? Mitte des 19. Jahrhunderts war das Fensterblatt beliebt in den Gewächshäusern der Adligen und Reichen. Eine Sorte trägt den Namen borsigiana, so getauft nach dem Berliner Industriebaron August Borsig, der sie in seinem Moabiter Gewächshaus kultivierte und der Öffentlichkeit stolz präsentierte.

Strenge Ordnung. Ob dieses Arrangement auf der Fensterbank den Feng-Shui-Regeln entspricht, ist die Frage.
Strenge Ordnung. Ob dieses Arrangement auf der Fensterbank den Feng-Shui-Regeln entspricht, ist die Frage.

© imago/Westend61

Sogar Pflanzenhasser, so glauben jedenfalls die Ausstellungsmacher, könnten sich den Effekten des Grünzeugs nicht entziehen. „Pflanzen wirken vermutlich auch dann auf unsere Psyche, wenn wir sie ignorieren.“ Nach der Feng-Shui-Lehre verbessern Pflanzen im Schlafzimmer den Energiefluss der Menschen. Hieß es nicht früher immer: Bloß keine Pflanzen ins Schlafzimmer stellen? Womöglich muss man es einfach ausprobieren.

Wie die Pflanzen es überhaupt in unsere Breiten geschafft haben, wird in der Ausstellung ausführlich dargestellt. Seit dem 19. Jahrhundert haben europäische und US-amerikanische Sammler die Welt auf der Jagd nach zimmertauglichen Pflanzen durchkämmt. Mit verheerenden Folgen für zahlreiche Wildarten, die an ihren natürlichen Standorten fast ausgerottet wurden. Erst allmählich kehrte der Respekt gegenüber den Pflanzen zurück. Inzwischen stehen sie unter dem Schutz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) von 1973.

Mit all dem Wissen dürften die Museumsbesucher ihr Usambaraveilchen noch liebevoller gießen und die Blätter der Monstera deliciosa öfter mal feucht abwischen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Juni im Botanischen Museum Berlin (Königin-Luise-Straße 6-8) zu sehen. Täglich geöffnet von 9 bis 19 Uhr. Eintritt: 2,50 Euro.

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