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Diesen Blick auf den Wannsee malte Philipp Franck 1914 vom Garten des Unternehmers Eduard Arnhold aus.

© Repro: Galerie Mutter Fourage

Ausstellung mit Werken von Philipp Franck: „Rom ist schön, aber meine Havel ist mir lieber“

Wannsee-Fans gestern und heute: Wolfgang Immenhausen zeigt in seiner „Mutter Fourage“ Bilder des von ihm wieder entdeckten impressionistischen Malers.

Er kam, sah – und war begeistert. Als Wolfgang Immenhausen erstmals ein Bild des Malers Philipp Franck betrachtete, hatte er das Gefühl, als wäre er mit ihm schon ewig verbunden. 36 Jahre sind seither vergangen, aber Immenhausens Begeisterung blieb. „Uns verbindet eine gemeinsame Leidenschaft“, sagt er, „unsere große Liebe zu Wannsee.“

Persönlich haben sich die beiden zwar niemals kennengelernt. Philipp Franck ist 1944 gestorben, als sein späterer Verehrer noch in den Windeln lag. Doch Wolfgang Immenhausen hat Philipp Franck in den frühen Achtzigern wieder entdeckt, nachdem dessen Werke zuvor jahrzehntelang nahezu völlig vergessen waren. Seither hat er die Bilder des Impressionisten und Mitbegründers der Berliner Secession mit unablässigem Einsatz in seiner Galerie in der „Mutter Fourage“ im Zehlendorfer Ortsteil Wannsee wieder bekannt gemacht.

Noch bis Ende August ehrt der Galerist und heutige Wannsee-Fan nun erneut den Künstler: Er zeigt in einer umfassenden Ausstellung teils noch nie präsentierte Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken mit Motiven aus Wannsee, vom Großen- und Kleinen Wannsee, aus Potsdam und der Havellandschaft.

Wolfgang Immenhausen bewahrt in seinem Paradies "Mutter Fourage" den märkisch-mediterranen Flair von Wannsee.
Wolfgang Immenhausen bewahrt in seinem Paradies "Mutter Fourage" den märkisch-mediterranen Flair von Wannsee.

© Kitty Kleist-Heinrich

Es ist ein sonniger Vormittag. Wolfgang Immenhausen, groß, schlank, heute ein temperamentvoller Mitsiebziger, steht auf dem Kopfsteinpflaster inmitten seines historischen Hofensembles „Mutter Fourage“ und weist rundherum auf sein kleines, vielfältiges Paradies, das er seit mehr als drei Jahrzehnten im Herzen seines Heimatortes an der Chausseestraße in Wannsee geschaffen hat.

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Dort bewahrt er den Zauber der von Havel-Seen umschlungenen Insel Wannsee, diesen Mix aus mediterranem und märkischem Flair, genau so, wie ihn schon Philipp Franck, Max Liebermann und andere Berliner Impressionisten in ihrer Malerei festhielten: Das Pflaster ist gesäumt von farbenfroher Pflanzenpracht, hier werden Stauden in Hülle und Fülle verkauft. Rechts der „Feine Kost“-Bioladen und das Hofcafé zwischen Hortensien, Putten und bunten Schirmen, hinten die denkmalgeschützte „Kulturscheune“, Ort für Kleinkunst und Konzerte und links die großen Fenster der „Galerie Mutter Fourage“.

Lauschig, gemütlich. Blick ins Café der "Mutter Fourage".
Lauschig, gemütlich. Blick ins Café der "Mutter Fourage".

© Kitty Kleist-Heinrich

Dieses Anwesen war bis zu den frühen 70ern eine Futtermittelhandlung, gegründet vor 120 Jahren von Immenhausens Vorfahren. Schon damals stand „Fourage“, auf Französisch „Futter“, am Hausgiebel. Er ist dort aufgewachsen – und blieb. Obwohl er beruflich als Schauspieler erst mal ganz andere Wege ging und 15 Jahre zum Ensemble des Berliner Grips-Theaters gehörte. Doch 1977 erbte er die Futterhandlung, stellte sein Leben auf den Kopf und gründete mit zwei Grips-Kollegen in Anlehnung an Bert Brechts „Mutter Courage“ die „Mutter Fourage“. Die Drei waren frühe Bio-Aktivisten, sie entwickelten einen Treff mit Naturkostladen, Öko-Gartenbedarf und Kultur.

Immenhausen spielte im Theater, dann stellte er sein Leben auf den Kopf

Inzwischen führt Immenhausen in der „Mutter Fourage“ allein Regie und gilt als Spezialist für die Werke und Geschichten der „Wannseekünstler“ wie Max Liebermann, Oscar Begas oder Philipp Franck, die ihre Sehnsucht nach Harmonie und Idylle mit Pinsel und Zeichenstift zwischen dem Kleinen- und Großen Wannsee stillten. Er gehört zu den Gründern der Max-Liebermann-Gesellschaft, setzte sich dafür ein, dass die Villa und der Garten des Malers wieder original hergerichtet wurden.

„In Wannsee“, sagt er, „bin ich tief verwurzelt. Das gibt mir Kraft und Energie“. An seinem Stammsitz führt er Gäste gern zum Taubenturm. „Den hat der Grips-Tischler gebaut.“ Oder in den Naturkost-Laden. „Hier war früher der Stall.“ Im einstigen Futtertrog lagern Weinflaschen. 2017 ließ er an der Fassade des einstigen Wohnhauses der Familie die alte Werbung freilegen: „Mehl-Fourage...gegründet 1900“. Und nun hängt an der Galerie dieses große Plakat. „Philipp Franck – Ein Leben für die Kunst“. Eine Ausstellung zum 120-jährigen Bestehen der Mutter Fourage.

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Die Ausstellung:
„Philipp Franck – Ein Leben für die Kunst“, Galerie Mutter Fourage, Chausseestraße 15a, bis 30. August, geöffnet: Freitag, 14-18 Uhr, Samstag/Sonntag, 12 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung. Telefon: 805 23 11, www.mutter-fourage.de

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Wie hat Wolfgang Immenhausen seinen Lieblingskünstler vor knapp 36 Jahren entdeckt? Die Liaison begann im Sommer 1984, als er bei einer Trödel-Versteigerung der Wannseer Conrad-Schule ein Ölbild mit Seglern auf dem Wannsee sah. Das Bild hatte jahrelang im Kohlenkeller der Schule gelegen: Künstler unbekannt, weg damit. Es fesselte Immenhausen, doch bevor er zum Zuge kam, bot ein Unbekannter 200 Mark, klemmte das Bild unter den Arm und verschwand. Es ist bis heute verschollen.

Nun betätigte sich Immenhausen als Kunstdetektiv. Er ermittelte die Vorgeschichte des Werkes und dessen Schöpfer. Aber wer war Philipp Franck?

Philipp Franck liebte auf Wannsee das Dorfleben und die mondäne Welt.
Philipp Franck liebte auf Wannsee das Dorfleben und die mondäne Welt.

© Archiv Mutter Fourage

Geboren 1860 in Frankfurt am Main, kam er nach seinen Studienjahren 1890 als Zeichendozent an die Königliche Kunstschule zu Berlin, avancierte 1915 zu deren Direktor, machte sich einen Namen als Reformer des Kunstunterrichtes und blieb in diesem Amt bis zur Pensionierung 1930. Franck lebte zwischen zwei Welten. Jede freie Minute nutzte er von 1890 bis ins hohe Alter, um mit Malkarren und Staffelei hinaus zu den Seen, die Havel entlang und nach Potsdam zu ziehen und en plain air zu malen.

1906 zog er mit seiner Familie in die "Colonie Alsen"

Er verliebte sich in die Umgebung Berlins, anfangs, um 1900, besonders in Stolpe am Stölpchensee, die Urzelle von Wannsee, ein damals pittoreskes Fischerdorf mit reetgedeckten Hütten am Rande der Wannsee-Insel. Für ihn eine Fundgrube an Motiven. Später, nachdem er 1906 mit Frau und vier Kindern von Halensee in die „Colonie Alsen“ am Wannsee gezogen war, eine von Großbürgern und Künstlern favorisierte Adresse, malte er dort auch das exklusive Leben in den Gärten der Reichen. Während der NS-Zeit zog sich Franck in Wannsee ganz und gar in den Kokon seiner Malpassion zurück, sein Sohn Carlludwig floh nach London, er war mit einer Jüdin verheiratet. Das gemietete Fluchtauto wurde mit Bildern des Vaters bezahlt.

Dorfalltag. Philipp Franck malte am liebsten en plain air, hier Frauen bei der Kartoffelernte.
Dorfalltag. Philipp Franck malte am liebsten en plain air, hier Frauen bei der Kartoffelernte.

© Repro: Galerie Mutter Fourage

Wieso war dieser Mann so völlig aus dem Blick der Kunstwelt geraten? "Das kann doch nicht wahr sein", dachte Immenhausen. Vielleicht lag es daran, dass Philipp Franck seiner Kunstrichtung, dem Impressionismus, beharrlich treu blieb, aber dieser schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts von neuen Entwicklungen überholt wurde: Die klassische Moderne begann mit Expressionismus, Kubismus, neuer Sachlichkeit.

Zwecks Wiederentdeckung startete Wolfgang Immenhausen Aufrufe. Wer besaß Bilder des Künstlers? Etliche Berliner meldeten sich. Übersicht und Sammlung wuchsen, zumal er Werke erwerben konnte. Dass Francks Gemälde offenbar so manchen Haushalt im Stillen schmückten, lag an dessen Freigiebigkeit. Freunde soll er damit beschenkt, Handwerker mit Kunst bezahlt haben. 1985 gelang die erste Ausstellung, 2010 brachte Immenhausen mit Almut von Tresckow ein Werkverzeichnis heraus – und nun präsentiert er alle Schaffensperioden des Künstlers.

Franck wollte das Wesen der Natur sinnlich erfassen

Wenn er in diesen Tagen seine Galerie betritt, gerät er gleich rechts vor dem ersten Gemälde ins Schwärmen (siehe oben). Am Himmel türmen sich Wolken auf, fliegen auf den Betrachter zu. Sonne über funkelnden Wellen, Jollen im Schwung des Windes, Spiegelungen weißer Segel. „Das ist die atemberaubende Weite des Wannsees“, sagt Immenhausen. 1914 malte Philipp Franck diese Sicht aufs Wasser vom Garten des damaligen Unternehmers und Kunstmäzens Eduard Arnhold aus. Es wirkt so frisch, als hätte er es soeben fertiggestellt.

Doch auch der Garten hat ihn inspiriert, dessen wohl reizvollste Ansicht hängt direkt gegenüber, eine üppig blühende Rosenlaube. Warme, leuchtende Farben, kraftvolle Pinselstriche, Schatten- und Sonnenflecken vermitteln die Schönheit des hellen Sommertages. „Franck war ein Meister des Lichtspiels“, sagt Immenhausen. „Er hatte eine sinnliche Nähe zur Natur, zum Wetter, zu den Jahreszeiten. Er wollte das Wesen der Natur erfassen. Wenn er eine Wolke malte, wollte er eine Wolke sein.“

Franck war ein Meister des Lichtspieles. Das Gemälde zeigt die Rosenlaube im Garten des Unternehmers Eduard Arnhold.
Franck war ein Meister des Lichtspieles. Das Gemälde zeigt die Rosenlaube im Garten des Unternehmers Eduard Arnhold.

© Repro: Mutter Fourage

All das fand Franck in der mondänen „Colonie Alsen“. Dort beginnt der Galerie-Spaziergang durch sein Oeuvre, aber ein paar Schritte weiter wird die zweite, ihm liebgewordene Welt lebendig: der dörfliche Alltag in Stolpe. Hier entdeckte er die Schönheit des scheinbar Unspektakulären: Kartoffelernte 1902, Frauen in Tracht mit weißen Kopftüchern, blauer Flieder, badende Jungs im Stölpchensee, voll im Spiel mit Matsch und Spritzern. Kinder waren seine liebsten Modelle. Ein Doppelporträt zeigt zwei Mädchen mit ihrem Bilderbuch. Die resolute Kleine im rosa Kleid ist seine Enkelin, die spätere Bildhauerin Ingeborg Hunzinger.

Aquarelle von Italienreisen, gezeichnete Porträts seiner Frau Martha, seiner Großmutter, Drucke, Potsdamer Ansichten von ihm verfasste und illustrierte Bücher wie die „Regenbriefe“ sind zu sehen. In seinen letzten Lebensjahren entdeckte Philipp Franck die hängenden Zweige am Heiligen See, die Birken im Neuen Garten. „Rom ist schön, vielleicht die schönste Stadt der Welt. Aber mein Potsdam und meine Havel sind mir lieber“, schrieb er.

Badende Jungs im Stölpchensee. Das einstige Fischerdorf Stolpe war für Philipp Franck eine Fundgrube an Motiven.
Badende Jungs im Stölpchensee. Das einstige Fischerdorf Stolpe war für Philipp Franck eine Fundgrube an Motiven.

© Repro: Mutter Fourage

Sein letztes Bild. Im Winter 1944 malte Philipp Franck diese frisch beschneiten Bäume. Er liebte Birken.
Sein letztes Bild. Im Winter 1944 malte Philipp Franck diese frisch beschneiten Bäume. Er liebte Birken.

© Repro: Mutter Fourage

Am 13. März 1944 starb Philipp Franck in seinem Haus an der Wannseer Hohenzollernstraße 7. Das Haus ist erhalten, eine Gedenktafel erinnert dort an den Künstler. Dessen letzte Ruhestätte auf dem Alten Friedhof Wannsee ist seit 2001 ein Ehrengrab der Stadt Berlin.

Sein letztes Bild malte er einen Monat vor seinem Tod, nach fünf Kriegsjahren. Kahle, frisch beschneite Birkenstämme, friedlich zum Himmel aufstrebend, in milchigem Licht. Als hätte er schon begonnen, sich von der Erde zu verabschieden.

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