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Bauhaus-Geist. Die Ausstellung fällt mitten ins Jubiläumsjahr der legendären Design- und Architekturschule.

© promo

Ausstellung mit progressiven Projekten: Wie ein Garten im Nordirak traumatisierten Menschen hilft

Es werde Licht: Die Ausstellung „Beyond Bauhaus“ zeigt innovative Projekte aus der ganzen Welt. Auch Berliner sind an Projekten beteiligt

Ihre Ideen sind nachhaltig, sozial und progressiv: nachwachsender Baustoff aus Pilzmyzelien gegen Ressourcenknappheit. Alte Autoreifen, mit denen erdbebensichere Häuser gebaut werden. Oder ein Navigationsarmband, das über Vibrationsimpulse funktioniert und sehbehinderten Menschen Orientierung bietet. Im Wettbewerb „Beyond Bauhaus – prototyping the future“ der Initiative Deutschland – Land der Ideen sind 20 Designprojekte aus der ganzen Welt ausgezeichnet worden, pünktlich zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläumsjahr.

Dessen Philosophie verstehen die Organisatoren eher im weiteren Sinn: „Wir wollen Kollaborationen unterstützen, die Offenheit im Denken beweisen“, sagt Ute Weiland, Geschäftsführerin von Land der Ideen. Die Projekte sollen aber dem Bauhaus-Grundsatz folgen: Form follows Function, die Form folgt der Funktion.

Schon die Präsentationsform im CLB, einem Projektraum im Aufbau Haus am Moritzplatz ist Teil eines innovativen Projekts: Befestigt sind die Ausstellungsstücke an einer Holzinstallation des Berliner Kreativbüros Studio Milz. Die Konstruktion hat ihre „Joyn-Machine“ gebaut, eine Maschine, die Holzelemente nach digitalen Bauplänen fräst, sodass sie nur noch zusammengesteckt werden müssen.

Mit Tablets können Besucher die Ausstellung, ergänzt durch Augmented-Reality-Elemente betrachten, auf den Bildschirmen werden dann kleine 3-D-Modelle der Projekte sichtbar. Und in den nächsten Tagen finden kostenlose Workshops und Talks zu innovativen Zukunftsideen statt.

Projekte aus Chile, China und Berlin

Eine 20-köpfige Jury wählte die Gewinnerprojekte aus 1500 Bewerbern. Sie stammen aus den verschiedensten Ländern: Chile, China, USA, Brasilien, Israel oder Malaysia. Auch vier Berliner sind dabei. Für die Projekte ist der Wettbewerb eine Chance: Aufmerksamkeit für die gute Sache gewinnen – und vielleicht auch Förderer, die beim Schritt vom Prototypen-Stadium zur Serienproduktion helfen können.

Das hofft zum Beispiel Tobias Trübenbacher, Berliner Produktdesign-Student an der Universität der Künste. Noch existieren von seiner Lampe „Ignis“ nur zwei Stück. Dabei könnte sie die Lebensqualität von Menschen in abgelegenen Regionen verbessern: Die Lampe verwandelt Wärme in Strom und Licht. Dafür nutzt sie Peltier-Elemente, also elektrothermische Wandler, die bei Temperaturunterschieden einen Stromfluss erzeugen können: Steht die Lampe auf einem heißen Ofen, nimmt sie die Wärme auf und speichert sie als Elektrizität.

Sie hat sogar einen Anschluss, um Handys zu laden. „Wenn Menschen keinen Strom haben, nutzen sie meistens Feuer“, sagt Trübenbacher, er wollte eine praktische Lösung liefern. Insbesondere könnten so Gebiete mit Licht und Energie versorgt werden, denen der Zugang zu Elektrizität fehlt, weil Krieg herrscht oder die Gegend abgeschieden ist.

Ein Garten als Begegnungsstätte im Nordirak

Schon umgesetzt wird ein Projekt, an dem ein anderer Berliner beteiligt war. Leon Radeljic vom Architekturbüro ZRS gestaltete zusammen mit Salah Ahmad von der Jiyan-Foundation for Human Rights einen Heilgarten im kurdischen Chamchamal im Nordirak. Viele Familien in der Umgebung fielen Ende der 80er Jahre der Anfal-Operation Saddam Husseins zum Opfer, der die kurdische Bevölkerung systematisch ermorden ließ.

[„Beyond Bauhaus - prototyping the future“. CLB im Aufbau Haus am Moritzplatz, Oranienstraße 142. Noch bis 1. September geöffnet, täglich von 11 bis 19 Uhr. Freier Eintritt. Weitere Informationen und Anmeldung zu den Veranstaltungen unter: www.beyondbauhaus.com.]

Der Garten dient traumatisierten Menschen als Begegnungsstätte, um medizinische Versorgung und psychologische Betreuung zu finden. Therapeuten arbeiten dort zum Beispiel mit Streicheltieren, die Traumaopfern ermöglichen, Bindungen aufzubauen. Aber auch die Nachbarschaft nutzt den Garten, um sich zu entspannen.

Hölzernes Gebilde. Die Präsentationsform im Projektraum CLB ist so ungewöhnlich wie die gezeigten Konzepte.
Hölzernes Gebilde. Die Präsentationsform im Projektraum CLB ist so ungewöhnlich wie die gezeigten Konzepte.

© Bernd Brundert

Als Ahmad von der Jiyan Foundation das Büro ZRS im Jahr 2016 kontaktierte, arbeitete der damalige Architekturstudent Radeljic dort noch als studentischer Mitarbeiter. Er schrieb schließlich seine Masterarbeit über den Garten. „Für mich war es eine große Bereicherung, so ein sinnvolles Projekt zu unterstützen“, sagt er. Mehrfach reiste er nach Chamchamal, um mit den lokalen Bauleitern zu planen.

Die Vision der Foundation: ein Schulungszentrum für Therapeuten

Die Architektur des Heilgartens orientiert sich an der traditionellen Umgebung, für die Gebäude verwendeten die Arbeiter nur sonnengebrannte Lehmziegel. Erdbebensicher ist es trotzdem, dank moderner Bauelemente. 5.000 Bäume pflanzten sie auf dem 45.000 Quadratmeter großen Gelände. Eine Wiederaufbereitungsanlage säubert das Abwasser mit natürlichen Filtern aus Steinschichten und Pflanzen, sodass die Anlage bewässert werden kann. Energie erzeugt eine natürliche Biogasanlage, in die Tierkot gespeist wird.

Nun ist die erste Bauphase abgeschlossen. Die Jiyan Foundation, die neben ihrem Berliner Büro mehrere Zentren im Nordirak betreibt, plant aber bereits weiter. Zurzeit entstehen auf dem Gelände Werkstätten und Therapieräume. Die gemeinsame Vision für die Zukunft: ein Schulungszentrum für Therapeuten.

Anima Müller

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