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Ausgestellt werden unter anderem die Projektile des Attentats auf Rudi Dutschke.

© Foto: Britta Pedersen/dpa

Ausstellung in der Polizeihistorischen Sammlung Berlin: "Drei Kugeln auf Rudi Dutschke"

50 Jahre nach dem Attentat auf den Wortführer der Studentenbewegung zeigt die Polizei erstmals Dokumente aus jenen Tagen.

Ein vergilbter Zettel in einer Vitrine in der Polizeihistorischen Sammlung Berlin, darauf steht in Schreibmaschinenschrift: „Projektil 1, deformiert, befand sich im Kopf des Rudi Dutschke und wurde am 11. April 1968, gegen 23 Uhr, von Herrn Dr. Schulze, Westend-Krankenhaus, an Kriminalkommissar Bissenick ausgehändigt.“

Projektil 1 liegt über dem Zettel auf weißer Pappe. Es wurde entfernt aus Dutschkes Kopf, nachdem der 23-jährige Anstreicher und Neonazi Josef Bachmann aus Peine mit einem Arminius-Revolver Kaliber 9 am Kurfürstendamm auf ihn geschossen hatte. Die Kugel ist ein Dokument der Zeitgeschichte, nicht größer als ein Zigarettenstummel, seit der Tat lag sie in der Asservatenkammer der Polizei.

Sonderschau: "Drei Kugeln auf Rudi Dutschke"

Zum 50. Mal jährt sich an diesem Mittwoch das Attentat auf Rudi Dutschke. Dreimal schoss Bachmann am 11. April 1968 auf den Wortführer der Studentenbewegung. Im Krankenhaus retteten die Ärzte Dutschkes Leben. Die Kugeln, die Dutschke trafen, stellt die Polizeihistorische Sammlung Berlin jetzt öffentlich aus.

Anlässlich des 50. Jahrestages widmet die Polizei dem Ereignis die Sonderschau „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“ am Platz der Luftbrücke, die ab Montag zu sehen ist. Es ist ein Einblick in ein Stück historische Polizeiarbeit: „Die Projektile waren Teil der Ermittlungsakte“, sagt Sammlungsleiter Jens Dobler. „Wir zeigen sie erstmals.“

Das Attentat löste über Ostern 1968 die schwersten Straßenschlachten aus, die die Bundesrepublik bis dahin gesehen hatte: Zehntausende demonstrierten bundesweit gegen den Springer-Verlag, den viele wegen seiner Berichterstattung über Dutschke mitverantwortlich für die Tat machten. In Berlin lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei, in München verwüsteten Studenten die Redaktion der „Bild“-Zeitung. Barrikaden, Pflastersteine, ausgebrannte Fahrzeuge – die Krawalle gingen als „Osterunruhen“ in die Geschichte ein. Erst Ostermontag beruhigte sich die Lage.

Geschehnisse aus Behördensicht

Projektil 2 und Projektil 3 liegen auf einer Pappe gleich nebeneinander, die Beamten notierten dazu auf ihrer Schreibmaschine: „Zwei Projektile, von denen das mit römisch I versehene Rudi Dutschke aus der Wange, und das mit römisch II versehene dem Dutschke aus der Schulter entfernt wurde.“

Drei Schüsse, zwei in den Kopf, einen in die Schulter. Bachmann floh vom Kurfürstendamm in eine Nebenstraße, lieferte sich einen Schusswechsel mit der Polizei. „Er wollte als Märtyrer sterben“, sagt Dobler. „Glücklicherweise ist ihm das nicht gelungen.“ 1970 beging Bachmann Selbstmord im Gefängnis.

Die Schau ist nicht besonders groß: Vier Vitrinen stehen in einem Raum, der auch allerlei anderen Themen gewidmet ist: Einsatzkleidung vergangener Jahre, Polizeiwaffen aus Mauerzeiten, Einbruchswerkzeug, ein aufgesprengter Geldautomat. Die Luft ist staubig, das Licht nicht optimal – die Polizeihistorische Sammlung ist kein Museum, sie ist Teil einer Behörde. Und deshalb zeigt die Schau die Geschehnisse lediglich aus Behördensicht.

Kommentare zu den Ausstellungsstücken sind kaum zu finden. Lediglich das bekannte Lied von Wolf Biermann „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“, das der Ausstellung ihren Namen gibt, ordnet das Gezeigte ein. Gleich neben den Projektilen liegt der Text, eine Positionierung gegen Rechtsradikale. „Neonazis waren damals schon bereit zu schießen“, sagt Dobler.

Zur Verantwortung der Polizei, die das Attentat weder verhindern konnte noch zimperlich mit den Demonstranten umging, gibt es in der Ausstellung nichts zu sehen. Die Gesellschaft sei „auf dem rechten Auge blind“ gewesen, sagt Dobler. „Aber die Polizei hat verstanden, dass sie mit einer preußischen Haudrauf-Mentalität nicht weiterkommen. Das ist eine Erkenntnis von ’68.“

Gretchen Klotz-Dutschke wird die Ausstellung eröffnen

Neben den Kugeln sind in der Sammlung Dokumente von damals zu sehen: Tatortfotografien, Protokolle vom Ostereinsatz 1968, in denen Beamte über miesen Erbseneintopf meckern, Zeitungsartikel, auch eine Ausgabe des Tagesspiegels vom 17. April 1968: „Von der Straßenschlacht zur Diskussion“ steht da. Der Künstler Arwed Messmer hat Polizeifotos in Bänden zusammengefasst, Besucher können sie anschauen. Ein Sammelsurium aus vergilbtem Papier, und doch so bedeutend.

Dutschke starb 1979 an den Spätfolgen des Attentats. Seine Witwe, Gretchen Klotz-Dutschke, eröffnet die Ausstellung am Montag um 11 Uhr. Sie wird auch bei einer Gedenkveranstaltung sprechen, die am Mittwoch um 16.30 Uhr an der Ecke Kurfürstendamm und Joachim-Friedrich-Straße stattfindet.

„Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“ ist vom 9. April bis zum 20. Juli in der Polizeihistorischen Sammlung Berlin, Platz der Luftbrücke 6, zu sehen. Die Ausstellung ist von montags bis mittwochs von 9 Uhr bis 15 Uhr geöffnet.

Max Polonyi

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