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Die Berliner Mitglieder des Gesundheitsausschusses reisen zur Akropolis und wollen wissender zurückkehren.

© Andrea Warnecke/dpa-tmn

Ausschussreisen in der Kritik: Berliner Abgeordnete auf Klassenfahrt

Jeder Ausschuss im Abgeordnetenhaus hat das Recht auf eine Dienstreise, die aus Steuergeldern finanziert wird. Fahrten nach Athen, Valletta oder Paris dürfen aber keine Sightseeing-Trips sein.

Von Sabine Beikler

Manche tragen Eulen nach Athen. Andere, wie die Berliner Mitglieder des Gesundheitsausschusses, reisen zur Akropolis und wollen wissender zurückkehren. Vom 16. bis 19. April will der Ausschuss Krankenhäuser besuchen, an einer vom Obdachlosenmagazin Shedia organisierten Stadtführung in heruntergekommene Ecken von Athen teilnehmen sowie diverse Gespräche führen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 26 000 Euro. Ausschussreisen werden aus Steuergeldern finanziert. Sie sollen Impulse und Mehrwert für die politische Arbeit in Berlin liefern. Reine Sightseeing-Trips für Abgeordnete dürfen die Reisen nicht sein.

Pro Legislaturperiode hat jeder Ausschuss das Recht auf eine Dienstreise. Im Haushalt des Abgeordnetenhauses sind jährlich 170 000 Euro dafür vorgesehen. Die fachpolitischen Sprecher verständigen sich auf das Programm. Danach geben die Fraktionsvorsitzenden ihre Empfehlung ab. Schließlich muss Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) jede Reise genehmigen. Dafür gibt es Richtlinien: Ist der Ausschuss wirklich fachlich zuständig? Welche Erkenntnisse bringen die Programmpunkte? Und stehen Kosten und Nutzen im Verhältnis?

In der Vergangenheit wurden Reisen wie zur Expo nach Schanghai auch wieder abgesagt. Die umstrittene China-Reise des Stadtentwicklungsausschusses 2010 hätte 60 000 Euro gekostet. Etliche Abgeordnete hatten den Sinn der Reise bezweifelt, der Bund der Steuerzahler den Trip als „touristische Lustreise“ bezeichnet.

AfD–Fraktionschef Georg Pazderski lehnte erst ab - stimmte dann doch zu

Das sind Ausnahmen geblieben. Denn die Politiker wissen, dass man ihnen bei den vom Steuerzahler finanzierten Reisen genau auf die Finger schaut. Abgeordnete, die nicht namentlich erwähnt werden wollen, sagen, man würde wohl „für jede Reise auch immer eine Begründung“ finden. Aber der Grund für das Reiseziel müsse aus dem Programm hervorgehen.

Als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses hat Wolfgang Albers (Linke), seit 2006 Mitglied des Abgeordnetenhauses, den Antrag auf Dienstreise nach Athen gestellt. Der Chirurg fährt „grundsätzlich aus persönlichen Gründen“ bei Reisen nicht mit. Die Athen-Fahrt im April hat ein straffes Programm, das grundsätzlich von der jeweiligen deutschen Botschaft vor Ort organisiert wird. Für An- und Abreise sowie Unterkünfte ist das Ausschussbüro verantwortlich.

Die Parlamentarier wollen wissen, wie Athen als wachsende Stadt Reformen im Gesundheitssystem umgesetzt hat. Sie wollen sich auch über Digitalisierung und Gleichstellung informieren. Der AfD–Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski hatte zunächst ein negatives Votum für die Reise abgegeben. Er vermöge nicht zu erkennen, was „ausgerechnet ein Informationsbesuch in Athen“ an Erkenntnissen bringen solle, „die für die Lösung der Probleme Berlins relevant sein können“, schrieb Pazderski an Wieland. Einen Monate später erklärte Pazderski nach Widerstand aus seiner eigenen Fraktion sein Einverständnis für die Reise.

Der Bildungsausschuss fährt nach Paris, drei AfD-Politiker nach Estland

An der Fahrt des Bildungsausschusses vom 24. bis 27. Juni nach Paris wird die AfD dagegen nicht teilnehmen. Die Vorsitzende Emine Demirbüken-Wegner (CDU) wirft der AfD „unparlamentarisches Vorgehen und Respektlosigkeit gegenüber dem Präsidenten und ihres eigenen Fraktionsvorsitzenden“ vor. Der Ausschuss wird sich Brennpunktschulen und Freizeiteinrichtungen anschauen, sich über Jugendsozialarbeit informieren, mit Jugendlichen sprechen und „auf Initiative der AfD-Mitglieder“, so die CDU-Politikerin, eine Internationale Schule besuchen. Das Programm sei mit allen Ausschussmitgliedern „einvernehmlich“ besprochen worden. Der AfD gehe es nicht um Inhalte, sondern „um billigen Populismus“. Nun fahren die drei AfD-Ausschussmitglieder auf eigene Kosten nach Estland, um sich dort über die digitalisierte Schule zu informieren.

Vom 18. bis 21. Juni fährt der Kulturausschuss nach Malta in die Kulturhauptstadt 2018 Valletta. Auch dieses Programm ist straff organisiert: Gespräche mit den Organisatoren der Kulturhauptstadt, dem Kulturausschuss des maltesischen Parlaments, dem Deutsch-Maltesischen Zirkel, mit Vertretern von Infrastrukturprojekten und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Auf der Insel Gozo ist an einem Abend ein Musikprogramm geplant. Die Ausschussvorsitzende Sabine Bangert (Grüne) betont, dass die Karten dafür die Ausschussmitglieder selbst zahlen würden. Die Reise werde „zeitnah“ nach Rückkehr ausgewertet. Bangert erhofft sich Informationen über die Förderung der Kulturszene und wie Malta die Weltkulturerbestätte organisiert.

Weitere Reisen sind im September vom Hauptausschuss nach Lissabon und im August vom Sportausschuss nach Glasgow anlässlich der dort und in Berlin stattfindenden „European Athletic Championships“ geplant.

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