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Tempo 30-Straßenschild vor dem Fernsehturm in Berlin.

© imago/Steinach

„Ausreizen, was möglich ist“: Berlin will Tempo-30-Zonen ausweiten

Die Verkehrsverwaltung stellt klar: Tempo 30 soll nur dort kommen, wo es zu laut ist. Die Grünen reagieren nervös auf den Vorstoß.

Die Verkehrsverwaltung will die Tempo-30-Zonen in der Stadt ausweiten (T+). Grundlage dafür soll der Lärmschutz werden. Die Grünen reagierten am Freitag nervös auf den Vorschlag. Jan Thomsen, Sprecher der von Grünen-Senatorin Regine Günther geführten Verkehrsverwaltung, stellte deshalb klar: „Eine flächendeckende Einführung ist derzeit weder möglich noch geplant.“

Es soll nur berlinweit untersucht werden, welche Hauptstraßen tags und nachts so sehr von Verkehrslärm belastet sind, dass die Geschwindigkeitsreduzierung „zum Schutz der Gesundheit gerechtfertigt“ wäre. Alles andere sei durch die bundesweit geltende Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht gestattet, teilte Thomsen mit.

Für Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und ihre in der jüngsten Wahlumfrage auf 21 Prozent zusammengestutzte Partei kommt die Ankündigung von mehr Tempo-30-Zonen in der Stadt zu einem schlechten Zeitpunkt. Mit dem Thema haben die Berliner Grünen 2011, damals noch mit Spitzenkandidatin Renate Künast, schlechte Erfahrungen gemacht. Nach starken Vorwahl-Umfragewerten landete die Partei am Ende bei knapp 18 Prozent und blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Ein ähnliches Schicksal will sich Jarasch unbedingt ersparen. Auf eine Frage des Tagesspiegels am Rande der Vorstellung der Grünen-Wahlkampagne reagierte nicht sie, sondern die Landesvorsitzende Nina Stahr: „Es geht mitnichten darum, stadtweit Tempo 30 einzurichten“, erklärte sie im sichtlichen Bemühen darum, die für die Grünen potenziell gefährliche Debatte im Keim zu ersticken. Es handele sich lediglich um eine Untersuchung der Verkehrsverwaltung und kein erklärtes Vorhaben, außerdem gehe es nur um die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf maximal 30 Stundenkilometer „an einigen Stellen“.

Betroffen sein könnten Straßen, in denen der durch den Autoverkehr erzeugte Lärmpegel gesundheitsgefährdende Ausmaße annehme, bestätigte sie. Jarasch schwieg – dürfte aber wenig begeistert über die Ankündigung der Verkehrsverwaltung sein. Das machte eine Intervention ihres Sprechers Markus Kamrad deutlich: Die Verkehrsverwaltung habe die Berichterstattung längst „richtiggestellt“, stellte der klar.

Mehr als jeder zweite Deutsche ist für Tempo 30 in der Innenstadt

Allerdings könnte sich die Stimmungslage seit 2011 gedreht haben: Erst Anfang Juni kam eine bundesweite Umfrage zu dem Ergebnis, dass sich gut jeder zweite Deutsche für ein Limit von 30 Stundenkilometern innerhalb von Städten ausspricht. Pauschal für ein solches Tempolimit auf allen städtischen Straßen sind jedoch nur 17 Prozent.

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Erst Ende Mai hatte der Hamburger Senat beschlossen, an 85 Straßenabschnitten zumindest nachts Tempo 30 einzuführen, viele davon mehrspurige Hauptstraßen. Grund ist auch hier der bessere Lärmschutz der Anwohner. Ab Mitte 2022 werden im Rahmen des Hamburger Lärmaktionsplans 20 Sektoren von 22 bis 6 Uhr zu Tempo-30-Zonen, voraussichtlich 2024 kommen 65 weitere hinzu.

Über den Lärmschutz soll „ausgereizt werden, was möglich ist“

Seit 2016 darf auf Hauptverkehrsstraßen, abseits von Unfallschwerpunkten, laut StVO überhaupt erst eine Tempo-30-Zone eingerichtet werden. Seitdem sind solche Zonen in „sensiblen Bereichen mit besonders schützenswerten Verkehrsteilnehmern“ möglich. Damit sind vor allem Schulen, Kindergärten, Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser gemeint.

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In Berlin hatte die Senatsverwaltung für Verkehr Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen bislang vor allem mit der Luftreinhaltung begründet – etwa seit 2018 auf einem knapp zwei Kilometer langen Abschnitt der Potsdamer Straße. Tempo 30 über den Lärmschutz einzuführen soll nun ein zentrales Vorhaben des Lärmaktionsplans werden, es soll „ausgereizt werden, was möglich ist“, sagte Thomsen.

Bereits im Januar hatte die Verkehrsverwaltung aber eine für ganz Pankow geplante Tempo-30-Zone für nicht umsetzbar erklärt – eine solche Verkehrsberuhigung hatten zuvor SPD, Linke und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Sprecher Thomsen nannte den Vorstoß damals zwar „ein wichtiges Anliegen“, solche pauschalen Beschlüsse seien aber nicht erlaubt. Nur für Nebenstraßen könnten die Bezirk Tempo 30 selbst anordnen.

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