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Das Sozialgesetzbuch schreibt eine Pflichtquote von fünf Prozent der Arbeitsplätze für Schwerbehinderte vor.

© Imago/Panthermedia

Update

Ausgleichszahlungen statt Neueinstellungen: Etliche Berliner Landesunternehmen missachten Schwerbehinderten-Quote

Etliche Landesunternehmen beschäftigen zu wenige Schwerbehinderte. SPD-Politiker fordert höhere Strafen. Die IHK zahlte im Jahr 2021 27.000 Euro.

Zahlreiche landeseigene Unternehmen stellen weniger Menschen mit einer schweren Behinderung an, als gesetzlich vorgeschrieben. Das geht aus einer Anfrage des SPD-Abgeordneten Lars Düsterhöft hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Der Antwort der Finanzverwaltung zufolge verletzten allein 30 landeseigene Betriebe in den Jahren 2020 und 2021 die Vorgabe, wonach mindestens fünf Prozent aller Beschäftigten eine Schwerbehinderung aufweisen müssen. Bei den ebenfalls abgefragten Stiftungen, Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts zählte die Finanzverwaltung 17 Fälle, in denen gegen die Regelung verstoßen worden war.

Düsterhöft, der auch die öffentliche Verwaltung vor Problemen sieht, die vorgeschriebene Quote nach der sich abzeichnenden Pensionierung zahlreicher alter, teils schwerbehinderter Arbeitnehmer zu halten, kritisierte die Unternehmen und Einrichtungen scharf. „Ich erwarte, dass alle landeseigenen Unternehmen ihrer besonderen Verantwortung gerecht werden“, erklärte er dem Tagesspiegel und fügte hinzu: „Jedes landeseigene Unternehmen, das die Ausgleichsabgabe zahlen muss, ist eines zu viel.“

Er sprach sich dafür aus, die im Fall des Unterschreitens der Quote fällige Ausgleichsabgabe – das Unternehmen muss Geld zahlen – im Vergleich zum Ist-Stand zu verdoppeln, wenn nicht gar zu verdreifachen. „Nur so könnte das Versagen einen ernsthaften finanziellen Effekt haben“, erklärte Düsterhöft. Wie viel ein Unternehmen zahlen muss, richtete sich danach, um wie viel Prozent sie die vorgeschriebene Quote unterschreiten und wie groß der Betrieb ist.

Manche Unternehmen hielten sich für inklusiv

Unter den von den Ausgleichzahlungen betroffenen Unternehmen sind durchaus einige, die sich die Themen Inklusion und Vielfalt in anderen Zusammenhängen gern auf die Fahnen schreiben. Nachzahlen mussten unter anderem die Messe Berlin, die Betreiber des Olympiastadions, das Hebbel-Theater sowie mehrere kommunale Wohnungsbaugesellschaften.

Unter den zur Nachzahlung verpflichteten Stiftungen, Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts finden sich unter anderem die Universität der Künste, die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, die Kunsthochschule Berlin-Weißensee, die Berliner Philharmoniker, die Stiftung Naturschutz Berlin, die Stiftung Stadtmuseum, die Handwerkskammer sowie die Industrie- und Handelskammer (IHK) wieder.

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27.300 Euro Ausgleichsabgabe hat die IHK allein im vergangenen Jahr geleistet, erklärte deren Sprecherin Claudia Engfeld dem Tagesspiegel am Freitag. Die Problematik für bestehe darin, dass es auf die Ausschreibungen „grundsätzlich nur sehr wenige Bewerbungen von Personen mit Schwerbehinderung“ gebe, erklärte Engfeld weiter. Zwar werde jeder Bewerber mit Schwerbehinderung zum Gespräch eingeladen und im Verfahren „bevorzugt berücksichtigt“.

Demografischer Wandel erschwert Personalsuche

Allerdings führe nicht jedes Gespräch zum Abschluss eines Arbeitsvertrages. Entweder weil die fachlichen Voraussetzungen nicht passen oder weil Bewerber Abstand nähmen. Eine belastbare Analyse zu den Gründen des Scheiterns „lässt sich wegen der insgesamt geringen Zahl der Bewerbungen leider nicht ableiten“, erklärte Engfeld und versicherte: „Wir nehmen das Thema aktuell noch stärker in den Fokus.“

Emanuel Höger, Pressesprecher der Messe Berlin, bezifferte die Summe der in den vergangenen beiden Jahren geleisteten Ausgleichsabgabe auf rund 21.000 Euro. Da die Messe Berlin während der Pandemie wenig bis gar nicht eingestellt habe, sei die Quote leicht gesunken, erklärte Höger. Er verwies – ähnlich wie Düsterhöft mit Blick auf die Verwaltung – auf den Zusammenhang zwischen altersbedingt ausscheidenden Mitarbeitenden und dem Rückgang der Schwerbehindertenquote.

Bei der Messe vollziehe sich derzeit „ein starker demographischer Wandel“, erklärte Höger. Die in Rente gehenden Mitarbeiter gehörten „typischer Weise zu der Mitarbeiter-Gruppe, die den höchsten Anteil an Menschen mit Behinderungen verzeichnet“.

Für den ebenfalls von Ausgleichszahlungen betroffenen Klinikkonzern Vivantes erklärte Sprecher Christoph Lang, die Strafe werde fällig, weil zwei Tochtergesellschaften die Quote unterschritten hätten. Insgesamt habe Vivantes zuletzt 1103 Schwerbehinderte beschäftigt und die Quote damit übertroffen. (mit dpa)

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