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So stark, dass der Löffel drin steht: Tee in einer ostfriesischen Teestube.

© imago / Martin Bäuml Fotodesign

Ausflug von Berlin nach Leer: Kühe, Tee und ein ganz anderer Schnack

Zwischen Weihnachten und Neujahr sind die Terminkalender leer. Doch wo ist das und wie fühlt es sich an? Eine Stadt in Ostfriesland ist ganzjährig „Leer“.

Wo Ems und Leda gemächlich entlangfließen, wo Straßen nach Ostfriesenhäuptlingen wie Focko Ukena benannt sind, wo ganzjährig der Löffel im Tee steht, so stark wird er gekocht: Da ist es immer leer, nicht nur wie in Berlin zwischen den Jahren. Nämlich in Leer.

Von Berlin aus einmal ganz nach Westen, fast am anderen Ende der Republik, da liegt die Stadt. Ein Städtchen eher, aus Hauptstadtperspektive. Knapp 35.000 Menschen wohnen hier, es sind nicht nur Lehrer und auch nicht, anders als man meinen könnte, Leerer – aber Leeraner oder Leeranerinnen. Wer sich der Stadt nähert, wird begrüßt von einem Himmel mit einem schier unglaublichen Blau, dazu tiefgrüne Felder, schwarz-weiß betupft von Kühen. Durchatmen.

Platz ist hier nicht knapp, die Freundlichkeit auch nicht. Wer als Autofahrerin für einen Moment stehenbleibt, auf der Suche nach der richtigen Abzweigung, der wird nicht aus dem Weg gehupt, sondern dem wird freundlich zugewunken. „Moin“, sagt der Ostfriese (und zwar nur genau einmal), und die Freundlichkeit darin ist echt.

Hier lebt es sich geruhsam, den letzten Hauch damals noch ungeahnten Weltruhms erlebte Leer, als in den achtziger Jahren ein gewisser Hans Peter Geerdes hier sein Abitur ablegte. Ob er als H. P. Baxxter auch in Ostfriesland was geworden wäre? Vermutlich eher nicht, mit der Extravaganz haben sie es hier nicht so.

Ihr Städtchen ist auf ganz traditionelle Art schön. Alte Häuschen, malerische Gässchen, schiefer Backstein. Hübsche Lädchen, in denen auch die guten holländischen Lakritzen problemlos zu bekommen sind. Hier ist es ländlich, aber nicht auf die stockkonservative Art – gewählt wird traditionell gern sozialdemokratisch.

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Der Komiker Karl Dall verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Leer, Charité-Chef Heyo K. Kroemer wurde hier geboren. Die Gegend, aus der Virologe Christian Drosten kommt, das Emsland, ist nicht weit, und doch würde der Leeraner sagen: ein ganz anderer Schnack. Ein bisschen näher an der weiten Welt ist Leer dann doch. Das liegt wohl am kleinen Stadthafen, daran, dass sich von hier aus auch mit einer Jolle ferne Länder erreichen ließen, wenn man denn wollte.

Doch warum wollte man? Ist doch alles da. Einmal im Jahr wird Gallimarkt gefeiert, dann zeigt sich Ostfriesland von seiner wilden Seite. Ganzjährig lässt es sich bequem mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs sein, so flach wie hier ist es in der Republik kaum irgendwo. Es mag leer sein in Leer. Das aber auf die denkbar schönste Art.

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