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Unerschütterlich: Wolf Biermann beim "Tag der offenen Tür" in der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.

© Paul Zinken/dpa

Auftritt in der Stasi-Gedenkstätte: „Na kleiner Biermann, ob du das überhaupt durchgestanden hättest?“

Bei einem Auftritt in Hohenschönhausen spricht Wolf Biermann über die Wegmarken seiner musikalischen Karriere – und die Gefahren für seine Fans in der DDR.

Früher hat er beim Verfassungsschutz gearbeitet, in West-Berlin. Und Platten von Wolf Biermann gesammelt, erzählt der weißhaarige Mann, der jetzt auf den Liedermacher wartet. „'71 habe ich ihn in Ost-Berlin besucht, wollte mir ein Autogramm holen, aber das war ihm nicht ganz geheuer.“ Hätte ja von der Stasi sein können, dieser Mann an der Tür.

Alle hier verbindet etwas mit Wolf Biermann. Hunderte Fans sind gekommen, während des Konzerts in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen zieht Biermann, inzwischen 82 Jahre alt, alle Aufmerksamkeit auf sich.

Der Tag der offenen Tür in der Gedenkstätte wird zum Biermann-Open-Air. Der Liedermacher und Ex-DDR-Dissident ist in bester Laune und Verfassung, seine Stimme kann laut brüllen und zart raunen, er bilanziert sein Leben und Werk mit Bonmots und Anekdoten, die er scheinbar so nebenbei aus dem Ärmel schüttelt.

Zum Konflikt mit Florian Havemann, dem Sohn seines ehemaligen Freundes Robert Havemann, sagt er jedoch nichts. Auch Marianne Birthler, die ihn auf der Bühne kurz befragt, spricht ihn nicht darauf an. Feinde hatte er genug im Leben, da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an. Havemann hatte sich gegen den Auftritt von Biermann in der Gedenkstätte ausgesprochen, weil er ihn in einem Buch in die Nähe der Stasi gerückt hatte. Und weil er, Biermann, nie in dem berüchtigten Gefängnis eingesessen hat, wie viele andere, die hier auftreten.

Darauf geht Biermann ein. Er habe das Gefängnis in Bautzen besucht, nach der Wende, und sich gefragt: „Na kleiner Biermann, ob du das überhaupt durchgestanden hättest?“ Wer damals in der DDR seine Lieder gehört, sich Tonbandkopien besorgt hatte, habe „teuer dafür bezahlen müssen“, während er zwar Berufsverbot bekommen hatte, aber nicht eingesperrt wurde. „Die Herrschenden in der DDR waren zwar Verbrecher, aber keine Dummköpfe.“ Biermann im Gefängnis, das hätte nur seine Popularität weiter befeuert.

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Biermann schaut gerne zurück, auf die „zwei, drei Konzerte, die ich nicht vergessen kann“, natürlich das in Köln 1976, das seine Ausbürgerung zur Folge hatte. Und das Konzert im Dezember 1989 in der Leipziger Messehalle, „als alles noch wacklig“ war, die friedliche Revolution auch weniger friedlich hätte ausgehen können. Nur fünf Grad Celsius habe die Luft in der Halle gehabt, die 8000 Besucher hätten trotzdem nicht wegen der Kälte gezittert, sondern davor, dass alles noch einmal „rückwärts gedreht werden könnte“.

Bevor er sie intoniert, interpretiert er seine Texte ausgiebig

Biermann interpretiert seine Texte ausgiebig, bevor er sie intoniert, jede Zeile garniert er mit zusätzlichen Informationen, etwa zu seinem Freund Jurek Becker, dem Drehbuchautor, ebenfalls längst verstorben. Becker habe sich immer das Lied mit den acht Versen gewünscht, in denen es darum geht, wie Biermann in der „besseren Hälfte“ Deutschlands lebt, es ihm aber „doppelt weh“ macht. Dieses Lied hätte ihn in Ost und West gleichermaßen unbeliebt gemacht.

Auch hübsch die Anekdote mit Nina Hagen. Die habe als kleines Kind geschimpft, als sie ihn erkannte, den „Neuen“ ihrer Mutter: „Du sollst mein' Walter Ulbricht“ nicht ärgern.

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Jenseits des Konzerts gab es auch andere Akteure zu bestaunen, etwa den Gedenkstätten-Mitarbeiter Bertold Jentsch, der sich den Besuchern in einem Ausstellungsraum mit großer Lupe und alten Kohlepapierbögen präsentierte. Die hätten sie beim Räumen in alten Schreibtischen und Aktenschränken gefunden.

Die Originaldokumente sind verschollen, aber aus den Bögen lässt sich herauslesen, wie sich der Alltag im Stasi-Knast abspielte, sagt Jentsch. Da wurden Bestelllisten geschrieben und Rechnungen gefertigt, eher unspektakulär, aber aufschlussreich.

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