zum Hauptinhalt
Auch Hiral Arora (li.), Studentin aus Indien, und Camila Wolfram, aus Brasilien stammende Studentin in Berlin, sammelten am Montag Müll im Mauerpark.

© Christoph Soeder/dpa

Aufräumaktion in Berliner Parks: Putzen statt Party

Touristen sollen Parks säubern? Die Idee klang kurios. Doch zum Auftakt kamen Menschen aus aller Welt.

Wie die Heinzelmännchen kommen sie in die Stadt und säubern die Parks: die Touristen. Was zu schön klingt, um wahr zu sein, wollen die Bezirke Pankow und Mitte nun testweise gemeinsam mit dem Tourenanbieter Sandeman’s New Europe organisieren. Am Montag fand die erste Reinigungsaktion im Mauerpark statt – und knapp 80 Helfer aus aller Welt nahmen am Nachmittag daran teil.

„Wir kommen aus Malaga, da liegt sehr viel Müll herum – und wir mögen das überhaupt nicht“, sagten Angel Ruiz (25) und Jose Carlos Extremera (26), die zu den ersten Freiwilligen gehörten. „Daher wollen wir dazu beitragen, dass der Tourismus auch an anderen Orten nicht so viel Müll hinterlässt.“ Die beiden 52-jährigen Britinnen Jo Tuna und Nicky Jenkins erzählten, dass sie den Beschluss zur Teilnahme tags zuvor im Mauerpark gefasst hatten. Dort auf dem Flohmarkt hätten sie gesehen, „wie viele Leute ihren Müll einfach auf den Boden schmeißen.“ Darunter auch einige Berliner, nicht nur Touristen, wie sie betonen. „Wir selbst sammeln unseren Müll immer auf, und das wollen wir den Berlinern auch ein bisschen beibringen.“

Andere Teilnehmer der Premierenveranstaltung, die bei Führungen des Tourenanbieters oder auf Plattformen wie Instagram von der Aktion erfahren haben, kommen aus Indien, Polen, und auch ein paar Berliner sind dabei. „Ich bin das Gegenteil von einem Touristen, ich lebe seit 20 Jahren in Berlin“, sagt Reinhard Kaiser (66). „Ich hätte das auch vorher schon gemacht, wenn die BSR dazu aufgerufen hätte.“

„Bei vergangenen Aktionen hatten die Teilnehmenden wirklich Spaß daran, etwas zu machen, wo sie sich einbringen und auch bedanken konnten bei den Städten, in denen sie zu Gast sind,“ sagt Lisa John von Sandeman’s New Europe. Der Tourenanbieter hat vergleichbare Säuberungsveranstaltungen in anderen europäischen Metropolen veranstaltet: Edinburgh, Barcelona, Paris und Amsterdam. „Die erste Tour gab es 2016 in Edinburgh. Auslöser waren die negativen Reaktionen, die es in vielen Metropolen gegenüber Touristen gab, vor allem in Barcelona.“ Auch in Berlin hat das Unternehmen eine ähnliche Aktion bereits durchgeführt: Vergangenen September im Tiergarten mit 50 Teilnehmenden, damals noch ohne Beteiligung der Bezirke. Bei der neuen Kooperation bezahlen die Bezirke über das Aktionsprogramm Saubere Stadt die Tourguides und das Picknick, Sandeman selbst verdient laut Johns Angaben nichts an dem Spektakel.

Mehr als nur Putzen

Tourguides und Picknick? Ohne solche Köder wären womöglich doch nicht so viele Touristen für die Aktion zu gewinnen. Jetzt ist das Programm aber so gemacht, dass erst eine geführte Tour vom Nordbahnhof entlang der Berliner Mauer angeboten wird und erst nach einer Stunde das Putzen im Mauerpark startet. Zangen und andere Ausrüstung stellt die BSR. Als Belohnung wird im Anschluss gepicknickt. Beworben hat Sandeman die Veranstaltung vor allem über die eigene Homepage sowie über Plakate in Hostels und Hotels. Die BSR spielte die Ankündigung über ihr Portal „Kehrenbürger“ aus, um auch auf diese Weise potentiell Teilnehmende anzusprechen.

„Wir waren sehr überrascht über die große Resonanz, auch aus der Presse,“ sagt die Pankower Stadträtin Rona Tietje (SPD) dem Tagesspiegel. Vermutlich auch deshalb seien mehr Anmeldungen eingegangen als erwartet. Mit hundert Teilnehmenden rechnete man bis zum Abend – bei ursprünglich geplanten fünfzig Plätzen. „Aber wir wollen das möglich machen, auch mit zusätzlichen Mitarbeitern, die wir finanzieren,“ so Tietje. Schließlich gehe es darum, Touristen und Anwohner zusammenzubringen und dafür zu sensibilisieren, wie man sich im öffentlichen Raum verhält.

Im Mauerpark provoziert die Aktion Erstaunen, aber auch Zustimmung. „Was, das soll Touristen Spaß machen?“, sagt Laura Aschkar (Mitte 30), die in Prenzlauer Berg wohnt. „ Aber wenn das funktioniert, ist das natürlich eine Win-Win-Situation.“ Elvira Rizzuti (26), die ebenfalls in Parknähe wohnt, sagt, dass sie von sich aus jeden Tag Müll einsammele, wenn sie unterwegs sei. „Am Strandbad Plötzensee habe ich gestern eine ganze Flasche voll mit Zigarettenstummeln gesammelt.“ Lea Lahusen (23) aus Wilmersdorf sagt zu der Sammelaktion: „Da bin ich sofort dabei – auch wenn ich bezweifle, dass das nachhaltig etwas bringt.“ Und Johannes Reichhold (22) findet: „Da bekommt man die Stadt ganz anders mit, wenn man sich mit ihrem Müll beschäftigt.“

Die Gelegenheit dazu bekommt er von den Organisatoren der gestrigen Aktion bald schon wieder. Noch zweimal können Teilnehmer putzen – im Mauerpark und Ernst-Thälmann-Park.

Zur Startseite