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Direktor Pater Johannes Siebner des Jesuitenkollegs in St. Blasien. Er verstarb mit 58 Jahren.

© Patrick Seeger dpa/lsw

Auf der Seite der Opfer: Johannes Siebner kämpfte gegen Missbrauch – und setzte sich für andere ein

Der verstorbene Jesuit Johannes Siebner kämpfte für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche. Dafür benötigte er großen Mut.

Pater Martin Stark zählt mehrere Eigenschaften auf, die Pater Johannes Siebner geprägt haben. „Er hatte Kraft, Leidenschaft und Mut. Er hat sich mit größter Leidenschaft für andere eingesetzt.“ Stark hat es quasi täglich mitbekommen, er war zwei Jahre Sozius von Siebner, dem „Provinzial der deutschen Provinz der Jesuiten“.

Stark war damit engster Mitarbeiter des ranghöchsten deutschen Jesuiten. Jenes Mannes, der am Donnerstag mit 58 Jahren im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Kladow einem Krebsleiden erlegen ist.

Mut, Kraft und Leidenschaft benötigte Siebner vor allem in den vergangenen Jahren. „Da hatte er eine harte Zeit“, sagt Stark, er kannte Siebner schon viele Jahre. Der Jesuit Siebner war massiv mit dem Thema Missbrauch konfrontiert.

2010 wurde bekannt, dass im Canisius-Kolleg, der Schule, in welcher der gebürtige Berliner Siebner sein Abitur abgelegt hatte, zwei Jesuitenpater jahrelang Schüler missbraucht hatten. Siebner gehörte nicht zu den Opfern.

Doch für ihn brach eine Welt zusammen. „Er war erschüttert“, sagt Stark, Siebner war zu dieser Zeit Direktor am Kolleg in St. Blasien im Schwarzwald, aber nun kümmerte er sich um die Missbrauchsopfer. Er hörte ihnen zu, er gab ihnen die Möglichkeit zu reden.

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„Pater Siebner hat Partei ergriffen, für Menschen, die Schlimmes erlebten“, sagt Stark. „Aber er hat auch Verantwortung übernommen für die Institution.“ Er räumte ihre Schuld ein. Damit erzeugte er auch Widerstände, innerhalb und außerhalb der Kirche. Das waren die Momente, in denen Siebner Mut benötigte. „Er hat vieles ausgehalten“, sagt Stark. „Er wurde ja stark angefeindet.“

Siebner kritisierte die „Verantwortungsabwehr"

Er war der Mann, den der Orden benötigte, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Deshalb wurde er 2011 Rektor des Aloisius-Kollegs in Bonn. Eine Schule, an der Pater und weltliche Mitarbeiter jahrzehntelang ihre Macht missbrauchten und sexuelle Übergriffe stattfanden.

Nach Bekanntwerden der Vorfälle die üblichen Reflexe: alles verharmlosen, um das das Image der Schule zu schützen. Doch Siebner, kaum im Amt, kritisierte „die Strategie der Verantwortungsabwehr“, dies sei „bestürzend“. Wieder stand er auf der Seite der Opfer. „Er hatte immer nur ein Ziel“, sagt Stark. „Er wollte, dass Menschen Gerechtigkeit erfahren.“ 2017 änderte sich Siebners Amt, er wurde Provinzial. Seine Denkweise aber blieb gleich.

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