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Der Riss im Boden der Stufen am Breitscheidplatz erinnert an die Verstorbenen.

© REUTERS

Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz: Anis Amri soll im Auftrag des IS gehandelt haben

Der Tunesier Anis Amri war wohl kein Einzeltäter. Das berichtet der RBB. Demnach verfolgten BND und BKA Hinweise nicht.

Von Sabine Beikler

Das Attentat auf dem Breitscheidplatz jährt sich am 19. Dezember zum fünften Mal. Zwölf Menschen wurden ermordet, ein weiteres schwerverletztes Opfer starb in diesem Jahr an den Spätfolgen. Viele Fragen blieben nach den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Nordrhein-Westfalen, im Bundestag und Abgeordnetenhaus offen. War der Attentäter Anis Amri tatsächlich ein Einzeltäter, oder gab es einen Auftraggeber für den Anschlag? 

Offenbar handelte der Tunesier Amri nicht allein. Bei dem Auftraggeber soll es sich um den gebürtigen Iraker Ali Hazim Aziz handeln. Er trägt als hoher Funktionär des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) den Kampfnamen Abu Bara'a al Iraqi. Von irakischen Sicherheitsbehörden wird er als „Top-Terrorplaner“ des IS für Deutschland, Frankreich und Großbritannien gesucht.

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Nach Informationen der RBB-Reporter Jo Goll, Sascha Adamek und Norbert Siegmund sollen Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundeskriminalamt (BKA) schon einige Tage nach dem Anschlag Informationen zu einem möglichen irakischstämmigen Auftraggeber erhalten haben. 

Doch trotz der Einordnung der Hinweise in den Akten als „ausgesprochen zuverlässig“, so das RBB-Team, hätten die deutschen Sicherheitsbehörden diese Spur nicht weiterverfolgt. Im Bundestag bestätigte ein zuständiger BKA-Beamter vor dem Untersuchungsausschuss, dass die Spur im Sande verlaufen sei.

Opfer und Angehörige sind wegen Behördenpannen erschüttert

Die Reporter recherchierten sechs Monate lang, reisten unter anderem nach Erbil in den Nordirak, wo sie mit Politikern und Sicherheitskräften sprachen und die Identität des IS-Terroristen aufklären konnten. Auch ein in Syrien inhaftierter IS-Mann bestätigte dem Filmteam, dass der gesuchte IS-Funktionär die rechte Hand des 2016 getöteten IS-Geheimdienstchefs Abu Mohammad al-Adnani gewesen sein soll. 

Bisher war bekannt, dass Amri schon Wochen vor dem Anschlag ein Selbstbezichtigungsvideo an den IS weitergeleitet hatte und er regelmäßig mit einem „IS-Mentor“ chattete. Er hatte auch direkt während seiner Fahrt mit dem gekaperten Lkw zum Breitscheidplatz Kontakt zu diesem IS-Mentor namens Mouadh Tounsi.

In der ARD-Doku „Weihnachtsmarkt.Anschlag – Das Netzwerk der Islamisten“, die an diesem Montag, 13. Dezember, um 22.50 Uhr ausgestrahlt wird, kommen Politiker, Ermittler, Opfer und Hinterbliebene zu Wort. Es wird bisher nicht veröffentlichtes Video- und Bildmaterial gezeigt. Fünf Jahre nach dem Anschlag leiden viele Opfer und Hinterbliebene noch an den Spätfolgen. Für sie ist es unverständlich, dass die Sicherheitsbehörden den späteren Attentäter nicht stoppen konnten. 

„Wir sind erschüttert und entsetzt, dass es so viele Pannen gegeben hat“, sagt im Film Astrid Passin, Sprecherin der Hinterbliebenen. Gerhard Zawatzki, der heute noch an den Folgen des Attentats leidet, sagt im Interview: "Wir werden die Wahrheit wohl nie erfahren, weil die Geheimdienste daran kein Interesse haben."

Ausschuss: Summe der Fehler hatte Anschlag ermöglicht

Nach vier Jahren Aufklärungsarbeit legte der Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus im August dieses Jahres seinen 1235 dicken Abschlussbericht vor. Der frühere Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Stephan Lenz (CDU), betonte, der zentrale Fehler in der Arbeit der Sicherheitsbehörden sei die Fehleinschätzung der Entwicklung des späteren Attentäters gewesen. 

Hinzu kamen Behördenpannen, ein schlechter Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und der Staatsanwaltschaft, ein zu passiver Verfassungsschutz in Berlin und ein schlechtes Gefährdermanagement in den Jahren 2014 bis 2016. "Die Summe dieser Fehler hat den Anschlag möglich gemacht und ihn begünstigt", sagte Lenz bei der Vorstellung des Abschlussberichts. 

Die Linke hatte in einem Sondervotum im Bericht kritisiert, dass die Behörden an der "Einzeltäterthese" festhielten und ein "wenig ausgeprägtes behördliches Interesse für das Netzwerk, das die Tat ermöglicht hat" gezeigt hätten. Auch die Grünen warfen den Behörden massive Fehler vor und betonten ebenfalls, bei Amri habe es sich nicht um einen Einzeltäter gehandelt.

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