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Reste der Party. Silvester wurde häufig mit Schreckschusswaffen herumgeballert.

© Marius Schwarz/Imago

Update

Attacken mit Schreckschusspistolen in Berlin: Dutzende Verstöße gegen Waffenrecht zu Silvester

Schreckschusswaffen sind in Problem in Berlin – nicht nur Silvester. Im Gegensatz zu den Grünen will der Innensenator keine schärferen Sanktionen.

Die Patronenhülsen lagen nach der Silvesternacht noch an vielen Stellen herum – denn einige Feiernde ballern zum Jahreswechsel auch gern mit Schreckschusswaffen herum. Die Berliner Polizei hat mehr als zehn Angriffe mit Schreckschusswaffen über den Jahreswechsel registriert. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, dass der Gebrauch von Schreckschusswaffen „inflationär zugenommen“ habe. Die Zahl der am Jahreswechsel festgestellten Verstöße gegen das Waffenrecht liege im dreistelligen Bereich. Der Ausschuss befasste sich mit einer Bilanz der Silvesternacht.

In der Silvesternacht habe die Berliner Polizei in 125 Fällen im Datensystem Straftaten mit Schreckschusswaffen registriert, sagte Slowik weiter. Diese Angabe im Datensystem sei aber keine zwingende Angaben. Damit deutete Slowik an, dass noch weitaus mehr Straftaten mit Schreckschusspistolen verübt worden sind.

Rettungskräfte beschossen

Darunter waren drei Angriffe auf Einsatzkräfte der Polizei, auch Rettungskräfte der Feuerwehr wurden mit Schreckschusspistolen angegriffen. Daneben wurden gab es acht Attacken „auf andere Personen“ mit diesen Waffen, wie Zahlen der Senatsinnenverwaltung belegen. Die Daten sind noch vorläufig, weitere Vorfälle können noch nachgemeldet werden.

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Doch obwohl der Einsatz von Schreckschusswaffen auch für die Polizei zunehmend zum Problem wird, sei es laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) nicht notwendig, das Waffenrecht zu verschärfen. Aber: „Das Waffenrecht muss durchgesetzt werden“, sagte er. In der Innenverwaltung werde aber über eine Einschränkung des Verkaufs nachgedacht. Derzeit sei es noch möglich Schreckschusswaffe ohne kleinen Waffenschein zu erwerben. „Wir müssen darüber nachdenken, dass das nicht mehr frei verkauft werden kann“, sagte Geisel. Besorgniserregend sei, dass immer mehr Menschen einen kleinen Waffenschein beantragen.

Grünen-Politiker Benedikt Lux für schärfere Sanktionen

Der Innenexperte der Grünen-Fraktion, Benedikt Lux, forderte hingegen eine Verschärfung des Strafrechts. Wer andere Menschen und Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mit Schreckschusswaffe angreife, müsse mit einer einer Mindeststrafe von drei Monaten Haft rechnen, sagte Lux dem Tagesspiegel. Es kann nicht sein, dass wir Schreckschusspistolen ohne ein praktisches Bedürfnis den Leuten anheim dienen. Da drängen sich Einschränkungen auf“, sagte Lux. Der Bundesgesetzgeber müsse daher bei Verstößen strenger werden. Es sei fatal, dass man beim Mitführen von Schreckschusswaffe in der Öffentlichkeit „mit einer Ordnungswidrigkeit davon kommt und es keine Mindeststrafe gibt“, erklärte der Grünen-Politiker. Es müsse eine Mindestfreiheitsstrafe eingeführt werden.

Innenverwaltung sieht die Gefahren

Dabei gibt die Innenverwaltung zu, dass der unsachgemäße und leichtsinnige Gebrauch „erhebliche Gefahren“ mit sich bringe: „Das Abfeuern auf Menschen aus nächster Nähe kann schwere Verletzungen herbeiführen“, erklärte die Innenverwaltung. Die Berliner Polizei werde in diesem Jahr umfassende Informationsveranstaltungen anbieten, um Bürger umfassend über das Waffenrecht zu informieren, sagte die Polizeipräsidentin. Selbst mit kleinem Waffenschein dürfe man nicht auf der Straße bei den Silvesterfeiern herum schießen. Die Gefahr durch Schreckschusspistolen dürfe nicht unterschätzt werden. „Das kann im schlimmsten Fall auch tödlich sein“, sagte Slowik.

 Der "Kleine Waffenschein" ist nötig

Den Angaben zufolge ist das Führen einer Schreckschusswaffe ohne Kleinen Waffenschein bereits seit dem 1. April 2003 strafbar. Außerhalb des eigenen befriedeten Besitzes oder auf fremden Besitz ohne Genehmigung darf nicht damit geschossen werden. Und wer mit solchen Waffen in der Öffentlichkeit herumschießt, ohne einen Erlaubnisschein zu haben, dem droht ein Bußgeld.

Wie gefährlich und bedrohlich es über den Jahreswechsel war, schilderte die Berliner Feuerwehr in ihrer Silvesterbilanz sehr eindrücklich: „Mehrere Personen versuchten weiterhin sogar die Fahrzeugkabine zu öffnen und mit Schreckschusswaffen hineinzuschießen. An einer anderen Einsatzstelle wurde ein Rettungswagen durch Beschuss mit einer Schreckschusswaffe beschädigt.“

Mann ballerte in Moabit herum

Auch bei der Polizei gab es einige heikle Situationen. Ein Streifenwagen wurde Neujahr um 2 Uhrnach Moabit in die Beusselstraße beordert, Grund waren Schüsse. Die Beamten sahen einen Mann, der mit einer Pistole herumgeballert hat. Als der den Funkwagen bemerkte, feuerte er auf den Polizeiwagen und flüchtete dann zu Fuß.

Ein Beamter verfolgte ihn und forderte ihn auf, stehenzubleiben und die Waffe wegzulegen. Doch der junge Mann drehte sich um und schoss erneut auf den Polizisten. Der Beamte sah sich gezwungen mit seiner Dienstpistole einen Warnschuss in die Luft abzugeben. Der Mann flüchtete weiter und warf die Waffe unter ein Fahrzeug. Später erkannten die Beamten ihn wieder - in einer Gruppe, die die Einsatzkräfte mit Böllern bewarf.

Gewerkschaft will Verkauf beschränken

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte eine „ernstgemeinte Beschäftigung mit dem Thema“ Schreckschusswaffen, „die leider noch immer in den Kinderschuhen steckt“. Es müsse darüber nachgedacht werden, „den Verkauf von Schreckschusspistolen an das Vorzeigen des Kleinen Waffenscheins zu koppeln und darüber hinaus den Internethandel zu reglementieren“.

Auch bei einer Vielzahl von Raubstraftaten setzten die Täter immer häufiger Schreckschusspistolen ein. „Die Gefahr besteht, dass Einsatzkräfte nicht unterscheiden können, ob es eine echte Waffe ist oder nicht“, sagte Jendro. Im Zweifelsfall könnten die Beamten schießen. 

Jörn Badendick, Sprecher des Polizei-Berufsverbandes "Unabhängige" sagte: "Wir haben nach Silvester an der Situation sehr deutliche Kritik geübt und sind gehört worden. Die Politik scheint den dringenden Handlungsbedarf erkannt zu haben."

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